scholarly journals Sekundärnutzung klinischer Daten aus der Patientenversorgung für Forschungszwecke – Eine qualitative Interviewstudie zu Nutzen- und Risikopotenzialen aus Sicht von Expertinnen und Experten für den deutschen Forschungskontext

2021 ◽  
pp. 185-210
Author(s):  
Anja Köngeter ◽  
Martin Jungkunz ◽  
Eva C. Winkler ◽  
Christoph Schickhardt ◽  
Katja Mehlis

ZusammenfassungDer Verwendung klinischer Daten zu Forschungszwecken wird großes Potenzial für verschiedene Arten von nicht-interventionellen, datengetriebenen Studien zugeschrieben. In Deutschland stellt eine solche Sekundärnutzung klinischer Daten allerdings bisher die Ausnahme dar. Für die Entwicklung eines entsprechenden nationalen Rahmenkonzeptes gilt es Nutzen und Risiken der Verwendung klinischer Daten zu Forschungszwecken abzuschätzen. Hierzu ist eine fundierte Abwägung von Nutzen und Risiken durch die Expertise und Erfahrungen relevanter nationaler Akteursgruppen erforderlich, um anhand deren Handlungspraxis die oftmals auf Hypothesen beruhende Literatur zu komplementieren. Die sozialempirische Forschung hat die Perspektive dieser Akteure in Deutschland bisher allerdings nicht systematisch beleuchtet. Ziel der vorliegenden empirischen Studie ist es daher, die Wahrnehmungen und Erwartungen der relevanten Akteursgruppen darzustellen und spezifische Bedarfe im Kontext wahrgenommener Nutzen- und Risikopotenziale der Sekundärnutzung aufzuzeigen.Eine qualitative Interviewstudie (leitfadengestützte Experteninterviews; purposive sample; n = 21 aus den Bereichen Forschung, Versorgung, Medizininformatik, Patientenvertretung und Politik) mit anschließender qualitativer Inhaltsanalyse wurden durchgeführt, um das breite Spektrum an Nutzen- und Risikopotenzialen abzubilden sowie entsprechende Bedarfe abzuleiten. Den analytischen Rahmen bilden vier Anwendungsfelder für die Verwendung klinischer Daten: klinische (nicht-interventionelle) Forschung, Public Health Forschung, Versorgung zur Qualitätsverbesserung und explorative Verwendung.Vor dem Hintergrund eines zunehmenden Verschwimmens der Grenzen von Forschung und Versorgung hofften Expert*innen aller Akteursgruppen auf einen mittelbaren Nutzen für Patient*innen durch eine verbesserte Gesundheitsversorgung aufgrund eines gezielteren und schnelleren Rückflusses der Forschungsergebnisse in die Versorgung. Direkt beteiligte bzw. betroffene Akteursgruppen erwarteten unmittelbare Nutzenpotenziale für die eigenen Forschungsgebiete. Vor allem die Möglichkeit die gesamte Patientenpopulation in Studien einzubeziehen weckte die Hoffnung auf eine bessere Versorgung selten untersuchter Studienpopulationen. Generell hielten sich die Expert*innen mit Konkretisierungen und Eintrittswahrscheinlichkeiten möglicher Risiken zurück. Im Mittelpunkt standen weniger interne oder externe Risiken wie Datenverlust oder Datenmissbrauch. Die Expert*innen äußerten vielmehr Bedenken hinsichtlich einer vermutlich nicht ausreichenden Qualität klinischer Daten für Forschungszwecke, die Gefahr von gesellschaftlichen Exklusionsmechanismen durch benachteiligende Effekte datengetriebener Forschung oder eines möglichen Verlusts an informationeller Selbstbestimmung der Patient*innen. Insbesondere dem Anwendungsfeld der explorativen Verwendung wurde perspektivisch sowohl hohes Nutzen- als auch Risikopotenzial zugeschrieben.Die von den Akteursgruppen geäußerten Nutzen- und Risikopotenziale konnten spezifischen Bedarfen und Herausforderungen im Kontext der Sekundärnutzung zugeordnet werden. Die sechs identifizierten Themenkomplexe verweisen auf Desiderate, denen sich zukünftige Forschung mit Blick auf die Ausgestaltung und Regulierung der Sekundärnutzung klinischer Daten widmen sollte. Für eine ethische und rechtliche Bewertung sowie die Ausarbeitung von gesellschaftlich akzeptierten Empfehlungen für Entscheidungsträger aus Politik und Praxis liefern die vorgestellten Analysen grundlegende Hinweise.

2018 ◽  
Vol 26 (3) ◽  
pp. 198-200
Author(s):  
Thomas Gerlinger

Zusammenfassung Das politische Interesse an einer Verbesserung der Bevölkerungsgesundheit ist spürbar gestiegen. Dennoch bestehen erhebliche Mängel fort. Ein wichtiger Grund für die gestiegene Bedeutung von Public Health für die Gesundheitspolitik ist die Erwartung, durch eine verbesserte Gesundheit Produktivitätspotenziale erschließen zu können. Grenzen findet diese Sozialinvestitionsstrategie dort, wo Bevölkerungsgesundheit und mächtige ökonomische Interessen im Widerspruch stehen.


2018 ◽  
Vol 43 (S 01) ◽  
pp. S55-S59
Author(s):  
Anette Buyken

ZusammenfassungBemühungen zur Reduktion des Konsums von zuckergesüßten Getränken und Lebensmitteln fokussieren in Deutschland bislang wesentlich auf eine verbesserte Ernährungsbildung. Aus Sicht der Public Health Nutrition stehen jedoch eine ganze Reihe weiterer Maßnahmen zur Verfügung, die international bereits zur Anwendung kommen.So versetzt eine verbesserte Lebensmittelkennzeichnung von zuckergesüßten Fertigprodukten in Form von interpretativen Visualisierungen (z. B. als Ampel oder Logo) auf der Vorderseite der Verpackung VerbraucherInnen in die Lage, zwischen Alternativen zu entscheiden. Eine Reihe weiterer Maßnahmen setzt bei der Lenkung der Wahl („Nudging“) an: Diese reichen von der Änderung des Standards durch die freiwillige oder verbindliche Reformulierung von Produkten über die gezielte Einschränkung des von der Industrie bzw. dem Einzelhandel praktizierten Nudgings (Werbung, Marketing, Produktplatzierung etc.) bis hin zur Einführung einer Steuer bzw. Abgabe auf zuckergesüßte Getränke oder adipogene Lebensmittel. Als direkt wahleinschränkende Maßnahme wird schließlich noch der gezielte Verzicht auf zuckergesüßte Getränke in spezifischen Settings, z. B. in Kindertagesstätten (Kitas) und Schulen diskutiert, wie dies auch in den Standards der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) gefordert wird.Derzeit finden Public-Health-Maßnahmen zur Reduktion des Konsums von zuckergesüßten Lebensmitteln oder Getränken in Deutschland keine Anwendung. Der Koalitionsvertrag fasst nun erstmalig eine Reihe von Maßnahmen konkret ins Auge (verbesserte Lebensmittelkennzeichnung, Reformulierungsstrategie, flächendeckende Einführung der DGE-Standards), deren Umsetzung einer kritischen Unterstützung durch die Gesellschaft bedarf.


1997 ◽  
Vol 6 (1) ◽  
pp. 11-16
Author(s):  
Terrey Oliver Penn ◽  
Susan E. Abbott

2001 ◽  
Vol 9 (6) ◽  
pp. 507-509 ◽  
Author(s):  
Rob Baggott ◽  
David J Hunter

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