Editorial: ,,Pädagogiken“ und Felder innerer Sicherheit

2021 ◽  
Vol 2019 (1) ◽  
pp. 9-14
Author(s):  
Agnieszka Czejkowska ◽  
Susanne Spieker
Keyword(s):  

Sicherheitserwartungen und -versprechen sind historisch mit vielfältigen Prämissen, Stoßrichtungen, Artikulationsformen und Durchsetzungsweisen verbunden. Das vorliegende Jahrbuch Innere Sicherheit knüpft an diese Verbindungen an und widmet sich der Frage der Sicherheit, wie sie nicht nur, aber auch in der Erziehungswissenschaft diskutiert wird (vgl. Liesner 2002; Zurawski 2008; Zoche/Kaufmann/Haverkamp 2010; Hempel/Krasmann/Bröckling 2011; Aisch-Angus 2019). Ein interdisziplinär orientierter Zugang rückt für die pädagogische Einordnung der Sicherheitsfrage zwei relevante Entwicklungen in den Blick: erstens die voranschreitende Pädagogisierung jener Bereiche, die als Sicherheitsrisiko definiert werden, zweitens die zunehmende Verlagerung der staatlichen Sicherheitsfrage nach ,,innen“, in das Gesellschaftliche und Private. Die Analyse der Pädagogisierung als eine Technik der Versicherheitlichung (vgl. Buzan/Wæver/de Wilde 1998; Liesner 2004, S. 80) scheint uns vor allem in Hinblick auf ihr obligatorisches Scheitern von besonderem Interesse: Denn ungeachtet sorgfältiger Vorkehrungen und Maßnahmen ist eine Sicherheitskultur (vgl. Daase/Engert/Junk 2013), deren Folgen nicht Ausgrenzungen und Schließungen sind, kaum möglich. Gerade letztere bringen abermals Unsicherheiten mit sich, die weitere Pädagogisierungsmaßnahmen in Gang setzen, ein ,,infiniter Regress“ (Wehrheim 2018, S. 214) nimmt seinen Lauf. Im Hinblick auf die Verlagerung der Sicherheitsfrage nach innen wiederum sind Subjektivierungsprozesse und Diskurse, die im Namen der Sicherheit produktiv werden, ebenso von Relevanz wie Praktiken und Strategien des Umgangs damit.

Author(s):  
Stephan Scheiper ◽  
Volkswagen Stiftung
Keyword(s):  

Author(s):  
Christoph Nitze ◽  
Moritz Ansmann

Angesichts neuer komplexer Bedrohungslagen hat sich mit der Lösungsformel der „vernetzten Sicherheit“ die Überzeugung durchgesetzt, dass neben staatlichen auch private Akteure in die Gewährleistung der inneren Sicherheit eingebunden werden müssen. Ausdruck findet dies in der zunehmenden Verbreitung vertraglicher Auslagerungen von Sicherheitsleistungen. Damit einhergehende Probleme werden jedoch häufig ausgeblendet. Vor diesem Hintergrund untersucht der vorliegende Beitrag empirisch die Frage, vor welchen strukturellen Herausforderungen vertragliche Kooperationen von Sicherheitsbehörden mit privaten Sicherheitsdienstleistern stehen. Mittels qualitativer Fallstudienanalysen werden dabei folgende Kontextspezifika des Aufgabenfeldes „Innere Sicherheit“ explorativ hergeleitet und deren Folgen für die Kooperationspraxis analysiert: (1) Hoher Problemdruck, (2) Funktionale Intransparenz, (3) Geringe Fehlertoleranz, (4) Defizitäre Leistungserfassung und (5) Komplexe Netzwerkstrukturen. Die Studie liefert Anregungen für weitergehende Analysen über Herausforderungen vertraglicher Kooperationen in der inneren Sicherheit sowie praxisrelevante Erkenntnisse über die Hintergründe systemisch bedingter Problemkonstellationen. Gleichzeitig verdeutlicht sie, wie unerlässlich politikfeldspezifische Kontextualisierungen für das Verständnis öffentlich-privater Kooperationen sind.


2021 ◽  
Vol 2019 (1) ◽  
pp. 55-66
Author(s):  
Dominik Feldmann

Zusammenfassung: Der Antiextremismus geht davon aus, dass die Gefahren der Demokratie an den Rändern des politischen Spektrums zu finden sind, und hat damit große Wirkmächtigkeit. Dies betrifft die innere Sicherheit ebenso wie Bildungsdebatten. Allerdings ernten der Antiextremismus in öffentlichen Debatten und die Extremismustheorie in der Wissenschaft immer wieder Kritik: Dient der Extremismusansatz tatsächlich dem Demokratieschutz oder schützt er bestehende Macht- und Herrschaftsverhältnisse, indem er Politikangebote, die von der politischen Mitte abweichen, diskreditiert? Für ein Verständnis des Antiextremismus fragt der Beitrag nach seinen Ursprüngen, Grundannahmen und Defiziten. Außerdem werden seine Einflüsse auf bildungspolitische Entscheidungen und Inhalte politischer Bildung betrachtet. Schließlich wird diskutiert, inwiefern der Antiextremismus sinnvoller Bestandteil von Bildung in einer und für eine Demokratie sein kann.Abstract: The anti-extremism discourse assumes that the dangers posed to democracy are to be found only at the edges of the political spectrum, and has thus become very influential both in relation to domestic security issues and to debates concerning education. However, this dicourse is repeatedly criticized in academia and public debates: Does its approach to “extremism” indeed serve to protect democracy, or does it, rather, protect existing power relationships by discrediting policies that deviate from the political centre? In order to understand the anti-extremism discourse, this article investigates its origins, basic assumptions and deficits. It also examines its influences on educational policy decisions and the content of political education. Finally, it discusses to what extent engagement with this discourse can contribute towards sound political education in a democratic context.


