Genetik suizidalen Verhaltens

2009 ◽  
Vol 28 (04) ◽  
pp. 211-216
Author(s):  
P. Zill ◽  
M. Rietschel ◽  
W. Maier ◽  
D. Rujescu

ZusammenfassungDas Risiko für suizidales Verhalten wird durch ein komplexes Wechselspiel zwischen soziokulturellen Faktoren, traumatischen Lebenserfahrungen, psychiatrischer Vorgeschichte, Persönlichkeitsfaktoren und genetischer Vulnerabilität determiniert. Letzteres wird durch Familien-, Zwillingsund Adoptionsstudien unterstützt, die darauf hinweisen, dass Suizidhandlungen eine von der Heritabilität psychiatrischer Erkrankungen unabhängige genetische Komponente besitzen. Eine der größten epidemiologischen Untersuchungen konnte in diesem Zusammenhang zeigen, dass sich das Risiko für einen eigenen Suizidversuch um den Faktor 4,2 erhöhte, wenn die leibliche Mutter einen Suizidversuch begangen hatte, sowie um den Faktor 3,3 bei einem Suizidversuch des leiblichen Vaters. Dieser familiären Häufung könnte eine gewisse Vulnerabilität zugrunde liegen, die teilweise auf genetische Risikofaktoren zurück zu führen sein könnte. In diesem Artikel werden Strategien zur Suche nach genetischen Risikofaktoren für suizidales Verhalten auf molekularer Ebene aufgeführt (z. B. Kopplungs-, Assoziations-, Microarrayoder genomweite Assoziationsstudien) sowie die bisherige Datenlage zur Thematik diskutiert. Letztendlich ist zu hoffen, dass die genetische Untersuchung in Zukunft dazu beitragen kann, Patienten mit einem erhöhten Suizidrisiko zu identifizieren, sodass eine adäquate Therapie frühzeitig eingeleitet und die Suizidrate gesenkt werden kann.

Author(s):  
Michael Kaess ◽  
Peter Parzer ◽  
Margarete Mattern ◽  
Franz Resch ◽  
Antonia Bifulco ◽  
...  

Fragestellung: Validierung der deutschen Übersetzung eines Fragebogens und des korrespondierenden Interviews zur Erhebung belastender Kindheitserlebnisse im familiären Rahmen sowie Untersuchung eines Zusammenhangs dieser Erfahrungen mit suizidalen Verhaltensweisen. Methodik: Der Fragebogen wurde anhand einer konsekutiv rekrutierten klinischen Stichprobe von 125 stationären, psychiatrischen Patienten (13–25 Jahre) am Universitätsklinikum Heidelberg getestet. Zusätzlich wurden Testwiederholungen und das korrespondierende Interview durchgeführt. Suizidale Verhaltensweisen wurden mit der Paykel Suizid Skala erhoben. Ergebnisse: Der Fragebogen zeigte eine sehr gute interne Konsistenz und Retest-Reliabilität. Die Interrater-Reliabilität des Interviews war gut. Auch zeigte sich eine signifikante Korrelation der Ergebnisse von Fragebogen und Interview. Suizidale Verhaltensweisen waren signifikant mit allen negativen Kindheitserlebnissen assoziiert, jedoch waren mütterliche Vernachlässigung und Antipathie die besten Prädiktoren für suizidales Verhalten. Schlussfolgerungen: Fragebogen und Interview stellen reliable und valide Instrumente zur Erhebung von belastenden Kindheitserlebnissen dar. Sie erheben ein breites Spektrum an negativen Kindheitserlebnissen inklusive negativer Bindungserfahrungen. Der Zusammenhang dieser negativen Kindheitserlebnisse mit suizidalen Verhaltensweisen zeigt deutlich die Notwendigkeit der Erhebung solcher Erlebnisse in Forschung und Therapie.


