Die Grundlagen der lysosomalen Speicherkrankheiten

2018 ◽  
Vol 75 (4) ◽  
pp. 199-207
Author(s):  
Raphaël Tamò ◽  
Marianne Rohrbach ◽  
Matthias Baumgartner ◽  
Felix Beuschlein ◽  
Albina Nowak

Zusammenfassung. Lysosomale Speicherkrankheiten (LSK) sind eine Gruppe von über 50 hereditären Erkrankungen, welche durch eine gestörte lysosomale Funktion charakterisiert sind. Das Lysosom fungiert als Recyclinganlage der Zelle. Der Grossteil der LSK wird durch einen Mangel an sauren Hydrolasen ausgelöst. Der gestörte Metabolismus führt dann zur Akkumulation komplexer Moleküle. Die klassische Einteilung der LSK orientiert sich an diesen Hauptspeichermolekülen und unterscheidet Sphingolipidosen (Glykosphingolipide), Mukopolysaccharidosen (Glykosaminoglykane) und Oligosaccharidosen (Oligosaccharide, Glykoproteine) (In Klammern jeweils das Hauptspeichermolekül). Die moderne Einteilung weitet den Begriff auf alle Erkrankungen aus, welche einen Defekt einer Komponente zeigen, die für die normale Funktion des Lysosoms nötig ist. Dies können lysosomale Membranproteine, Aktivatorproteine, Transportproteine oder nicht-lysosomale Proteine sein. Mit einer gemeinsamen Inzidenz von etwa 16 Fällen pro 100’000 Lebendgeburten sind die LSK insgesamt seltene Erkrankungen. Ergebnisse aus Screening-Untersuchungen deuten jedoch darauf hin, dass die Inzidenz unter Lebendgeburten unterschätzt wird. Die häufigsten LSK sind die beiden Sphingolipidosen Morbus Gaucher und Morbus Fabry. Die Gemeinsamkeiten der LSK bezüglich ihrer Symptomatik sind die systemischen Manifestationen und die häufige zerebrale Beteiligung. Die Ausprägung der Symptome ist innerhalb der Erkrankungen sehr unterschiedlich. Die pathophysiologischen Prozesse sind vielfältig und nicht durch blosse Überladung und konsekutiven Untergang der Zelle bedingt. Therapeutisch sind verschiedene Angriffspunkte vorhanden: die Substitution der Enzyme mittels Enzymersatztherapie, die Gentherapie oder hämatopoetischen Stammzelltransplantation, die Stabilisierung der defekten Enzyme durch pharmakologische Chaperone sowie die Verringerung der Substrate durch Substratreduktionstherapie.

Author(s):  
Ioannis Dimopoulos ◽  
Gabriele Meyer ◽  
Saleem Ibrahim Elhabash ◽  
Michele Sorleto ◽  
Carsten Gartung ◽  
...  

