Suizidalität bei Schizophrenie

2020 ◽  
Vol 25 (1) ◽  
pp. 129-151
Author(s):  
Thomas Bronisch

Das Lebenszeitrisiko für Suizid wird bei Schizophrenen auf 5% und für Suizidversuche auf 25–50% geschätzt. Suizidalität ist stets im Kontext von depressiven Syndromen oder depressiven Episoden zu sehen und ist assoziiert mit mehr depressiven, komorbiden und schweren Formen von Schizophrenie. Die meisten schizophrenen Patienten suizidieren sich in der aktiven Phase der Erkrankung, gequält von depressiven Symptomen. Suizid bei Schizophrenen erfolgt normalerweise nach. einem Suizidversuch, der ebenso häufig kommuniziert wird wie bei nicht-schizophrenen Patienten. Eine besondere Herausforderung stellen Suizide im psychiatrischen Krankenhaus dar, wo Depressive und Schizophrene einen ganz erheblichen Anteil der suizidgefährdeten Patienten ausmachen. Die schizophrenen suizidgefährdeten Patienten sind charakterisiert durch vermehrte Depressivität und paranoid-halluzinatorische Symptomatik, mehr Leidensdruck und verstärkte Psychopharmakotherapie. Die Schaffung einer »antisuizidalen Mentalität« steht bei der Prävention des Krankenhaussuizides im Vordergrund. Die Etablierung einer Atmosphäre von Vertrauen und Offenheit ist notwendig, in der der Patient über Gefühle von Angst, Orientierungslosigkeit, Insuffizienz und Überforderung bis hin zum Empfinden entstehender Suizidphantasien sprechen kann. Der erste Schritt zur Suizidund Suizidversuchsprävention besteht in einer konsequenten Befunderhebung von Suizidalität. Dies beinhaltet die Anamnese mit dem Erfassen der Symptomatik und ihrer chronologischen Entwicklung, Information über Vorerkrankungen (insbesondere Suizidversuche) und die Lebenssituation. Neben der Suizidintention stehen Suizidarrangement und Ernsthaftigkeit der Suizidmethode sowie die Einschätzung der Wiederholungsgefahr im Vordergrund. Das Vertrauensverhältnis zwischen Patient und Therapeut ist die wichtigste Voraussetzung, um suizidale Patienten zuverlässig erkennen und wirksam behandeln zu können. Deshalb muss von Anfang an ein besonderes Augenmerk auf das Zustandekommen einer tragfähigen therapeutischen Beziehung gerichtet werden. Die Therapie beinhaltet Notfallbehandlung, Krisenintervention, Psychotherapie und Pharmakotherapie. Die Notfallbehandlung hat aufgrund der häufig aggressiven und impulsiven suizidalen Handlungen Schizophrener Vorrang und erfordert sofortiges Eingreifen des Therapeuten bei drohender Lebensgefährdung. Die Krisenintervention bei schizophrenen Patienten unterscheidet sich nicht von Krisenintervention bei anderen psychiatrischen Diagnosen, dasselbe gilt für die Psychotherapie. Auf den Umgang mit suizidalen Patienten, spezifische Interventionsstrategien und auf die häufigsten Fehler und riskanten Interventionen wird ausführlich eingegangen. In der Pharmakotherapie werden Akutund Langzeitbehandlung unterschieden. Als Akutbehandlung kommen Neuroleptika, Benzodiazepine, eventuell auch Ketamine und die Elektrokrampftherapie infrage, in der Langzeittherapie Antidepressiva, Lithium, Moodstabilizer und atypische Neuroleptika. Speziell für schizophrene Patienten ist die Wirksamkeit von Antidepressiva bisher empirisch nicht ausreichend belegt, jedoch für atypische Neuroleptika vor allem für Clozapin, aber auch für Olanzapin bei Suizidversuchen.

2007 ◽  
Vol 20 (1) ◽  
pp. 53-58 ◽  
Author(s):  
Gabriela Stoppe ◽  
Lienhard Maeck

Zusammenfassung: Verhaltensstörungen sind vielgestaltig und häufig bei Demenzen. Ihr Auftreten und Ausmaß sind ein Hauptrisikofaktor für die Heimeinweisung. Mit zunehmender Demenzschwere wird ein Zusammenhang zu Umgebungsfaktoren immer deutlicher. Angehörigeninterventionen beeinflussen auch das Verhalten der Demenzkranken. Die Behandlung erfordert zunächst eine sorgfältige Analyse auslösender und verstärkender Faktoren. Bestehen Sie fort, so sollte ein Zielsymptom definiert werden und im Behandlungsverlauf dokumentiert werden. Unwirksame Therapien sollten nicht fortgesetzt werden. Pharmakologisch sind Antidementiva als Basistherapie zu prüfen. Im Übrigen haben nicht-anticholinerge Substanzen und atypische Neuroleptika (v. a. Risperidon, Aripiprazol, Olanzapin) eine begrenzte Wirksamkeit. Präparate mit wenig Interaktionen und kurzer Halbwertszeit sind zu bevorzugen. Seitens der nichtpharmakologischen Maßnahmen unterscheidet man Übungs- von sinnesorientierten Verfahren, sowie Validation, Musiktherapie und die Umgebungsgestaltung, die jedoch bis heute schlecht untersucht sind.


