Cooling out after breaking up. Milieuunterschiede im Umgang mit dem Beziehungsscheitern
ZusammenfassungIn seinem Aufsatz „On cooling the mark out. Some aspects of adaptation to failure“ erwähnt Erving Goffman das Scheitern von Paarbeziehungen als Paradebeispiel für Cooling-out-Prozesse in informellen sozialen Settings. Daran anknüpfend fragt der vorliegende Beitrag zum einen, inwiefern das Cooling-out-Konzept für die gegenwärtige familiensoziologische Theoriebildung fruchtbar gemacht werden kann. Indem es, so wird argumentiert, ein integratives und genuin soziologisches Instrumentarium zum Verständnis materieller und vor allem symbolischer Trennungsfolgen, die damit einhergehenden interpretativen Krisen sowie deren Bewältigung bietet, hat Goffmans Konzept gegenüber den bislang dominierenden psychologischen Konzeptualisierungen deutliche Vorzüge. Zum anderen wird danach gefragt, inwiefern die Analyse des Umgangs mit dem Scheitern von Paarbeziehungen zur Weiterentwicklung des Cooling-out-Konzepts beitragen kann. Auf der Grundlage qualitativer Interviews mit Getrennten wird gezeigt, dass es milieuspezifische Präferenzen bezüglich der „abkühlenden“ Deutungsrahmen gibt, auf die die Akteure bei der Situations- und Selbstredefinition zurückgreifen. Während im individualisierten Milieu die (Re‑)Konstruktion „verborgener Wahrheiten“ in vertrauensvollen Gesprächen und die reflexive Arbeit am Selbst im Vordergrund steht, ist im traditionalen Milieu die Mobilisierung öffentlicher Fürsprache angesichts infrage stehender Geschlechterrollenperformanz von zentraler Bedeutung. Erweitert um Goffmans Rahmenanalyse und milieusoziologisch angewandt, lassen sich somit mithilfe des Cooling-out-Konzepts stark divergierende Deutungsmuster und Praxen in der Verarbeitung von Trennungen beschreiben.