Aktuelle Entwicklungen in der Ernährungstherapie von Intensivpatienten

2018 ◽  
Vol 143 (24) ◽  
pp. 1759-1764
Author(s):  
Alexander Koch ◽  
Lukas Bündgens ◽  
Ulf Herbers ◽  
Christian Trautwein ◽  
Frank Tacke

Was ist neu? Identifikation von Intensivpatienten mit hohem Risiko einer Mangelernährung Mehr als 50 % der Intensivpatienten weisen bereits bei Aufnahme eine unspezifische Mangelernährung auf, jeder 10. Patient eine Protein-Energie-Mangelernährung. Bei lediglich ⅓ der Intensivpatienten ist keine Mangelernährung nachweisbar. Die Sterblichkeit von Intensivpatienten mit unspezifischer und/oder Protein-Energie-Mangelernährung ist erhöht. Zur Identifikation dieser Risikopatienten sind klinische Scores wie der NRS 2002 etabliert. Ernährungstherapie kritisch kranker Patienten Zur Ernährungstherapie kritisch kranker Patienten gibt es neue evidenzbasierte europäische (ESPEN) und deutsche Leitlinien (DGEM). Energiebedarf Die indirekte Kalorimetrie ist weiterhin der Goldstandard zur Bestimmung des Energiebedarfs. Ist eine Kalorimetrie nicht verfügbar, sollte im klinischen Alltag der Energiebedarf in der Akutphase mit 24 kcal/kg KG/d (DGEM-Leitlinie) bzw. 20 – 25 kcal/kg KG/d (ESPEN-Leitlinie) bei nicht adipösen Patienten (BMI < 30 kg/m2) abgeschätzt werden. Bei adipösen Patienten mit einem BMI von 30 – 50 kg/m2 sollte ein Energieziel von 11 – 14 kcal/kg KG/d (tatsächliches Körpergewicht) und bei Patienten mit einem BMI > 50 kg/m2 eines von 22 – 25 kcal/kg (ideales Körpergewicht) erreicht werden. Proteinbedarf Der Proteinbedarf kritisch kranker Patienten liegt bei 1,2 – 1,3 g/kg KG/d tatsächliches aktuelles Körpergewicht. In der frühen Akutphase (Tag 1 – 3) sollte die Ernährung mit 75 % des Proteinziels begonnen und bis zum Ende dieser Phase auf 100 % gesteigert werden, um eine prognostisch ungünstige hyperkalorische Ernährung in der Akutphase zu vermeiden. Start der Ernährungstherapie: wann und wie? Die Ernährungstherapie von Intensivpatienten soll innerhalb von 24 – 48 h nach Aufnahme in Form einer frühen enteralen Ernährung initiiert werden. Zeitpunkt des Erreichens des kalorischen Ziels In zwei großen prospektiven, randomisierten, multizentrischen klinischen Studien (CALORIE und NUTRIREA-2) wurde gezeigt, dass parenterale und enterale Ernährung bei kritisch kranken Patienten in den wichtigen klinischen Endpunkten vergleichbar sind. Eine supplementierende parenterale Ernährung kann in der Akutphase sinnvoll sein, falls das angestrebte (hypokalorische) Energieziel mit enteraler Ernährung allein nicht zu erreichen ist, eine prognostisch ungünstige hyperkalorische Ernährung muss jedoch vermieden werden. Probiotika Die routinemäßige Anwendung von Probiotika in der Intensivmedizin wird nicht empfohlen. Gastrale oder post-pylorische Ernährung? Standardapplikationsweg einer enteralen Ernährung sind gastrale Sonden.