Zusammenfassung Hintergrund Im Jahr 1976 gründete sich die Selbsthilfeorganisation „Arbeitskreis der Pankreatektomierten e. V.“ (AdP). Sie ist mit über 1000 Mitgliedern die mit Abstand größte Gruppe von Betroffenen mit Pankreaserkrankungen in Deutschland. AdP-Mitgliedern kommt aufgrund ihrer Betroffenenkompetenz eine bedeutende Unterstützungsfunktion für Ratsuchende zu. Die vorliegende, von Patienten veranlasste Querschnitts- und Versorgungsforschungsstudie hat das Ziel, Ergebnisse nach Pankreasoperationen aus Patientensicht zu erheben. Methode Allen Mitgliedern des AdP wird seit dem 03.03.2018 ein Fragebogen zu 11 Themenkomplexen zugestellt. Die Daten werden in eine pseudonymisierte Datenbank aufgenommen. Ergebnisse 625 pankreasoperierte Patienten nahmen an der Studie teil (Rücklaufquote 55,4 %). 57,5 % erhielten Pankreaskopfresektionen, 15,5 % Pankreaslinksresektionen, 23,2 % Pankreatektomien und 4,0 % einen sonstigen oder nicht spezifizierten Eingriff. Bei 37,9 % wurde ein Pankreaskarzinom diagnostiziert, bei 38,2 % ein sonstiger Pankreastumor, bei 25 % eine Pankreatitis, bei 4 % eine Autoimmunpankreatitis und bei 2,7 % andere seltene Erkrankungen. Ein Teil der Patienten hatte mehr als eine Pankreaserkrankung.Unter den 237 operierten Pankreaskarzinompatienten lebten 82 Patienten länger als 5 Jahre und davon 41 Patienten länger als 10 Jahre. 24,5 % der Karzinompatienten hatten Zweitkarzinome und 13,9 % nahe Verwandte mit einem Pankreaskarzinom.Nach Pankreasoperationen war der Gewichtsverlust eingriffsabhängig beträchtlich, am größten perioperativ nach Pankreatektomie (17,8 ± 9,5 kg). Die Diabetesprävalenz betrug 54,1 %, die Inzidenz perioperativer Diabetesneuerkrankungen 33,3 %. 91,5 % benötigten postoperativ eine Lipasesubstitution im Mittel von 189 417 IE/Tag. Die Lebensqualität (körperlich/seelisch/sozial) zeigte sich von der Operationsart unabhängig. Schlussfolgerung Patienten nach komplexen Pankreasresektionen sind zeitlebens mit Einschränkungen im täglichen Leben konfrontiert. Selbsthilfeorganisationen wie der AdP können einen wichtigen, jedoch bislang wenig genutzten Beitrag zur Erforschung dieser Erkrankungen leisten, und zwar einerseits durch den Perspektivwechsel, andererseits durch Generierung großer Patientenkollektive, z. B. die sehr große Gruppe der Langzeitüberlebenden.


Praxis ◽  
2020 ◽  
Vol 109 (2) ◽  
pp. 87-95
Author(s):  
Mathias Fortunati ◽  
Frédéric Rossi-Mossuti ◽  
Carl Muroi

Zusammenfassung. Rückenschmerzen sind eine der verbreitetsten Volkskrankheiten. Rund 84 % aller Menschen leiden zumindest einmal in ihrem Leben daran. Unspezifische Rückenschmerzen werden konservativ behandelt. Unterstützend können interventionelle schmerztherapeutische Verfahren, i.e. Infiltrationen, angewendet werden. Operationen bei rein lumbalen Schmerzen sollten nur in Ausnahmefällen erfolgen. Häufig zeigen sich aber auch zusätzliche neurologische Symptome, wie z.B. ein Ausstrahlen, i.e. Ischialgie. Typische Ursachen sind Diskushernien oder die – aufgrund der erhöhten Lebenserwartung immer häufiger auftretende – Spinalkanalstenose. Operationen bei Versagen der konservativen Therapiemassnahmen zeigen hier eine bessere Prognose. Bei schweren neurologischen Symptomen ist eine operative Behandlung angezeigt. Osteoporotische Wirbelkörperfrakturen führen zu akuten Rückenchmerzen. Hier muss anhand klarer Richtlinien entschieden werden, ob eine operative Behandlung im Sinne einer Vertebro- oder Kyphoplastie erfolgen soll oder nicht.


2006 ◽  
Vol 154 (4) ◽  
pp. 347-359 ◽  
Author(s):  
H. Michels ◽  
E. Mengel ◽  
H. I. Huppertz ◽  
R. M. Schaefer
Keyword(s):  