Author(s):  
Nina Cooper ◽  
Ulrich Sachs ◽  
Kathrin Heidinger

ZusammenfassungWir berichten über einen 46-jährigen Patienten mit einer seit 20 Jahren bestehenden Diagnose einer chronischen Immunthrombozytopenie. Die Vorstellung des Patienten in unserer Gerinnungsambulanz erfolgte zur Abklärung der Thrombozytopenie und zur Therapieempfehlung vor geplantem Eingriff zur operativen Spermatozoengewinnung bei einer nicht obstruktiven Azoospermie und Kinderwunsch. Kortikosteroide zeigten in der Vergangenheit keinen klinischen Effekt. Klinisch relevante Blutungen waren bisher nicht aufgetreten. Im Alter von 36 Jahren wurde eine Kataraktoperation durchgeführt, ferner bestand ein beginnender Hörverlust im hohen Frequenzbereich. Unsere Untersuchungen ergaben eine Plättchenzahl von 31 × 109/l, ein erhöhtes mittleres Thrombozytenvolumen (MPV 16,8 fl) und keinen Nachweis freier oder gebundener thrombozytärer Autoantikörper. Ein Bernard-Soulier-Syndrom konnte ausgeschlossen werden. Im Blutausstrich zeigten sich Einschlusskörperchen in den neutrophilen Granulozyten. Der Verdacht auf eine MYH9-assoziierte Thrombozytopenie konnte durch eine genetische Untersuchung des MYH9-Gens bestätigt werden (c.5717C>T; p.Thr1906Met [heterozygot]) und eine heterozygote Duplikation des Bereichs des Intron-Exon-Übergangs von Exon 37. Die testikuläre Spermienextraktion konnte erfolgreich mit präoperativer Gabe von Desmopressin i. v. durchgeführt werden. Dieser Fall zeigt, dass Patienten mit einer MYH9-assoziierten Thrombozytopenie als Patienten mit Immunthrombozytopenie fehldiagnostiziert werden können und es dadurch zu falschen Therapieentscheidungen kommen kann. Dabei kann die einfache Beurteilung des mittleren Thrombozytenvolumens und des Blutausstrichs bei der Diagnosefindung sehr hilfreich sein.


2019 ◽  
Vol 8 (05) ◽  
pp. 349-353
Author(s):  
Engi Algharably ◽  
Juliane Bolbrinker ◽  
Reinhold Kreutz

ZusammenfassungDie Entschlüsselung der molekulargenetischen Grundlage der primären Hypertonie ist Gegenstand intensiver Forschung und hat in der jüngsten Vergangenheit einen rasanten Fortschritt erfahren. Hierbei spielen genomweite Assoziationsstudien (GWAS) und deren Metaanalysen eine maßgebliche Rolle. In aktuellen Untersuchungen wurden genomweit insgesamt über 900 unabhängige blutdruckassoziierte Genloci identifiziert. Neben einem besseren Verständnis der Mechanismen, die an der Pathogenese der Hypertonie beteiligt sind, kann basierend auf den Daten in Zukunft feine Risikoabschätzung für die Entwicklung der Hypertonie erfolgen. Weiterhin können die Ergebnisse die Entwicklung neuer Pharmaka und individualisierter Therapiestrategien (Pharmakogenetik) der Hypertonie ermöglichen. Eine Relevanz für das Management der primären Hypertonie in der klinischen Praxis haben diese Ergebnisse derzeit allerdings noch nicht.


2017 ◽  
Vol 36 (04) ◽  
pp. 239-243
Author(s):  
R. Haussmann ◽  
M. Bauer ◽  
J. Conell ◽  
U. Lewitzka

ZusammenfassungSuizidales Verhalten stellt ein häufiges Phänomen bei psychiatrischen Erkrankungen dar. Insbesondere Patienten mit affektiven Störungen haben ein erhöhtes Suizidrisiko. Die leitliniengerechte Versorgung affektiver Störungen ist für Ärzte, Pfleger, Psychologen und andere Berufsgruppen im Gesundheitswesen hochanspruchsvoll und bedarf pharmakotherapeutischer, psychotherapeutischer und pflegerischer Expertise sowie eines hohen Maßes an Empathie. Generell verfügen wir über pharmakologische Behandlungsmöglichkeiten, die effektiv in der Behandlung von psychiatrischen Erkrankungen eingesetzt werden können, mindestens genauso bedeutsam sind auch psychotherapeutische und soziotherapeutische Behandlungsansätze. In den letzten Jahren konnte eine andauernde Debatte über den potenziellen Einfluss antidepressiver Medikation auf Suizidalität verfolgt werden. Hierbei zeigte sich eine mangelnde Evidenz für die suizidprotektive Wirkung von Antidepressiva. Mögliche Gründe dafür liegen in methodischen Schwierigkeiten, dies zu untersuchen. Seit den frühen 1970er-Jahren haben eine große Anzahl von Studien einen suizidprotektiven Effekt von Lithium nachgewiesen. Für die Behandlung von schizophrenen Erkrankungen konnte ein solcher Effekt für Clozapin aufgezeigt werden. Der folgende Artikel gibt einen Überblick über den aktuellen Wissenstand bezüglich psychopharmakologischer Behandlungsmöglichkeiten von suizidalen Patienten.


