Der Wohlfahrtsstaat als politisches und als theoretisches Problem
Zusammenfassung Die verbreitete Wahrnehmung einer Krise des Wohlfahrtsstaates hat mit fehlgehenden gesellschaftstheoretischen Prämissen in Form einer gesellschaftlichen Suprematie der Politik wie dem dominanten Einfluss der Wirtschaft auf die gesamtgesellschaftliche Entwicklung zu tun. Eine adäquate gesellschaftstheoretische Beschreibung legt dagegen ein anderes Verständnis nahe. Danach hat sich zunächst der Verfassungsstaat als eine Stabilisierung des politischen Systems über das Prinzip der Eliminierung von Abweichungen von gegebenen Erwartungslagen herausgebildet. Der Wohlfahrtsstaat dagegen basiert auf dem Prinzip eines positiven Feedbacks. Die Theorie selbstreferentieller Systeme gibt hier erste Hinweise, dass die Probleme des Wohlfahrtsstaates auf die interne Differenzierung des politischen Systems, die Selbstüberforderung der Implementationsinstrumente Geld und Recht sowie die mit der Struktur der Gesellschaft verbundenen Komplexitätsprobleme in den entsprechenden Entscheidungsprozessen zurückgeführt werden können. Damit wird die Frage der Selbstbeobachtungsfähigkeit der Gesellschaft und speziell des politischen Systems zentral. Die Theorie des Verfassungsstaats hatte den gesellschaftsstrukturell bedingten Verzicht auf politische Wirkungsmöglichkeiten als Freiheit beschrieben; inwiefern unter denselben Bedingungen eine Theorie des Wohlfahrtsstaates entwickelt und in die Politik zurückgespiegelt werden kann, ist zunächst offen.