2021 ◽  
Vol 2019 (1) ◽  
pp. 309-325
Author(s):  
Nadja Thoma

Zusammenfassung Im Kontext der zunehmenden Versicherheitlichung von Migration, deren Bedeutung auch für sprachliche Bildung im Kontext nationaler und globaler Sicherheitsagenden diskutiert wird, werden bestimmte Gruppen von Migrant*innen als Sicherheitsbedrohung konstruiert. Die Instrumentalisierung von Sprache für Identitätspolitik, die im Konzept von Sprache als ,Schlüssel zur Integration‘ besonders deutlich wird und unter Rückgriff auf Sprachideologien erklärt werden kann, bleibt nicht ohne Folgen für Angehörige minorisierter Gruppen. Der vorliegende Beitrag geht der Frage nach, was ,innere Sicherheit‘ für Student*innen bedeutet, denen zugeschrieben wird, keine ,native speaker‘ zu sein. Den Bezugspunkt der ,inneren Sicherheit‘ bildet dabei nicht der Nationalstaat, sondern das Subjekt. Aus einer biographieanalytischen Perspektive wird rekonstruiert, mit welchen (Un-)Sicherheitsdimensionen die Subjekte an der Universität und in Hinblick auf ihre beruflichen Pläne konfrontiert sind, wie Sicherheit und Sprache biographisch eingebettet sind und welche Strategien und Wege die Student*innen (nicht) nutzen (können), um ihre Sicherheitsspielräume zu erweitern.Abstract: In light of the increasing securitization of migration, language education is discussed as part of national and global security agendas, and certain groups of migrants have been constructed as a security threat. The instrumentalization of language for identity politics is particularly evident in the concept of language as a ‘key to integration’ and can be explained with language ideologies. These ideologies are not without consequences for members of minoritized groups. The article at hand explores the meaning of ‘internal security’ for university students who are not considered ‘native speakers’. The reference point of ‘internal security’ is not the nation state, but the subject. From a biographical-analytical perspective, the article reconstructs dimensions of security and insecurity which the subjects confront at university with regard to their professional aims. It will explore how the connection between security and language is embedded in their biographies, as well as the strategies and pathways students can and cannot use to expand their security scope.


2021 ◽  
Vol 2019 (1) ◽  
pp. 93-107
Author(s):  
Agnieszka Czejkowska ◽  
Katarina Froebus

Zusammenfassung: Der vorliegende Beitrag widmet sich Narrativen der Verunsicherung, die in Zusammenhang mit der COVID-19-Krise aufgerufen werden und für ,,innere Sicherheit“ sorgen sollen. Dabei identifizieren wir Kalküle, die einerseits individuelle Besonnenheit aktivieren und anderseits gesellschaftliche Stabilisierung gewährleisten sollen. Das gelingt uns mit Rückgriff auf psychoanalytische Subjekttheorien, die Strategien der individuellen Rationalisierung fokussieren, und auf diskursorientierte Subjekttheorien, die gesellschaftliche Disziplinierungstechnologien in den Blick nehmen.Abstract: This article is focused on narratives of uncertainness, being created during the COVID-19 crisis in order to provide ‘home security’. In doing so, we identify approaches that on the one hand activate individual level-headedness and on the other hand are supposed to ensure societal stabilization. We succeed in doing this by resorting to psychoanalytic subject theories that emphasize strategies of individual rationalization and to discourse-oriented subject theories that accent social disciplinary technologies.


2021 ◽  
Author(s):  
Dieter Funke
Keyword(s):  

Der Tod ist das große Ungewisse im Leben des Menschen. Aber auch Zeiten extremer Ungewissheiten erleben Menschen als große Herausforderung. Doch wie lässt sich damit umgehen und sogar gut leben? Dieter Funke zeigt, dass neben persönlichen und familiären Beziehungen auch die Frage nach dem größeren Sinn solcher Krisen einen Weg darstellt, um innere Sicherheit wiederzuerlangen. So begibt sich der Autor auf die Suche nach dem inneren sicheren Raum als Schutz vor dem Ungewissen. Der innere Seelenraum als sicherer Zufluchtsort bei Verlust und Bedrohung entsteht in der kindlichen Entwicklung durch die gelingende Bewältigung grundlegender Ungewissheiten, denen bereits ein Neugeborenes mit Beginn seines Lebens ausgesetzt ist. Entwickelt der Mensch sowohl eine personale als auch spirituelle Sichtweise, wird der innere psychische Raum um einen transpersonalen Raum erweitert und so eine Verbindung zum umgreifenden Ganzen geschaffen. Für den Umgang mit dem Ungewissen ist die Verortung in beiden Räumen eine heilsame Erfahrung. Nur wer Ungewissheit und Trauer zulässt, kann sie bewältigen und eine persönliche Sichtweise auf Vergänglichkeit und Tod als ein »inneres Objekt« entwickeln.


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