2007 ◽  
Vol 26 (06) ◽  
pp. 487-491
Author(s):  
W. Machleidt ◽  
M. Ziegenbein ◽  
H. Haltenhof ◽  
I. T. Calliess
Keyword(s):  

ZusammenfassungDie Beurteilung des Funktionsniveaus der Persönlichkeit und der Steuerungsfähigkeit bei Migranten ist für kulturfremde Kliniker eine Herausforderung. Suizidales Verhalten ist im Hinblick auf Form, Bedeutung und Häufigkeit sehr stark von der jeweiligen Kultur beeinflusst, in deren Kontext es steht. Zwischen dem Grad des Kulturwandels beziehungsweise der Migration und der Suizidrate besteht ein (nicht unumstrittener) Zusammenhang. Suizidversuche bei Migranten können einen riskanten Konfliktlösungsversuch in Bezug auf eine transkulturelle Problematik darstellen. Der Migrationsprozess selbst unterliegt einem typischen, phasenhaften Verlauf. In der Phase der kritischen Anpassung können transkulturelle Konflikte besonders ausgeprägt sein. Da in diesem Stadium des Migrationsprozesses die emotionale Vulnerabilität erhöht und die Anfälligkeit für Stressreaktionen ausgeprägt ist, besteht ein erhöhtes Suizidalitätsrisiko. Effektive therapeutische Kriseninterventionen bei Migranten setzen die Kenntnis des Phasenmodells der Migration einschließlich seiner Psychodynamik sowie der kulturellen Haltung zum Suizid voraus. Das Bedürfnis nach interindividueller Bezogenheit bei Migranten muss ebenso berücksichtigt werden wie die Nutzung kulturspezifischer Ressourcen.


2019 ◽  
Vol 11 (05) ◽  
pp. 48-54
Author(s):  
Rudolf Mierau

ZusammenfassungDas Labor leistet auf mehreren Gebieten Beiträge in der Primärdiagnostik entzündlicher Gelenkerkrankungen und begleitet zudem auch deren Management im Verlauf. Entzündungsparameter helfen, zwischen primär entzündlichen und nicht entzündlichen rheumatischen Erkrankungen zu unterscheiden, sind allerdings sowohl bei der rheumatoiden Arthritis (RA) als auch bei den Spondyloarthritiden nicht in jedem Fall erhöht. Autoantikörper sind bedeutende Diagnostik-Bausteine vor allem bei der RA sowie bei den Kollagenosen. Die Synovia-Analyse hilft bei der Beurteilung der Entzündungsaktivität und liefert ätiologische Hinweise z. B. bei Kristallarthropathien. Genetische Risikofaktoren für Gelenkerkrankungen sind in großer Zahl bekannt; diagnostisch verwertet wird von diesen aber nur die Bestimmung des HLA-B27-Merkmals in der Diagnostik der Spondyloarthritiden.


2019 ◽  
Vol 23 (3-4) ◽  
pp. 120-128 ◽  
Author(s):  
Benedikt Till ◽  
Thomas Niederkrotenthaler

ZusammenfassungSuizidales Verhalten wird durch Suiziddarstellungen in den Massenmedien beeinflusst. In zahlreichen Studien konnte gezeigt werden, dass sensationsträchtige Darstellungen von Suizid in den Medien zu Imitationssuiziden führen. Dieses Phänomen ist in der Wissenschaft auch unter dem Begriff „Werther-Effekt“ bekannt. In einer Reihe von Ländern wurden daher von Expert_Innen für Suizidprävention Medienempfehlungen zur Berichterstattung über Suizid entwickelt, um die Qualität der Berichterstattung über Suizid zu verbessern und in weiterer Folge Imitationssuizide zu verhindern. Nicht alle Darstellungen von Suizid in den Medien sind dabei schädlich. In mehreren Studien konnte gezeigt werden, dass Medienberichte, die auf Personen fokussieren, die sich in einer suizidalen Krise befunden haben, aber in der Lage waren, diese Krise zu bewältigen, zu einem Rückgang an Suizidalität bei Rezipient_Innen führen. In Anlehung an Papageno, den Protagonisten in Mozarts Oper Die Zauberflöte, der seine suizidale Krise bewältigt, wird dieser protektive Effekt in der wissenschaftlichen Literatur auch als „Papageno-Effekt“ bezeichnet. In dieser Übersichtsarbeit werden der gegenwärtige Forschungsstand und die rezentesten Studien zum Werther- und Papageno-Effekt diskutiert. Diese Befunde können Aufschluss darüber geben, wie effektive Medienkampagnen zur Suizidprävention gestaltet sein müssen, um eine möglichst protektive Wirkung ohne Risiko eines schädlichen Effekts zu erzielen. Da die psychologischen Mechanismen des Papageno-Effekts nach wie vor nicht vollständig erforscht sind, sind weitere Untersuchungen zur protektiven Wirkung von Medienberichten über Krisenbewältigungen notwendig, insbesondere Studien mit klinischen Populationen oder anderen Risikogruppen.


2012 ◽  
Vol 61 (1) ◽  
pp. 16-31 ◽  
Author(s):  
Gloria Fischer ◽  
Romuald Brunner ◽  
Peter Parzer ◽  
Katja Klug ◽  
Tony Durkee ◽  
...  
Keyword(s):  

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