ZusammenfassungGedächtnisinhalte werden durch gebahnte synaptische Ausbreitung elektrischer Signale in neuronalen Netzwerken repräsentiert. Die Aufnahme neuer oder die Änderung alter Gedächtnisinhalte wird durch plastische Fähigkeiten unseres Gehirns ermöglicht. Molekulare synaptische Plastizitätsprozesse in neuronalen Netzen werden deswegen als zelluläres Korrelat für Lern- und Gedächtnisprozesse angesehen. Dem Wachstumsfaktor Brain-derived neurotrophic factor (BDNF) wird hier eine bedeutende Rolle zugewiesen. Neben seiner Aufgabe bei neuronalen Plastizitätsprozessen wie z.B. der Langzeitpotenzierung synaptischer Verbindungen koordiniert er eine Vielzahl von zellulären Funktionen, wie die Differenzierung neuronaler Vorläuferzellen, die Synaptogenese und das Überleben von Neuronen. Zur Entfaltung seiner neuroprotektiven und plastizitätsfördernden Wirkung im jeweiligen Zielgebiet sind anterograde und retrograde Transportprozesse sowie die Exo- und Endocytose der BDNF-beinhaltenden Vesikel notwendig. Eine Störung dieser Prozesse kann zu einer Unter- oder Fehlversorgung neuronaler Strukturen mit BDNF führen, mit der Konsequenz, dass zelluläre Plastizitätsprozesse nicht mehr fehlerfrei ablaufen können und Gedächtnisspuren schlechter oder fehlerbehaftet abgelegt werden. Da Kognition und psychische Gesundheit auf eine intakte Abspeicherung und Veränderung von Gedächtnisinhalten angewiesen sind, wird angenommen, dass ein veränderter BDNF-Stoffwechsel (in der Regel ein Mangel) an einer Reihe von neurodegenerativen und psychischen Erkrankungen mit beteiligt sein könnte. Der vorliegende Artikel stellt eine Übersicht des derzeitigen Kenntnisstandes über die Verbindung zwischen der zellulären Verarbeitung von BDNF, der Funktion des Proteins bei Plastizitätsprozessen und verschiedenen Erkrankungen des Gehirns dar.