Autoimmune Lebererkrankungen und Überlappungssyndrome

Praxis ◽  
2006 ◽  
Vol 95 (36) ◽  
pp. 1363-1381 ◽  
Author(s):  
Strassburg

Autoimmunerkrankungen der Leber sind ätiologisch ungeklärte chronisch entzündliche Erkrankungen, die zu einem immunologischen Angriff auf die Hepatozyten, die kleinsten mikroskopischen Gallengänge oder das gesamte in der Cholangiographie darstellbare Gallenwegssystem führen. Nosologisch werden dazu die Autoimmunhepatitis (AIH), die primär biliäre Zirrhose (PBC) und die primär sklerosierende Cholangitis (PSC) gezählt. Diese unterscheiden sich nicht nur in ihrem klinischen Profil, sondern auch in der diagnostischen Strategie, der Therapie und ihrer Remissionswahrscheinlichkeit und in ihren Assoziationen mit anderen immunvermittelten Erkrankungen sowie Karzinomerkrankungen. PBC und PSC sind cholestatische Erkrankungen. Die PBC betrifft überwiegend Frauen, ist diagnostisch bereits durch spezifische antimitochondriale Autoantikörper gegen Pyruvatdehydrogenase (PDH-E2) zu sichern, weist oft ein umfangreiches Spektrum rheumatologischer extrahepatischer Syndrome auf und spricht unbefriedigend auf Immunsuppression an. Ursodesoxycholsäure führt zu biochemischen und möglicherweise histologischen Verbesserungen. Die PSC hingegen betrifft jüngere Männer, die in 75% gleichzeitig an einer entzündlichen Darmerkrankung leiden. Sie weist keine krankheitsspezifischen Serumautoantikörper auf, wird durch Histologie der Leber und den typischen Befund bei der Cholangiographie diagnostiziert und führt in 10–20% zu Cholangiokarzinomen und auch Kolonkarzinomen. Auch die PSC spricht unbefriedigend auf Immunsuppression an, ihre Therapie ist durch mechanische Gallenwegsinterventionen, Cholangitisbehandlung und die Gabe von Ursodesoxycholsäure gekennzeichnet. Die AIH schliesslich ist eine «klassische Autoimmunerkrankung» mit weiblicher Prädisposition, zirkulierenden Autoantikörpern, Immunglobulinerhöhung, extrahepatischen Assoziationen anderer Autoimmunerkrankungen und ist durch ein dramatisches Ansprechen auf Immunsuppression mit einer Normalisierung der Prognose bei Remissionsinduktion und Zirrhosevermeidung gekennzeichnet. Ihre Diagnose wird allerdings nur durch den Ausschluss anderer chronischer Lebererkrankungen erreicht, welche ebenfalls mit dem biochemischen, histologischen und klinischen Bild einer Hepatitis einhergehen. Vor diesem Hintergrund ist die präzise Diagnostik prognostisch von entscheidendem Wert. Trotz der scheinbar klaren Trennung der drei Krankheitsbilder ergeben sich überlappende Syndrome. Diese können unter anderem durch die Koexistenz serologischer Parameter von PBC und AIH, von Cholestase und Hepatitis, von Autoantikörpern und Virusmarkern, dem konsekutiven Auftreten von PBC und AIH oder AIH und PSC gekennzeichnet sein. Fälle einer Überlappung von zwei genuinen Krankheitsbildern sind selten. Dies ist aus therapeutischer Sicht relevant und muss zu der strikten klinischen und diagnostischen Unterscheidung von serologischer Autoimmunität (Autoantikörper) und Autoimmunerkrankung (z.B. AIH) führen, um zu einer effizienten therapeutischen Strategie zu führen. AIH, PBC und PSC sind etablierte Indikationen zur Lebertransplantation mit guten Ergebnissen. Sie ist dann indiziert, wenn die Zirrhose progredient ist und zur Leberfunktionseinschränkung führt.

Praxis ◽  
2005 ◽  
Vol 94 (5) ◽  
pp. 139-143 ◽  
Author(s):  
Maier

Bei Patienten mit gering erhöhten Leberwerten (häufig asymptomatischen), geht es zunächst um die Feststellung, ob eine Leberzellnekrose dominant ist oder aber eine intrahepatische Cholestase. Als initiale «Basisuntersuchung» empfiehlt sich daher die Bestimmung der Aktivitäten der GPT, g-GT und alkalischen Phosphatase. Bei Dominanz einer Hepatopathie vom Nekrosetyp ist es angezeigt, virale Lebererkrankungen (HBV, HCV, HDV), metabolische Stoffwechselstörungen (M. Wilson, hereditäre Hämochromatose) exogen-toxische Faktoren (Medikamente, Alkohol), seltene Ursachen (Riesenzellhepatitis, Sprue), die zunehmend häufiger werdende nicht-alkoholische Steatohepatitis (NASH), aber auch die autoimmunen und granulomatösen Hepatitiden differentialdiagnostisch zu bedenken. Dominiert ein Cholestasemuster kommen die primär-biliäre Zirrhose (PBC), die primär sklerosierende Cholangitis (PSC), aber auch Medikamente und granulomatöse Hepatitiden differentialdiagnostisch in Frage. Neben der Laborchemie und (insbesondere im Falle der cholestatischen Hepatopathien) der Sonographie kommen unverändert der Laparoskopie (in Form der Minilaparoskopie) und der Leberbiopsie ein zentraler Stellenwert in der differentialdiagnostischen Aufarbeitung zu.