2015 ◽  
Vol 09 (04) ◽  
pp. 180-185
Author(s):  
J. Spiegler ◽  
W. Göpel ◽  
E. Herting ◽  
I. Menrath

ZusammenfassungDie Ernährung von kleinen und/oder schwer kranken Frühgeborenen stellt eine große Herausforderung in der Neonatologie dar. Eine adäquate Ernährung ist der entscheidende Faktor für eine gute postnatale Gewichtsentwicklung. Diese steht wiederum in engem Zusammenhang zur weiteren allgemeinen und vor allem neurologischen Entwicklung der Kinder. Auch das Risiko für postnatale Komplikationen, wie z.B. die nekrotisierende Enterokolitis oder auch die Late-onset-Sepsis, und die Mortalität sind in starkem Maße abhängig von der Ernährung des Frühgeborenen. In dieser Übersichtsarbeit werden die aktuellen Empfehlungen zur Ernährung von extrem kleinen Frühgeborenen dargestellt. Hierbei wird auf das Wechselspiel zwischen parenteraler und enteraler Ernährung eingegangen und das Für und Wider einer forcierten Ernährung in den ersten Lebenstagen diskutiert. Des Weiteren werden Besonderheiten bei schwer kranken Frühgeborenen beschrieben. Abschließend wird auf den Zusammenhang zwischen einer raschen Gewichtszunahme in den ersten Lebensmonaten und dem Risiko des metabolischen Syndroms in der Kindheit bzw. im Erwachsenenalter eingegangen.ZusammenfassungDie Ernährung von extremen Frühgeborenen ist ein essenzieller Faktor, der die Morbidität, Mortalität und die Langzeitentwicklung erheblich beeinflusst. In den ersten Lebensstunden gilt es, die Ernährung so zu optimieren, dass Komplikationen wie z.B. eine NEC oder eine Late-onset-Sepsis verhindert werden können. Im weiteren Verlauf steht eine adäquate Gewichtszunahme im Vordergrund, die das Langzeit-Outcome, wie z.B. die neuronale Entwicklung, positiv beeinflusst.Ziel sollte eine möglichst kurzzeitige parenterale Ernährung und eine frühzeitige enterale Ernährung sein. Alle Empfehlungen müssen den Gesundheitszustand des Kindes berücksichtigen. Bei kritisch kranken Frühgeborenen muss die Ernährung spezifisch angepasst werden. Obwohl in den vergangenen Jahren große Fortschritte bei der Ernährung von extremen Frühgeborenen erzielt werden konnten, sind weitere Untersuchungen nötig, die fundiertere Erkenntnisse über die genaue Zusammensetzung der Nahrung liefern und auch die Langzeitfolgen der Ernährung in den ersten Lebenstagen berücksichtigen.


2011 ◽  
Vol 11 (02) ◽  
pp. 82-84
Author(s):  
J. Henker

ZusammenfassungDie akute Pankreatitis hat im Kindesalter fast immer einen leichten Verlauf ohne Komplikationen. Damit kann sehr früh (innerhalb von 36 Stunden) mit einer oralen Ernährung begonnen werden. Bei Inappetenz, Brechneigung oder einer schweren akuten Pankreatitis ist eine enterale Ernährung über eine naso-gastrische oder transpylorische Sonde indiziert.Verwendet werden kann eine nährstoffdefinierte Sondenkost. Bei einem paralytischen Ileus ist eine totale parenterale Ernährung indiziert.


