Der Hiatus – zur Spiegelbildlichkeit der Forschungsprogramme Latours und Luhmanns
Zusammenfassung:In seinem Spätwerk „Enquête sur les modes d’existence“ bricht Bruno Latour mit der actor network theory bzw. erweitert diese in Richtung einer Theorie unterschiedlicher Sinn- bzw. Wertsphären, die auf den ersten Blick der von Luhmann entwickelten Theorie der funktionalen Differenzierung zu ähneln scheint. Dieser Beitrag stellt die Frage nach dem Verhältnis der beiden Theorieprogramme. Zunächst wird deutlich, dass zwei unterschiedliche Ausgangspunkte genommen werden. Latour beginnt beim Realismus naturalisierter Netzwerke, Luhmann bei der Reflexivität von Sinnprozessen. Wie auch immer, beide landen bei dem gleichen Bezugsproblem – der konditionierten Koproduktion –, das sie zur Erweiterung der Theorieanlage zwingt. Der von Latour mit den ‚Existenzweisen‘ entwickelte Lösungsversuch wird ausführlich vorgestellt. Am Beispiel der Felder ‚Religion‘ und ‚Wirtschaft‘ wird aufgezeigt, welche Einsichten hierdurch möglich werden. Latours und Luhmanns Zugänge erscheinen gewissermaßen spiegelbildlich, was sich nicht zuletzt auch in der unterschiedlichen Pointierung der Rolle des soziologischen Beobachters zeigt.