Zeitschrift für Religion Gesellschaft und Politik
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(FIVE YEARS 1)

Published By Springer-Verlag

2510-1226, 2510-1218

Author(s):  
Aletta Diefenbach

ZusammenfassungDie Rolle des Christentums wird im gegenwärtigen Rechtsruck bisher als diffuser Identitätsmarker für das Eigene, als belonging without believing, beschrieben. Referenzen wie die christliche Kultur würden zwar für das Identitäre stehen, damit artikuliere sich aber eher ein säkulares und kulturelles als ein glaubendes Wir. Diagnosen dieser Art wurden bisher vor allem an öffentlichen Programmatiken oder Diskursen festgemacht. Weniger klar ist, wie christliche Wissensbestände auch auf der lebensweltlichen Ebene neuer lokaler Gruppen ihre Relevanz erhalten und zu einer kollektiven Identität der sogenannten Neuen Rechten beitragen. Aufbauend auf dem Konzept der affektiven Grenzziehungen, das den Blick für ebendiese erfahrungsbasierten Prozesse der Sinnstiftung schärft, geht dieser Beitrag den Bedeutungen und Funktionen des Christentums für verschiedene lokal agierende Gruppen (AfD, Pegida, Identitäre Bewegung) nach. Drei exemplarische Fälle verdeutlichen, wie facettenreich und damit auch umstritten das Christentum als verbindende Ressource der Neuen Rechten ist: Zwar zeigt sich ein vereinendes Potenzial in der gemeinsamen Identifikation mit dem Christentum als säkularisierter Kulturleistung. Doch letztlich offenbaren sich in den Positionierungen zum Christentum fundamentale Identitäts- und gesellschaftliche Ordnungsvorstellungen. Die Befunde verweisen damit auch auf die Grenzen einer gemeinsamen Politisierung durch den Ethnopluralismus.


Author(s):  
Magdalena Marsovszky
Keyword(s):  

ZusammenfassungDie völkische Esoterik als Alltagsreligion ist gegenwärtig die prägnanteste Manifestation der antisemitischen Schuldabwehr in Ungarn. Als wahnhaftes Phantasma bekam sie Eingang ins neue Grundgesetz (2012) und bestimmt als staatsrechtliche Grundlage das politische und kulturelle Leben Ungarns. Da sie die Wirklichkeit zu entstellen vermag, wurde sie zur Norm einer destruktiven, negativen Integration, in der Menschengruppen durch gemeinsame Wutprojektionen zueinander finden. Ihr Ziel ist die Herstellung einer vorgestellten, letztendlich, durch die „heilige Krone“ kosmisch gesteuerten völkisch-arischen Harmonie, mit einem Homogenitätsversprechen gleich, das nur durch die Entfernung der als nicht-identisch fantasierten „Lebensunwerten“ erfüllbar zu sein scheint.Im Beitrag werden die strukturellen Elemente der völkischen Esoterik in Ungarn herausgearbeitet und dargelegt, warum diese Ideologie mit der von der Orbán-Regierung beschworenen christlich-demokratischen Politik unvereinbar ist und der Antisemitismus in ihr immanent enthalten ist. Sie propagiert statt christlicher Nächstenliebe „Artenliebe“. Sie verkehrt die christliche Lehre radikal in ihr Gegenteil, weil sie die kulturpessimistische Annahme vertritt, dass die christliche Erlösung versagt hätte, weil die Gegenwart degeneriert und entspiritualisiert sei, deshalb müsse die Welt durch einen spirituellen, charismatischen Führer erneut erlöst werden. Erlösung bedeutet hier nicht die christliche Befreiung von den Sünden nach dem Tode, sondern die Reinkarnation, an der aber nur die „Artgleichen“ teilhaben können. In ihr wird das Christentum von seiner jüdischen Herkunft „gereinigt“, selbst Jesus erscheint „entjudet“ als „parthischer Prinz“ und Arier. Ihr „Universalismus“ ist gegenaufklärerisch-identitär.


