Mitteilungen der Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte
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Published By Logos Verlag Berlin

0178-7896

Author(s):  
Dominik Göldner

Da fast 150 Jahre nach Bergungen frühmittelalterlicher Gräber in der rheinhessischen Gemeinde Alsheim noch immer sehr wenig über den Fundplatz bekannt war, widmete sich diese zweite Abschlussarbeit zu den Alsheimer-Gräberfeldfunden vor allem dem Versuch, anhand des recht begrenzten Quellenmaterials so viele Daten wie möglich zu generieren, mit dem Ziel, Erkenntnisse über die Bestattungssitten und die Gräbergemeinschaft zu gewinnen. Im Vordergrund standen dabei anthropologische und taphonomische Untersuchungen der 15 menschlichen Schädel (RV 3128 – 3142 bzw. Alsheim I – XV) und elf Unterkiefer, die 1877 bei Weingutsarbeiten am Ortsrand Alsheims gefunden wurden und sich seitdem im Besitz der Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte (BGAEU) in der Rudolf-Virchow-Sammlung (RVS) befinden. Wie bereits im Bericht zur Provenienzgeschichte der Alsheimer Gräberfeldfunde von 1877 dargelegt wurde, war schon zu Beginn der Untersuchungen absehbar, dass, aufgrund des geringen Quellenmaterials, nur ein interdisziplinärer Ansatz, unter Einbeziehung archäologischer, anthropologischer und taphonomischer Betrachtungen, zu aussagekräftigen Resultaten führen würde. So sind den kurzen zeitgenössischen Fundberichten Virchows, Mehlis und Wörners von 1877, nur relativ wenige präzise Aussagen zu den Befundkontexten zu entnehmen. Anzumerken ist hierbei, dass keiner der drei Autoren oder andere Gelehrte beim Auffinden der Gräber persönlich vor Ort waren und ihre Informationen demnach nicht aus erster Hand stammen. Sie stellen dennoch die Basis für den Vergleich mit den taphonomischen Beobachtungen an den Knochen dar, welche in der Arbeit hauptsächlich thematisiert werden, um eventuell durch diese Rückschlüsse auf die Grabkontexte ziehen zu können. Informationen zu den Grabkontexten, der Lokalisierung und Datierung des Alsheimer Gräberfeldes von 1877, welche auch für die Befundrekonstruktion der Gräber anhand der Schädel eine wichtige Rolle spielen, wurden in diesem Band bereits durch Hämmerling erwähnt und werden hier nur dann erneut aufgegriffen, sofern eine Notwendigkeit dazu besteht. Durch das Bestimmen des Sterbealters und Geschlechts der Individuen, wurde zudem ein anthropologisches Grundprofil erstellt, mit dem Ziel, demografische Trends zu dokumentieren. Im Folgenden werden die wichtigsten Untersuchungsergebnisse des zweiten Bachelorprojektes zu den Berliner Alsheim-Beständen an der Freien Universität Berlin zusammenfassend vorgestellt und diskutiert.


Author(s):  
Hermann Mückler

Nur etwas mehr als ein halbes Jahr nach der Gründung der Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte (BGAEU) kam es 1870 in Österreich zur Gründung der Anthropologischen Gesellschaft in Wien (AGW). Diese konnte 2020 ihr 150-jähriges Bestandsjubiläum feiern. Der Beitrag nimmt auf die Entstehungsgeschichte der Gesellschaft Bezug sowie die zum Teil sehr engen Verbindungen zwischen der Berliner und der Wiener Gesellschaft. Neben einer reflektierenden Darstellung jener wissenschaftsgeschichtlichen Beiträge – insbesondere jüngere Werke – die sich mit der Entwicklung der AGW beschäftigen, wird auf die nur teilweise aufgearbeiteten Verstrickungen der AGW in der NS-Zeit eingegangen. Des Weiteren werden die Aufgaben der AGW in der Gegenwart skizziert und potentielle Herausforderungen der Zukunft für diese Wissenschaftsgesellschaft angesprochen.


