scholarly journals Gender und der überfrachtete kolumbianische Frieden

Author(s):  
Anika Oettler

ZusammenfassungDas 2016 unterzeichnete Friedensabkommen zwischen der kolumbianischen Regierung und der FARC-EP hat sowohl in prozeduraler als auch in substantieller Hinsicht neue Maßstäbe für inklusive Friedensprozesse gesetzt. Der Beitrag konzentriert sich auf die kontroverse Einbeziehung einer Vielfalt von genderbezogenen Maßnahmen in den Vertragstext, die das Ergebnis von transnationalen Normentwicklungen und lokalen Kämpfen ist. Im Mittelpunkt des Beitrages steht der Vertragstext selbst. Es wird zunächst aufgezeigt, wie sich die Debatte um eine angeblich vorhandene Gender-Ideologie nach dem Scheitern der Volksabstimmung auf die revidierte Fassung des Abkommens ausgewirkt hat: der Begriff wurde vermieden und ein traditionelles Geschlechterverständnis gestärkt, ohne dabei jedoch die Vielzahl von Einzelmaßnahmen zu reduzieren. Die hier vorgeschlagene qualitative Systematik der genderbezogenen Einzelmaßnahmen zeigt auf, dass es sich überwiegend um Maßnahmen zur Bearbeitung von Konfliktursachen mit einem geringen Konkretisierungsgrad handelt. Dies geht mit einer bisher geringen Implementierung in diesen Feldern einher. Der Beitrag zeigt, wie mit einer prioritätslosen Fülle von genderbezogenen Einzelmaßnahmen leicht ein Umschlagpunkt erreicht wird, an dem sich das eigentliche Anliegen feministischer Bewegungen – die strukturellen Konfliktursachen anzugehen – verliert.

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