Zusammenfassung
Hintergrund Bisher gibt es keine Studien, die das Pandemie bedingte
Belastungserleben von stationär im Vergleich zu ambulant tätigen
Psychiatern untersucht hat. Es soll deshalb das Ausmaß der
Covid-19-Exposition, die Angst, das Belastungserleben und die
Bewältigungsmöglichkeiten bei niedergelassenen Psychiatern im
Vergleich zu Ärzten in psychiatrischen und psychosomatischen Kliniken
untersucht werden.
Methode Zur Erfassung von Angst- und Belastungserleben wurden
E-Mail-gestützte Fragebögen mit 13 Items genutzt. Insgesamt
wurden 105 niedergelassene Psychiater, und 73 Ärzte und Psychologen aus
vier Klinikern (inkl. Klinik für Psychosomatische Medizin und
Psychotherapie) zwischen Anfang April bis Mitte Mai 2020 befragt.
Ergebnis In ihrem Belastungserleben fühlten sich niedergelassene
im Vergleich zu Krankenhauspsychiatern häufiger stark
eingeschränkt (52,4 vs. 32,9% p=0,010),
infektionsgefährdet (35,2 vs. 13,7%, p<0,001) und
finanziell bedroht (24,7 vs. 6,9%, p=0,002). Der Anteil gut
Informierter niedergelassener Psychiater war geringer (47,6 vs. 63,0%,
p=0,043) und der Anteil mit fehlender Schutzausrüstung
höher (27,6 vs. 4,1%, p<0,001). Bei gleichem COVID-19
Expositionsniveau (8,6 vs. 8,2%) berichteten niedergelassene Psychiater
im Vergleich zu Krankenhaus-Psychiatern häufiger, wenn auch nicht
signifikant, große Angst (18,1 vs. 9,6%, p=0,114).
Risikofaktoren für ein Angsterleben waren in beiden Gruppen das
Gefühl der Einschränkung (OR=5,52, p=0,025) und
die erlebte Infektionsgefahr (OR=5,74, p=0,005). Keinen Einfluss
hatten das Expositionsniveau, die Klinik- bzw. Praxiszugehörigkeit, das
Alter, das Geschlecht und andere Dimensionen des Bedrohungserlebens und des
Bewältigungsverhaltens.
Diskussion Niedergelassene Psychiater fühlten sich im Vergleich zu
den Kollegen im Krankenhaus durch die COVID-19 Pandemie mehr belastet und
bedroht. Das Erleben von Angst war abhängig vom Gefühl der
Einschränkung und der Expositionsgefahr, nicht jedoch von der
Exposition, der Ausstattung mit Schutzmitteln. Für die
Ausprägung der Angst scheinen weniger objektive Indikatoren als das
subjektive Erleben eine wichtige Rolle zu spielen.