2018 ◽  
Vol 22 (04) ◽  
pp. 178-184
Author(s):  
Doreen Brodmann

ZusammenfassungMangelernährung ist sowohl in der nierengesunden Bevölkerung als auch bei Dialysepatienten häufig. Je nach untersuchtem Parameter sind ca. 20–60 % der Dialysepatienten von dieser – bei dieser Patientengruppe Protein-Energy-Wasting (PEW) genannten – Erkrankung betroffen. Nach Diagnosestellung stellt neben der Minimierung Mangelernährung begünstigender Faktoren wie z. B. chronischer Infekte, Schluckstörungen, sozialer Ursachen und viele mehr die Steigerung und Sicherstellung der Kalorien- und Eiweißzufuhr eine große Herausforderung bei diesen meist schwachen und appetitlosen Patienten dar. Die Möglichkeiten zur Optimierung der Ernährung während der Hämodialyse (intradialytische Ernährung) umfassen neben der Bereitstellung einer hochwertigen und möglichst eiweißreichen Mahlzeit zur Minimierung der Katabolie die Anreicherung der Nahrung mit Maltodextrin oder Eiweißkonzentraten, die IDEE (intradialytische enterale Ernährung) und die IDPE (intradialytische parenterale Ernährung). Jedoch stellt die Hämodialyse mit 3-mal pro Woche jeweils 4 Stunden nur einen geringen Zeitanteil am Leben des Patienten dar. Ernährungsmaßnahmen allein während der Dialyse sind deshalb nicht ausreichend und müssen um Maßnahmen für die Zeit außerhalb der Dialysesitzungen ergänzt werden.


2017 ◽  
Vol 42 (05) ◽  
pp. 388-394
Author(s):  
Doreen Brodmann

Zusammenfassung Hintergrund Mangelernährung ist sowohl in der Normalbevölkerung als auch bei Dialysepatienten häufig. Je nach untersuchtem Parameter sind ca. 20 – 60 % der Dialysepatienten von dieser – bei dieser Patientengruppe Protein-Energy-Wasting (PEW) genannten – Erkrankung betroffen. Methoden Literaturreview der aktuellen Leitlinien, Studien und Metaanalysen. Ergebnisse Nach Diagnosestellung stellt neben der Minimierung Mangelernährung begünstigender Faktoren wie z. B. chronischer Infekte, Schluckstörungen, sozialer Ursachen und viele mehr die Steigerung und Sicherstellung der Kalorien- und Eiweißzufuhr eine große Herausforderung bei diesen meist schwachen und appetitlosen Patienten dar. Die Möglichkeiten zur Optimierung der Ernährung während der Hämodialyse (intradialytische Ernährung) umfassen neben der Bereitstellung einer hochwertigen und möglichst eiweißreichen Mahlzeit zur Minimierung der Katabolie die Anreicherung der Nahrung mit Maltodextrin oder Eiweißkonzentraten, die IDEE (intradialytische enterale Ernährung) und die IDPE (intradialytische parenterale Ernährung). Jedoch stellt die Hämodialyse mit 3-mal pro Woche jeweils 4 Stunden nur einen geringen Zeitanteil am Leben des Patienten dar. Ernährungsmaßnahmen allein während der Dialyse sind deshalb nicht ausreichend und müssen um Maßnahmen für die Zeit außerhalb der Dialysen ergänzt werden.


2018 ◽  
Vol 43 (02) ◽  
pp. 92-100 ◽  
Author(s):  
Carla Aeberhard ◽  
Mirjam Abt ◽  
Olga Endrich ◽  
Emilie Aubry ◽  
Michèle Leuenberger ◽  
...  

