Zusammenfassung
Einleitung Die Entwicklung und Reifung der Netzhaut ist ein komplexer Prozess, der sich bis in das Kleinkindesalter und darüber hinaus erstrecken kann. Die zentrale Netzhaut frühgeborener Kinder kann durch eine Reifungsstörung betroffen sein, die durch eine abgeflachte, dickere Fovea mit überlagernden Schichten innerer Netzhaut und einem gestörten Verhältnis der äußeren Photorezeptorschicht zu den inneren Netzhautschichten („macular developmental arrest“: MDA) gekennzeichnet ist und zu funktionellen Nachteilen führen kann (Bowl et al. 2016 18). In dieser Studie untersuchten wir ehemalige Extremfrühgeborene mit spontan zurückgebildeter Frühgeborenenretinopathie (ROP) und ohne ROP sowie gleichaltrige Termingeborene elektrophysiologisch und betrachteten die Ergebnisse in Bezug zur Makulareifung.
Methoden Im Rahmen einer umfangreichen prospektiven Kohortenstudie untersuchten wir n = 60 frühgeborene Kinder mit spontan rückgebildeter ROP (srROP, n = 15), ohne ROP (noROP, n = 45) in der Anamnese sowie n = 10 termingeborene altersentsprechende Kinder (Term). Bei jedem Kind wurden zur funktionellen Analyse jeweils ein Ganzfeldelektroretinogramm (ffERG: a- und b-Welle), multifokales ERG (mfERG: P1) nach ISCEV-Standard sowie eine optische Kohärenztomografie (SD-OCT, Spectralis, Heidelberg Engineering, Deutschland) der Fovea zur morphologischen Einordnung durchgeführt.
Ergebnisse Im skotopischen ffERG zeigten Kinder mit srROP und noROP vor allem dann signifikant reduzierte b-Wellen-Antworten, wenn ein MDA im OCT nachweisbar war. Im mfERG war die P1-Komponente des zentralen Hexagons und des 2. konzentrischen Ringes bei Kindern mit MDA signifikant reduziert. Alle anderen Parameter zeigten keinen signifikanten Unterschied zwischen den Gruppen.
Schlussfolgerung Elektrophysiologische Veränderungen finden sich bei ehemaligen extrem frühgeborenen Kindern vor allem bei im SD-OCT nachweisbarer Makulareifungsstörung (MDA), und zwar sowohl bei Kindern ohne akute ROP als auch bei Kindern mit spontan zurückgebildeter ROP: Die reduzierte b-Welle im skotopischen ffERG und die reduzierte P1-Komponente im mfERG deuten auf eine Beteiligung der Bipolarzellen bei MDA hin. Insbesondere die Korrelation von MDA mit Auffälligkeiten im ffERG könnte ein Zeichen dafür sein, dass MDA mit einer globaleren Reifungsstörung der Netzhaut einhergeht und diese bei Extremfrühgeborenen mit und ohne ROP auftreten kann.