Europäische Zuckerpolitik. Unde venit – Quo vadit
Die europäischen Rübenanbauer und die heimische Zuckerindustrie [Europäische Zuckerwirtschaft] stehen nach der Reform der Zuckermarktordnung veränderten Rahmenbedingungen gegenüber. Sie haben seit 2006 einen einschneidenden Restrukturierungsprozess durchlaufen. Die Reform hat – entgegen der ursprünglichen Zielsetzung – auch vor den Gunstlagen der Rübe und den wettbewerbsfähigsten Rübenzucker erzeugenden Unternehmen nicht halt gemacht. Dennoch konnte die Branche insgesamt ihre Wettbewerbsfähigkeit deutlich verbessern. Die enge Versorgungslage auf dem europäischen Zuckermarkt im laufenden Zuckerwirtschaftsjahr 2010/11 zeigt die Kehrseite der Reform. Der neue Selbstversorgungsgrad der EU beträgt nur noch 85 %. Der europäische Zuckermarkt ist von Importen abhängig. Dies wirkt sich in Zeiten, in denen sich der Weltmarktpreis für Zucker auf einem 30-jährigen Hoch bewegt, negativ auf die Marktversorgung aus. Vor diesem Hintergrund hat die Europäische Kommission [Kommission] im laufenden Zuckerwirtschaftsjahr 2010/11 Gegenmaßnahmen ergriffen. Erstmals können nun Nichtquotenzuckermengen auf dem Lebensmittelmarkt abgesetzt werden. In dieser Situation wird deutlich, dass der heimisch erzeugte Rübenzucker in einem zunehmend volatilen Weltzuckermarkt den europäischen Zuckermarkt stabilisiert und eine gleichmäßige Versorgung gewährleistet. Die Volatilität des Weltzuckermarktes wird – darauf deuten alle Voraussagen hin – in Zukunft weiter zunehmen. Aufgrund der hohen Abhängigkeit schlagen Angebotsschocks aus dem Exportland Nr. 1 – Brasilien – direkt auf den Weltzuckermarkt durch. Hinzu kommen verstärkte, spekulative Finanzmarktaktivitäten auf den internationalen Rohstoffmärkten und die Unsicherheit bei der Entwicklung der Währungsparitäten zwischen den großen Zucker herstellenden Wirtschaftspartnern. In Summe gilt es, den EU-Zuckermarkt für Verbraucher und Produzenten stabil und planbar zu halten – auch über die Laufzeit der jetzigen Marktordung nach 2015 hinaus. Ausgewogene Marktzugangsbedingungen und ein weiterhin funktionierendes Mengenmanagement sind entscheidende Voraussetzungen. Unter diesen Rahmenbedingungen wird die europäische Zuckerwirtschaft den Binnenmarkt auch in Zukunft mit mindestens 85 % des Verbrauchs mit Rübenzucker aus regionaler Erzeugung beliefern können.