Praxis ◽  
2002 ◽  
Vol 91 (34) ◽  
pp. 1347-1351 ◽  
Author(s):  
Löhr

Die autoimmune Hepatitis (AIH), die primär biliäre Zirrhose (PBC) und die primär sklerosierende Cholangitis (PSC) werden zum Formenkreis der autoimmunen Lebererkrankungen gezählt. Bei diesen Lebererkrankungen spielen Immunreaktionen gegen wirtseigene Antigene eine herausragende pathogenetische Rolle. Lediglich für die AIH ist die autoimmune Ätiologie hinreichend belegt, während für die anderen beiden Erkrankungen zwar Autoimmunphänomene beschrieben wurden, jedoch die Rolle weiterer konditionierender Faktoren und infektiöser Agenzien weiter zu klären sind. Die Autoimmunhepatitis hat unbehandelt eine ungünstige Prognose und muss deshalb so früh wie möglich diagnostiziert und behandelt werden. Typischerweise finden sich verschiedene Autoantikörper anhand derer verschiedene Untergruppen unterschieden werden können. Weiterhin wurden verschiedene zelluläre und humorale Immunreaktionen gegen Leberzellantigene beschrieben, welche die Immunpathogenese der Erkrankung weiter belegen. Sehr wichtig scheint ausserdem der genetische Hintergrund für die AIH zu sein, da diese gehäuft mit dem HLA-Haplotyp A1, B8, DR3 bzw. DR4 auftritt. Obwohl die histopathologischen Veränderungen nicht beweisend für eine Autoimmunhepatitis sind, gibt es jedoch einige charakteristische morphologische Läsionen, die das Vorliegen einer AIH sehr wahrscheinlich machen. Therapeutisch hat sich die immunsuppressive Therapie mit Prednisolon und Azathioprin als sehr effizient bewiesen, so dass der Progress der akuten und chronischen Lebererkrankung bei den meisten Patienten aufgehalten werden kann. In den letzten Jahren wurden zudem so genannte Overlap-Syndrome zwischen AIH und primär PBC bzw. seltener zur PSC beschrieben. Diese Veränderungen werden bei ca. 15–20% der Patienten mit AIH bzw. PBC gefunden. Charakteristischerweise zeigen diese Patienten typische Gallengangsveränderungen und/oder antimitochondriale Antikörper (AMA) wie bei PBC. Darüber hinaus haben sie jedoch ein periportales zelluläres Infiltrat wie bei AIH sowie gehäuft den HLA-Haplotyp A1, B8 und DR3 bzw. DR4. Diese Patienten profitieren von einer kombinierten Therapie mit Prednisolon und Azathioprin in absteigender Dosierung sowie Ursodesoxycholsäure.


2004 ◽  
Vol 61 (8) ◽  
pp. 521-527 ◽  
Author(s):  
Thimme ◽  
Opitz ◽  
Blum ◽  
Kreisel

Zu den autoimmunen cholestatischen Hepatopathien rechnet man die primär biliäre Zirrhose (PBC), die Autoimmuncholangitis (AIC, Synonym: AMA-negative PBC) und die primär sklerosierende Cholangitis (PSC). Überlappungssyndrome weisen sowohl Charakteristika von cholestatischen Leberkrankungen als auch einer Autoimmunhepatitis auf. Bei der PBC sind alkalische Phosphatase und gamma-GT erhöht, in geringerem Ausmaß auch die Transaminasen, die Histologie zeigt Gallengangsläsionen. Anti-mitochondriale Antikörper sind charakteristisch. Die Gabe von Ursodeoxycholsäure (UDC) ist die etablierte Therapie und kann – zumindest in frühen Stadien – die Progredienz aufhalten oder verlangsamen. Bei fehlendem Ansprechen kann eine Immunsuppression versucht werden. Die PSC ist meist mit einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung assoziiert. P-ANCA sind häufige Autoimmunmarker. Meist wird die Diagnose durch die typischen Veränderungen der Gallenwege bei der ERCP gestellt. UDC wird zur Therapie eingesetzt. Gallengangsstrikturen oder Cholangitiden sind sekundäre Folgen und können mit Antibiotika oder Dilatationen der Gallenwege behandelt werden. PBC und PSC führen letztlich zur Leberzirrhose. Bei fortgeschrittener Erkrankung ist eine Lebertransplantation indiziert.


