Ein kurzes Essay über die Spiritualität von Placebo aus (evolutionär) psychiatrischer Sicht
ZusammenfassungAnders als Spiritualität ist der Placebo-Effekt bestens operationalisiert. Vor diesem Hintergrund wird versucht, eine phänomenologische Verwandtschaft zwischen der therapeutischen Wirksamkeit von Spiritualität und Placebo zu finden. Ähnliche Kontexteinflüsse sowie die mögliche gemeinsame Nutzung einer phylogenetisch gut konservierten protektiven Route über das mesolimbisch dopaminerge Belohnungssystem werden herausgestellt. Die klinische Wirksamkeit beider Phänomene scheint ubiquitär zu sein, wobei die Effektivität des Placebo-Effektes wissenschaftlich viel valider abgesichert ist als dieses bezüglich eines „Spiritualität-Effektes“ aktuell methodologisch möglich wäre. Die Vorhersagbarkeit für beide Effekte ist unsicher und beide sind Janus-köpfig (z. B. Placebo vs. Nocebo-Effekt). Aktuell wird sowohl für Placebo als auch für spiritualitäts-orientierte Verfahren versucht, deren klinische Wirksamkeit durch Modulation der therapeutischen Rahmenbedingungen und Gesprächsinhalte zu maximieren. Die Diskussion endet mit der reflexiven Frage, ob der Placebo-Effekt im Wesentlichen Züge von „Spiritualität-light“ besitzen könnte.