In der klinischen Krankheitslehre haben in den vergangenen Jahrzehnten die Syndrome als vorläufiges Ordnungsprinzip eine stark zunehmende Bedeutung gewonnen. Ihre ständig wachsende Zahl ist zugleich Folge und Ausdruck der gewaltigen Veränderungen, die die klinische Medizin in dieser Zeit in allen Bereichen durchgemacht hat. Sie bringen den tatsächlichen Stand unseres Wissens (oder Unwissens) besser (und ehrlicher) zum Ausdruck als der auf weiten Bereichen in voller Auflösung befindliche alte Krankheitsbegriff. Insofern dürfte der zunehmende Gebrauch des Syndrombegriffes auch möglicherweise den Beginn einer wirklich neuzeitlichen Nosologie darstellen, die inmitten eines ungemeinen Wissenszuwachses besonders auf begriffliche und definitorische Klarheit bedacht sein muß. Nach der gegebenen Definition ist ein Syndrom ein symptomatologisch einheitliches Krankheitsbild, dessen Auslösungs- und Gestaltungsfaktoren unbekannt, vieldeutig oder plurikausal sind. In diesem Sinne lassen sich je nach dem Grad des Wissens über diese Faktoren ätiologische, pathogenetische und morphologische, sowie im Sinne der Plurikausalität polyätiologische und polypathogenetische Syndrome unterscheiden. Wie bei den klassischen Krankheiten gibt es auch organische und funktionelle Syndrome. In der ärztlichen Praxis ist das Syndrom als noch deutungs- und voraussetzungsfreier Begriff mehr und mehr unentbehrlich geworden, wenngleich gerade auf dieser Begriffsebene gegenwärtig und in der Zukunft noch ständige Veränderungen eintreten werden, die aber nichts anderes bedeuten als die notwendige, fortwährende Anpassung der Begriffe an den wachsenden Erkenntnisstand.