Author(s):  
Andreas Schlothauer

Die gemeinsame Reise eines Franzosen und eines Deutschen hatte in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts eine wesentliche Folge: Das öffentliche Interesse und die Forschung deutscher Naturwissenschaftler richtete sich verstärkt auf das südamerikanische Tiefland. Dadurch gelangten nicht nur naturwissenschaftliche Sammlungen nach Berlin, sondern auch Ethnografika aus Brasilien, Kolumbien, Venezuela und den Guayanas in die Königliche Kunstkammer, die heute zu den ältesten und bedeutendsten Beständen des Ethnologischen Museums zählen. Im Jahr 1856 waren es etwa 370 Inventarnummern. Davon sind 94 Federschmuck (ca. 25 %), der sieben Sammlungen zugeordnet ist: »Schomburgk« (35), »Hoffmannsegg/Sieber« (33), »Dr. Casper« bzw. »Kasper« (14), »Nagler« (3), »Olfers/Sello« (1), »Moritz« (1),»Schnell [?]« (1) sowie »Unbekannt/Unklar« (7). Auch wenn die umfangreicheren, besser dokumentierten und in Teilen wissenschaftlich bearbeiteten BrasilienSammlungen der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in München (Martius, Spix), in Wien (Natterer, Pohl) oder in St. Petersburg (Langsdorf) berühmter sein mögen als die Berliner Sammlung, so enthält diese doch einige interessante Stücke, deren Seltenheit bisher nicht erkannt und gewürdigt ist. Die systematische Untersuchung der Objekte zeigt, dass bis heute knapp 40% der Herkunfts- und Objektangaben bzw. Sammlerzuordnungen unscharf oder falsch sind. Die Ursache von Verwechslungen zwischen den Sammlungen »Hoffmannsegg/Sieber« und »Olfers/Sello« liegt in der mangelhaften Eingangsdokumentation der 1810er- und 1820erJahre. Der Vortrag präsentiert Vorschläge zur regionalen Neubestimmung, analysiert das Material und benennt Vergleichsstücke in anderen Museen: • Von welchen Ethnien bzw. aus welchen Regionen sind die Objekte? • Wer waren die Sammler und wann wurden die Stücke gesammelt? • Aus welchem Material bestehen sie und wie wurden sie verwendet? • Wie selten sind diese Stücke im Vergleich mit dem Gesamtbestand in anderen Museen?


Author(s):  
Peter Bolz

Adolf Bastian wird heute nur noch als Figur aus der Gründerzeit der Ethnologie wahrgenommen, dessen Theorien über Völker- und Elementargedanken lange überholt sind. Dabei werden die großen Verdienste übersehen, die er als Vorsitzender, Organisator und Gründer von wichtigen Berliner Institutionen wie der Gesellschaft für Erdkunde, der Anthropologischen Gesellschaft oder dem Museum für Völkerkunde erlangt hat. Neben Bastians umfangreichem publizierten Werk gibt es in den Archiven des Ethnologischen Museums, der BGAEU und anderen Institutionen eine große Anzahl von Dokumenten zu seiner Sammeltätigkeit, zur Gründung des Museums und zu seinem weltweiten Netzwerk, die bisher noch nie systematisch erforscht und veröffentlicht wurden. Außerdem hat Bastian etwa 6.000 Objekte für das Museum gesammelt, die einer umfassenden Bearbeitung harren. Daher plädiert dieser Artikel dafür, in dem geplanten Forschungscampus Dahlem eine Bastian-Forschungsstelle einzurichten, die sein unveröffentlichtes Material für die weitere Forschung zugänglich macht und ihm als Gründer des Museums die gebührende Anerkennung verleiht.


Author(s):  
Barbara Teẞmann

Als virtuelle Exkursion wurde eine Reise zusammen mit Rudolf Virchow in Richtung Balkan unternommen. Als erstes Reiseziel wurde die mittelbronzezeitliche, befestigte Höhensiedlung von Monkodonja und das zeitgleiche Grabhügelfeld von Mušego besucht. Die beiden Fundorte liegen ca. 5 km südlich von Rovinj auf der istrischen Halbinsel. Das Steinkistengrab B mit den sterblichen Überresten einer jungen Frau, die vermutlich mumifiziert worden ist, wird näher vorgestellt. Die Reise wird in Richtung Sarajevo fortgesetzt. Am Fluss Una bei Bihać machen wir einen Zwischenstopp am Gräberfeld von Jezerine, dass zur japodischen Kultur gehört. Im 1. vorchristlichen Jahrtausend siedelten die Japoden im östlichen Kroatien und westlichen Bosnien-Herzegovina auf der Lika-Hochebene. Das für die japodische Kultur typische Fundmaterial ist ausschließlich auf den japodischen Raum beschränkt. Es wird der Frage nachgegangen, wie die Japoden so großen Reichtum anhäufen konnten. Ein weiterer Aspekt sind die in der älteren Phase schwer fassbaren Männergräber, die offenbar als Brandbestattungen vorliegen.