Author(s):  
Robert Schäfer ◽  
Nadine Frei

ZusammenfassungDer Beitrag stellt die Ergebnisse der Interpretation qualitativer Interviews mit Corona-Kritiker:innen dar. Gefragt wurde nach den Formen der Gesellschaftskritik, die sich in den Interviews manifestieren. Die Analysen zeigen (1), dass die Kritik auf einem rationalistischen Verständnis von Krisenlösung beruht. Die Tatsache, dass die Corona-Krise aus dieser Sicht nicht rational bearbeitet wird, wird als Indiz dafür gesehen, dass damit grundsätzlich etwas nicht stimmen kann. Auf dieses Problem reagiert die conspirituality der Kritiker:innen, eine Kombination verschwörungstheoretischer und esoterischer Vorstellungen, deren Einheit im Interesse am Geheimnisvollen gründet. Die Analysen erlauben es, (2) den spezifischen Stil der Maßnahmenkritik als formale Pathetik zu bestimmen: Substanziell bleibt sie relativ leer, wird aber umso leidenschaftlicher vorgetragen. Die rhetorischen Mittel sind dafür das Ziehen möglichst drastischer Vergleiche, die Romantik des heroischen Widerstandskampfs sowie der Anspruch, sich für das Wohl der Kinder zu engagieren. Schließlich wird (3) eine gesellschaftstheoretische Einbettung der Maßnahmenkritik angeboten, die mit Eisenstadt davon ausgeht, dass die moderne Gesellschaft von einer Erosion der Grundlagen aller Gewissheit geprägt ist, was zu einem grundsätzlichen Glaubwürdigkeitsproblem führt, das sich im Verlust des Vertrauens in zentrale gesellschaftliche Institutionen (Politik, Wissenschaft, Medizin, Medien) ausdrückt. In geradezu idealtypischer Weise kommt dies in der Maßnahmenkritik zum Ausdruck.


Author(s):  
Carsten Heinze ◽  
Marcus Stiglegger
Keyword(s):  

ZusammenfassungDer Artikel setzt sich mit dem Zusammenhang von Jugend‑/Subkulturen, Religion und Rechtsextremismus auseinander. Es wird die Frage aufgeworfen, inwiefern religiöse Haltungen, spirituelle Bezugsrahmen sowie Rechtsextremismus in verschiedenen historischen Jugend‑/Subkulturen zu finden sind und auf welche Weise beides miteinander bis heute verknüpft wird. Damit geht die Frage einher, wie sich in den betrachteten historischen Szenen des Gothic-Rock, Neofolk oder Black Metal das Inhaltliche mit dem Ästhetischen verbindet und welche Konsequenzen sich daraus für die Einordnung und Interpretation von diesen Szenen ergeben. Berücksichtigt werden dabei die politischen Bezugsfelder, auf die sich die Szenen inhaltlich wie ästhetisch eklektizistisch berufen.


Author(s):  
Joram Tarusarira

AbstractThis article analyses a conflict that erupted in 2021 between the government of Zimbabwe and the people of Chilonga in the south of the country over the expropriation of their ancestral for the production of lucerne grass. The people of Chilonga resisted being displaced from land to which they are deeply attached and have a sacred connection. This conflict provides a rare opportunity to analyze the often marginalized, muted and misunderstood sacred roots of the environmental conflict that shape collective agency. The article uses the concepts of emplacement and disemplacement to comprehend the deeper and more intangible impacts of displacing people from their grazing lands, sources of water and traditional herbs and medicines, and sacred sites—natural resources they claim to be sacred. Thus, while disemplacement has been used to explain why people find themselves moving, the article uses it to show the opposite: why they resist moving and demonstrate the not easily measured losses upon which resistance to moving hinges.


Author(s):  
Silke Steets
Keyword(s):  

ZusammenfassungDer Text untersucht aktuelle religiöse Transformationsprozesse in der texanischen Stadt Waco als räumlich-kommunikative Refiguration. Ausgangspunkt ist der durchschlagende TV-Erfolg der Hausrenovierungsshow Fixer Upper, die in Waco spielt, in bislang fünf Staffeln bis zu 75 Millionen Zuschauer:innen fand und vor Ort einen Tourismusboom auslöste, der zu einem erstaunlichen Imagewandel der Stadt beitrug. Auf der Grundlage ethnographischer Beobachtungen und Interviewdaten sowie einer umfassenden Dokumentenanalyse rekonstruiert der Text schrittweise eine neue popkulturell-touristische Kommunikationsform des Religiösen, die unterschiedliche Formate annehmen kann – von der TV Show bis zur Stadtführung. Geprägt ist diese Kommunikationsform erstens durch ein evangelikales Erneuerungsnarrativ, zweitens durch die rituelle Herstellung und das materielle Wirklichwerden einer sentimentalen Neuordnung von Räumen und drittens durch die Ästhetisierung der evangelikalen Missionierungskommunikation. Sie setzt einen Wandlungsprozess in Gang, bei dem sich Raum und Religion wechselseitig bedingen: Einerseits wird der Raum zum zentralen Medium der religiösen Kommunikation, andererseits fungiert die Religion als identitätsstiftender Bezugspunkt spätmoderner Raumkonstruktionen. Die Analyse macht schließlich deutlich, dass sich im Raum ein Ringen um Aufmerksamkeit und Macht entfaltet, das sich als Resultat einer Spannung zwischen Bahnenraum und Ort und damit als Refiguration von Räumen deuten lässt.


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