Author(s):  
Silke Wiegand-Grefe ◽  
Jonas Denecke ◽  

ZusammenfassungSeltene Erkrankungen (SE) sind eine sehr heterogene Gruppe komplexer Krankheitsbilder, verlaufen meist chronisch, können die Lebenserwartung einschränken und manifestieren sich oft bereits im Kindesalter. Das Krankheitsmanagement erfordert meist einen hohen Grad an Unterstützung und Pflege durch Eltern und Geschwister und stellt hohe Anforderungen an die Familie. Die Betroffenen, ihre Geschwister und Eltern sind häufig körperlich und psychisch hochbelastet. Dennoch muss die Familie „funktionieren“ und die Pflege des erkrankten Kindes organisieren. Selbst bei großen Belastungen und psychischen Symptomen suchen viele Eltern keine herkömmliche psychosoziale Versorgung für sich oder ihr Kind auf, weil dies zusätzliche Ressourcen erfordern würde. „Children affected by rare diseases and their families–network“ (CARE-FAM-NET) bündelt renommierte, auf Kinder mit SE spezialisierte Partner und Zentren: vonseiten der Kinderkliniken, psychosozialen Medizin, Selbsthilfe, Gesundheitsökonomie, Biometrie und Qualitätssicherung, Jugendhilfe und Bundespolitik. Zentrale Ziele bestehen in Implementierung, Begleitevaluation und Transfer der neuen „Face-to-face“- (CARE-FAM) und Online-Intervention (WEP-CARE [Webbasiertes Elterprogramm-CARE]) für Kinder mit SE und ihre Familien an bundesweit 17 Standorten. Im Zentrum des Versorgungsmodells von CARE-FAM-NET steht eine psychosoziale Intervention, die individuell und passgenau auf die jeweilige Familie zugeschnitten ist und den genannten Anforderungen gerecht wird: sektorenübergreifend, bedarfs-, familienorientiert, interdisziplinär und fachübergreifend. Die Bedingungen für den Transfer der neuen Versorgungsformen in die Regelversorgung werden in CARE-FAM-NET geschaffen, geprüft und diese sollen nach positiver Evaluation in der Regelversorgung umgesetzt werden.


2005 ◽  
Vol 62 (4) ◽  
pp. 230-237 ◽  
Author(s):  
Renteria

Epidemiologische Studien zeigen eine Prävalenz von Missbrauchserfahrungen bei Mädchen zwischen 14 und 33%. Indizien für einen Missbrauch sind zwar im Einzelnen unspezifisch, bei gleichzeitigem Auftreten jedoch bedeutungsvoll: Somatische Indizien sind sexuell übertragbare Erkrankungen, Schwangerschaft, unerklärbare Blutungen, rezidivierende genitale Beschwerden. Psychosoziale nichtsexuelle Indikatoren sind neu aufgetretene Verhaltensschwierigkeiten, Ausreissen, Esstörungen etc; Psychosexuelle Indikatoren sind eine Hypersexualisation der Sprache und des Verhalten, ein gestörtes Körpergefühl und gestörte Geschlechstidentität. Als indirekt beweisende Befunde gelten neben alten Genital oder/und Analläsionen Einrisse des Hymens bis auf den Insertionssaum, die sich an tpyischer Stellle im hinteren Bereich der Kommissur finden. Die Abklärung und Betreuung von Kindern, bei denen Verdachtsmomente, aber keine sicheren Indizien bestehen, setzt eine hohe Kompetenz und eine multdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Kindergynäkologen, Kinderpsychiatern, Kinderschutzgruppen und eventuell weiteren beteiligten Fachleuten voraus, um einerseits nicht ungerechtfertigt Familienstrukturen schwer zu belasten und damit den Kindern zu schaden, um andererseits aber auch sicherzustellen, dass die Opfer eine umfassende akute und langfristige medizinische und psychosoziale Betreuung erfahren.


2009 ◽  
Vol 66 (4) ◽  
pp. 231-240
Author(s):  
Heidi Abbuehl ◽  
Michael J. Zellweger ◽  
Andreas Hoffmann

Die Koronare Herzkrankheit kann sich akut oder chronisch-rezidivierend mit meist belastungsabhängigen pektanginösen Beschwerden oder Atemnot manifestieren. Die Unterscheidung zwischen stabiler und instabiler Verlaufsform ist prognostisch wichtig, instabile Patienten müssen wie ein akutes Koronarsyndrom stationär abgeklärt werden, bei stabiler Symptomatik kann die weitere Diagnostik mehrheitlich ambulant erfolgen. Differentialdiagnostisch kommen eine Vielzahl anderer kardialer und extrakardialer Ursachen für Thoraxbeschwerden in Frage. Wichtigste initiale diagnostische Schritte sind eine kardiovaskuläre Risikostratifizierung sowie der Nachweis einer Ischämie (bzw. Narbe, Nekrose) in Ruhe oder meist unter Belastung, allenfalls ergänzt durch eine bildgebende Methode. Die Beurteilung der Leistungsfähigkeit erfolgt anhand physiologischer Parameter (Watt, VO2max. bzw. MET, Distanz) mittels Ergometrie, Spiroergometrie oder 6-Minuten-Gehtest (z.B. bei Herzinsuffizienz). Für die Beurteilung der Arbeitsfähigkeit sind zusätzliche Faktoren ausschlaggebend.