Author(s):  
Annette Lewerentz

Das Archiv der BGAEU bildet einen reichen Fundus an wissenschaftsgeschichtlichen, wissenschaftspolitischen und historischen Informationen zu den Schaffensphasen der Gesellschaft von ihrer Gründung am 17.11.1869 bis heute. Ziel der BGAEU war und ist die Erforschung der Kulturgeschichte und biologischen Entwicklung des Menschen von der Vorgeschichte bis zur Gegenwart in unterschiedlichen geografischen Regionen der Erde, auch unter einem ganzheitlichen interdisziplinären Fokus. Dieser Beitrag widmet sich den wissenschaftlich bedeutenden Phasen der BGAEU von der Gründung bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges. „Getragen“ wurde die BGAEU von einem breitgefächerten Netzwerk aus Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, Mäzenen und interessierten Laien, auch mit Verbindungen zu politisch und wirtschaftlich einflussreichen Akteuren. Im Beitrag werden die Positionierung der BGAEU in der Berliner Wissenschaftslandschaft, ihre Beteiligung und ihr Engagement bei der Gründung von verschiedenen Museen – prominentes Beispiel ist die Gründung des Berliner Völkerkundemuseums 1873 – die vielfältigen, und nicht nur finanziellen, Unterstützungsformen ihrer Forschung staatlicherseits, die wissenschaftlichen Aktivitäten weltweit, sowie die Bedeutung von Stiftungen für die Forschungsförderung der BGAEU vorgestellt (z.B. durch die Rudolf-Virchow-Stiftung und das Ethnologische Hilfskomitee für Vermehrung der Ethnologischen Sammlungen der Königlichen Museen in Berlin). Ein weiterer Abschnitt des Beitrages untersucht den wissenschaftlichen, oft kontrovers geführten und teilweise biologistisch eingefärbten Diskurs vom Ende des 19. Jahrhunderts bis zum Zweiten Weltkrieg, an dem die Forschenden der BGAEU federführend beteiligt waren. Abschließend wird die administrative und wissenschaftliche Verflechtung und Positionierung der BGAEU in der Zeit des Nationalsozialismus betrachtet – ein wichtiger Zeitabschnitt, der bislang noch ein Desiderat in der Aufarbeitung der Geschichte der BGAEU bildet, hier nur kurz vorgestellt werden kann und einer separaten Bearbeitung bedarf.


Author(s):  
Barbara Teẞmann ◽  
Alexander Stoessel ◽  
Raffaela A. Bianco

In der Rudolf-Virchow-Schädelsammlung ist unter der Inventarnummer RV 544 ein Kinderschädel inventarisiert, der aus Ägypten stammen soll. Informationen über die genauen Fundumstände, den Fundort oder den Sammler sind nicht bekannt. Aufgrund der vermeintlichen Herkunft aus Ägypten wurde der Schädel für ein Kooperationsprojekt mit dem Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte in Jena (MPI Jena-SHH) für eine genetische Untersuchung ausgewählt. Die anthropologische Untersuchung ergab, dass der Schädel von einem etwa sechsjährigen Knaben stammt. Der Schädel wurde künstlich deformiert mit dem besonderen Merkmal, dass die Protuberantia externa direkt nach der Geburt vorsichtig eingedrückt worden ist. Dieser Befund ist im CT-Bild gut erkennbar. Aus Ägypten ist diese Art der Deformation nicht bekannt, sie ist jedoch typisch für Meso- und Südamerika. Die DNA-Untersuchungen haben gezeigt, dass die größten genetischen Gemeinsamkeiten mit südamerikanischen Populationen bestehen.


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