Die Stärke schwacher Verfahren Zur verfahrensförmigen Entdramatisierung von Perspektivendifferenzen im Kontext der Organspende
ZusammenfassungWenn die Soziologie auf die Praxis der postmortalen Organspende schaut, dann stößt sie auf die Dominanz medizinischer Gründe, die sie über das Verständigungsideal des gelungenen und guten Diskurses zu kontrollieren versucht. Mit der Sichtbarkeit anderer guter Gründe für oder gegen die Organallokation gestaltet sich die Organspende aber grundlegend als ein Problem von Perspektivendifferenzen. Unsere Analysen von Wortprotokollen des Deutschen Ethikrats (ER) folgen einer verfahrenssoziologischen Interpretation. Während das Verständigungsideal des guten Diskurses vor allem darauf zielt, über eine partizipative Debatte die Geltung medizinischer Gründe zu schwächen, gelingt es der Praxis schwacher Verfahren (Scheffer) hingegen, (medizinische) Entscheidungen über die Sichtbarkeit von Perspektivendifferenzen mit einem Reflexionspotential für andere gute Gründe auszustatten.