Zusammenfassung Hintergrund Die krankheitsassoziierte Mangelernährung (KAM) ist in Krankenhäusern ein häufiges Problem mit medizinischen und ökonomischen Folgen. Die vorliegende Vier-Jahres-Analyse soll zeigen, ob die Aufwände für die Ernährungstherapien der mangelernährten Patienten durch den Mehrertrag, der durch die Kodierung der KAM im SwissDRG-System erreicht wird, gedeckt werden. Material und Methodik In dieser Datenerhebung (2013 – 2016) wurden alle stationären Patienten mit einer E4-Diagnose im Universitätsspital Bern analysiert. Betrachtet wurden die E-Diagnose, Hauptdiagnose, Spitalaufenthaltsdauer, Alter, Art der Ernährungstherapie, Mehrertrag und Kosten, welche durch die ernährungstherapeutischen Behandlungen generiert wurden. Der Aufwand für die Ernährungsberatung, daas Pflegefachpersonal und die Ernährungstherapien wurde hochgerechnet. Zudem wurden die Patienten aufgrund ihrer Hauptdiagnose in 12 Gruppen eingeteilt (beruhend auf der WHO ICD-10-Klassifikation). Ergebnisse Von den stationären Patienten (n = 169 515) wurden insgesamt 5442 Fälle (3,2 %) in den betrachteten 4 Jahren mit einer KAM kodiert. Davon waren 462 Fälle (8,5 %) erlösrelevant. Von den 5442 Patienten erhielten 3211 (59 %) orale Trinknahrungen, 1578 (29 %) eine enterale Ernährung per Sonde und 653 (12 %) eine parenterale Ernährung. Die Kodierung der KAM ergab einen Mehrertrag von insgesamt CHF 3 494 081 und einen Aufwand von hochgerechnet CHF 2 803 432. Am häufigsten wurden onkologische Patienten mit einer KAM kodiert (n = 1708; 31,4 %), gefolgt von Patienten mit Krankheiten des Verdauungssystems (n = 671; 12,3 %) und des Kreislaufsystems (n = 609; 11,2 %). Schlussfolgerung Diese Analyse zeigt, dass der Mehrertrag durch die Kodierung der KAM im SwissDRG-System den finanziellen Aufwand für die Ernährungstherapien deckt. Die konsequente und frühzeitige Erfassung, Behandlung und Kodierung der KAM führt zu einer hohen Behandlungsqualität und -sicherheit für die Patienten und ist kostendeckend für das Krankenhaus.


Praxis ◽  
2004 ◽  
Vol 93 (3) ◽  
pp. 53-58
Author(s):  
Haller ◽  
Imoberdorf ◽  
Ballmer

Dass ernährungstherapeutische Massnahmen wie orale Supplementation, totale enterale Ernährung und total parenterale Ernährung bei malnutrierten Patienten lebensverlängernd sein können, ist gut belegt. Ob alle diese therapeutischen Möglichkeiten auch schwerkranken oder sterbenden Patienten mit Hirnschlag, Demenz oder Krebs zum Vorteil gereichen, wird in der vorliegenden Arbeit dargelegt. Auch auf die ethisch unterschiedlich diskutierte terminale Dehydratation wird näher eingegangen.


2014 ◽  
Vol 71 (3) ◽  
pp. 155-161 ◽  
Author(s):  
Alois Haller

Die enterale Ernährung über Sonden stellt heute einen integralen Bestandteil medizinischer Therapien dar. Sie ist einfach zu bewerkstelligen und kann auch im ambulanten Setting angewandt werden. Für kurzfristige Ernährungsinterventionen eignen sich temporäre Sonden im Magen oder Dünndarm, welche nasogastral oder nasojejunal eingelegt werden. Eine Langzeiternährungstherapie wird meist über eine permanente Sonde durchgeführt, welche als perkutane Gastrostomie (PEG) endoskopisch platziert wird. Versehen mit modernen tragbaren Ernährungspumpen können Patienten ohne großen Aufwand bedarfsdeckend ernährt werden. Die enterale Ernährung ist immer dann indiziert, wenn Patienten nicht essen können, dürfen oder kein adäquater Nahrungsaufbau innert 3 Tagen nach einem Eingriff, z. B. einer viszeralchirurgischen Operation, gelingt. Appliziert werden industriell gefertigte Nährlösungen mit definierten Nährstoffkonzentrationen, die je nach Indikation mit unterschiedlichen Substraten und spezifischen Supplementen (z. B. Glutamin, Fischöl oder Selen) erhältlich sind. Die enterale Ernährung ist sowohl mit Komplikationen der Sonde (Dislokation, Fehllage, Obstruktion oder Aspiration), als auch der Ernährung selbst (Hyperglykämien, Elektrolytstörungen, Refeeding Syndrom oder Diarrhoe) behaftet. Der Nutzen einer regelrechten Sondenernährung übertrifft jedoch den möglichen Schaden meist deutlich.


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