2011 ◽  
Vol 68 (4) ◽  
pp. 195-199 ◽  
Author(s):  
Daniel Grimm ◽  
Robert Thimme

Die primär biliäre Zirrhose (PBC), die primär sklerosierende Cholangitis (PSC), Overlapsyndrome sowie die Immunglobulin G4-assoziierte Cholangitis (IAC) sind wichtige Differentialdiagnosen der cholestatischen Hepatopathie. Bei der PBC sind vor allem die alkalische Phosphatase, die gamma-GT sowie anti-mitochondriale Antikörper und IgM erhöht. Eine Assoziation mit anderen Autoimmunkrankheiten ist häufig. Therapie der Wahl ist Ursodeoxycholsäure. Die PSC ist sehr oft mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (CED), vor allem der Colitis ulcerosa, assoziiert. Diagnoseweisend sind typische Veränderungen der Gallengänge in der Cholangiographie. Die Dilatation von symptomatischen Gallengangsstrikturen sowie die Behandlung von Cholangitiden stehen im Vordergrund der Therapie. Die PBC und PSC führen im Verlauf häufig zu einer Leberzirrhose. Bei fortgeschrittener Erkrankung muss eine Lebertransplantation erwogen werden. Overlapsyndrome weisen sowohl Eigenschaften von cholestatischen Lebererkrankungen als auch einer Autoimmunhepatitis auf. Die IAC weist ein der PSC ähnliches Krankheitsbild auf, es fehlt jedoch die Assoziation mit CED.


2020 ◽  
Vol 49 (12) ◽  
pp. 530-537
Author(s):  
Verena von Felbert ◽  
Thomas Rauen ◽  
Stefanie Tischendorf ◽  
Maximilian Hatting

ZUSAMMENFASSUNGChronisch entzündliche Darmerkrankungen (CED) manifestieren sich auch außerhalb des Gastrointestinaltraktes. Die Differenzialdiagnostik ist herausfordernd, denn die extraintestinalen Manifestationen (EIM) müssen von Medikamentennebenwirkungen und eigenständigen Krankheitsentitäten abgegrenzt werden. Dies trifft insbesondere für den Befall der Leber, des Bewegungsapparates und der Haut zu. Häufig sind Leberwerterhöhungen medikamentös-toxisch bedingt. Die primär sklerosierende Cholangitis stellt eine prognoserelevante Differenzialdiagnose dar, die häufig mit CED assoziiert ist. Ein Befall des Achsenskeletts muss von degenerativem Rückenschmerz, Osteoporose und einer rheumatischen Grunderkrankung abgegrenzt werden. Die Beteiligung der Haut bei CED kann sich im Rahmen klassischer Befunde wie dem Erythema nodosum manifestieren. Häufig ist die Diagnosestellung aber schwierig und es müssen medikamenteninduzierte Hautveränderungen ausgeschlossen bzw. identifiziert werden. Nicht zuletzt ist auch das Risiko für Hauttumoren unter Immunsuppression erhöht. Die komplexe Diagnostik der extraintestinalen Manifestation erfordert deshalb eine enge interdisziplinäre Zusammenarbeit.


Praxis ◽  
2004 ◽  
Vol 93 (43) ◽  
pp. 1785-1787
Author(s):  
Quadranti

Abklärung einer 53-jährigen, afebrilen Patientin mit 10-tägiger Kopfschmerz-Anamnese und akuter Hepatitis nach Nimesulid-Einnahme. Differentialdiagnostisch ist das Spektrum sehr gross und reicht von den Virushepatitiden über bakterielle Infektionen, bis zu den medikamentös und aethylisch induzierten Hepatitiden. Als weitere Ursachen kommen Tumoren, hereditäre Stoffwechselkrankheiten, Autoimmunhepatitis und primär biliäre Zirrhose in Frage. Bei unserer Patientin zeigte sich sonographisch unerwarteterweise eine Splenomegalie sowie atypische Lymphozyten im Blutbild. Serologisch wurde bei positiven IgG und IgM für VCA, einem negativem IgG für EBNA und positiven heterophilen AK, die Verdachtsdiagnose einer frischen Mononukleose-Infektion bestätigt. Die fehlende klassische Klinik mit Fieber, Angina tonsillaris und Lymphadenopathie war initial irreführend. Nachträglich sind die initialen Kopfschmerzen und allgemeine Müdigkeit als Prodromie zu interpretieren. Die Patientin wurde symptomatisch behandelt.


Praxis ◽  
2005 ◽  
Vol 94 (1) ◽  
pp. 5-10
Author(s):  
Kolyvanos Naumann ◽  
Käser ◽  
Vetter

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