2000 ◽  
Vol 57 (2) ◽  
pp. 59-61
Author(s):  
Schöpf

Eingangs wird die Wichtigkeit betont, Depressionen in der klinischen Praxis festzustellen. Der Autor weist auf die moderne Diagnostik mit operationalisierten Kriterien hin und zeigt Schwierigkeiten auf, die sich bei der Diagnosestellung ergeben können. Besonders atypische Symptome und komorbide psychische Störungen können dazu führen, daß das depressive Syndrom übersehen wird. Gelegentlich bleibt es unsicher, ob eine Depression vorliegt oder nicht. In solchen Fällen soll man im allgemeinen eine Depressionsbehandlung versuchen.


2012 ◽  
Vol 69 (3) ◽  
pp. 173-181 ◽  
Author(s):  
René Rizzoli
Keyword(s):  

Das primäre Ziel der Behandlung der postmenopausalen Osteoporose ist die Reduktion des Frakturrisikos. Bisphosphonate sind eine seit langem etablierte Therapie der ersten Wahl der Osteoporose, und einige dieser Moleküle haben den eindeutigen Beweis einer signifikanten Reduktion des Osteoporose-bedingten Frakturrisikos erbracht. Alendronat, Risedronat, Ibandronat und Zoledronat gewährleisten allesamt einen Schutz gegen Frakturen bei Patientinnen mit postmenopausaler Osteoporose. Diese vier Wirkstoffe haben alle bewiesen wirksam gegen vertebrale Frakturen zu schützen, wobei nur Zoledronat und Risedronat den Nachweis einer signifikanten Reduktion des Risikos für nicht-vertebrale Frakturen in Endpunktstudien erbracht haben. Zudem reduzieren Alendronat, Risedronat und Zoledronat erwiesenermaßen das Hüftfrakturrisiko. Ibandronat und Zoledronat haben die nachhaltigere Wirkung gegen Frakturen. Bisphosphonate wurde mit einer Reihe von Nebenwirkungen assoziiert, mit einem gut dokumentierten Einhergehen von gastrointestinalen Nebenwirkungen mit der oralen Einnahme und von Akute-Phase-Reaktionen mit der intravenösen Verabreichung.


2005 ◽  
Vol 36 (4) ◽  
pp. 215-225 ◽  
Author(s):  
Birte Englich
Keyword(s):  

Zusammenfassung: Ausgehend von bisherigen Befunden zu Ankereffekten in der richterlichen Urteilsbildung sowie dem Modell selektiver Zugänglichkeit untersucht die vorliegende Studie, inwieweit auch parteiische Zwischenrufe im Gerichtssaal einen Einfluss auf strafrechtliche Entscheidungen haben können. In einem 2 × 2-faktoriellen Experiment lasen 177 RechtsreferendarInnen vollständige und realistische Materialien zu einem Vergewaltigungsfall, bei dem ein offensichtlich parteiischer Zwischenrufer aus dem Zuschauerraum eine niedrige oder hohe Strafe forderte. Je nach Versuchsbedingung wurden die UntersuchungsteilnehmerInnen gebeten oder nicht, sich kurz mit dieser Zwischenruferforderung zu beschäftigen. Zentrale abhängige Variable war die richterliche Strafzumessung in Monaten. Die Ergebnisse belegen einen deutlichen Ankereffekt der parteiischen Zwischenruferforderung auf die richterliche Entscheidungsfindung. Notwendige Voraussetzung für diesen Einfluss war hierbei eine Beschäftigung mit der irrelevanten Zahlenvorgabe. Dieses Ergebnis wird anhand des Modells selektiver Zugänglichkeit interpretiert. Chancen und Grenzen der Korrektur solcher Ankereffekte irrelevanter Forderungen im Gerichtssaal werden beleuchtet.


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