ZusammenfassungMit der Einführung der ICD-11 (International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems, 11. Auflage) wird die Diagnostik von Persönlichkeitsstörungen grundlegend verändert. Die Notwendigkeit einer Abkehr von der traditionellen typologischen Auffassung und Beschreibung von Persönlichkeitsstörungen wurde aufgrund folgender Problemstellungen gesehen: Das kategoriale Konzept einer Persönlichkeitsstörung nach ICD-10 (International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems, 10. Auflage) begünstige die Stigmatisierung Betroffener, was dazu beitrage, dass die Diagnose in der klinischen Praxis zu selten vergeben werde. Wenn sie gestellt werde, komme es zu einer (zu) hohen Prävalenz der Persönlichkeitsstörung „nicht näher bezeichnet“ bzw. zu hohen Komorbiditäten zwischen verschiedenen Persönlichkeitsstörungen, was Zweifel an der Reliabilität der Persönlichkeitsstörungen begründe. Außerdem sei das in der ICD-10 geforderte Kriterium der Zeitstabilität unter Berücksichtigung von Verlaufsstudien nicht mehr sinnvoll anwendbar. Der Artikel skizziert die Hintergründe für die Überarbeitung der Konzeption von Persönlichkeitsstörungen, um nachfolgend das aktuelle diagnostische Verfahren nach ICD-11 zu illustrieren. Abschließend werden die Implikationen der neuen diagnostischen Vorgaben für die forensisch-psychiatrische Schuldfähigkeitsbegutachtung diskutiert und anhand von Persönlichkeitsprofilen beispielhaft die Auswirkungen der Neukonzeption für die Therapieplanung bzw. -prognose dargestellt und diskutiert.