Author(s):  
Vitali Livak ◽  
Michael Ehemann ◽  
Magdalena Pilz-Gerhardinger ◽  
Petra Werner ◽  
Leonhard Epoupa ◽  
...  

Einführung: Seit Ende 2011 ist die Zahl der Aufnahmen von Patienten mit psychotischer Symptomatik nach Konsum von synthetischen Cathinonen in unserer Suchtabteilung auf 2 – 3 Fälle pro Woche angestiegen (ca. 3 % aller Aufnahmen). Fallberichte: Wir berichten über sieben dieser Fälle, die in den letzten acht Monaten behandelt wurden. Die Patienten zeigten psychotische Symptomatik mit Wahn, Denkstörungen und optischen, sowie akustischen Halluzinationen. Einige waren agitiert, desorientiert, hilflos oder litten an oralen Dyskinesien. Die Therapien waren supportiv und beinhalteten typische und atypische Neuroleptika, Benzodiazepine und Clonidin. Die psychotische Symptomatik remittierte in fünf der sieben Fälle, zwei Patienten wurden nach einigen Behandlungstagen mit noch anklingender psychotischer Symptomatik entlassen. Diskussion: Das Psychosepotential der Cathinone sollte als hoch betrachtet werden. Die Droge wirkt entaktogen und hat ein hohes Suchtpotential. Aufgrund der weiten Verbreitung im Internet und der steigenden Popularität auch für Patienten ohne Erfahrungen mit illegalen Drogen, ebenso wie die unzureichende Labordiagnostik stellen synthetische Cathinone ein erhebliches diagnostisches und therapeutisches Problem für spezialisierte Suchtstationen, ebenso wie ambulante Einrichtungen dar. Schlussfolgerungen: Die wachsende Fallzahl und die alarmierenden Auswirkungen, verursacht durch den Konsum dieser Substanzen, zeigen, dass weitere Forschungsarbeit notwendig ist, um diese neue Droge und ihre Wirkungen auf den menschlichen Körper besser zu verstehen und um synthetische Cathinone in Routine-Drogentests untersuchen und neue Behandlungsleitlinien entwickeln zu können.


2006 ◽  
Vol 25 (12) ◽  
pp. 1046-1056
Author(s):  
A. O. Ceballos-Baumann

ZusammenfassungDas Erkennen von Demenz bei Parkinson-Syndromen bzw. von einem Parkinson-Syndrom bei einer dementiellen Entwicklung ist hilfreich, um durch die Wahl geeigneter und Meidung ungeeigneter Pharmaka folgende häufige iatrogene Probleme zu reduzieren: 1. Delire und Psychosen durch Antiparkinsonika und 2. motorische und kognitive Verschlechterung durch typische und auch atypische Neuroleptika. Bei neu aufgetretener dementieller Symptomatik bei Parkinson-Syndrom müssen zunächst auslösende Ursachen ausgeschlossen werden: Dehydrierung, Medikamente, Harnwegsinfekte und Pneumonien, metabolische Störungen, Herzinsuffizienz und Anämien. Abrupte Entzüge von Medikamenten wie Amantadin und Anticholinergika sind zu vermeiden. Studienergebnisse sprechen für eine wichtige Rolle von Cholinesterasehemmer bei Lewy-Körper-Demenz (LKD) und idiopathischem Parkinson-Syndrom (IPS) mit Demenz. Clozapin und Quetiapin (nicht zugelassen) sind als delirogene Pharmaka ungeeignet bei Demenz und sollten der typischen dopaminergen Psychose bei IPS vorbehalten bleiben.


2006 ◽  
Vol 25 (11) ◽  
pp. 941-950
Author(s):  
A. O. Ceballos-Baumann

ZusammenfassungEine Demenz betrifft mehr als 10% der über 75-Jährigen. Kombinationen verschiedener Parkinson-Symptome wie Gangstörung, Bradykinese, Tremor und Rigor weisen mehr als 20% aller über 75-Jährigen auf. 75% der Patienten mit einem idiopathischem Parkinson-Syndrom (IPS) entwickeln 8 Jahre nach Diagnosestellung eine Demenz. Zu einer Demenz bei Parkinson-Syndromen kommt es früh im Verlauf bei der Lewy-Körper-Demenz (LKD) und spät beim IPS, bei der progressiven supranuklären Blickparese (PSP), bei der kortikobasalen Degeneration (CBD), seltener bei den frontotemporalen Demenzen. Bei der PSP, dem vaskulären Parkinson Syndrom/der vaskulären Demenz im Rahmen einer subkortikalen vaskulären Enzephalopathie (SVE) und dem Normaldruckhydrozephalus (NPH) dominiert als Parkinson-Symptom eine Gangund Standunsicherheit (Parkinson-Syndrom der unteren Körperhälfte). Das Erkennen einer Demenz bei einem Parkinson-Syndrom sollte es erlauben, das Auftreten von Verwirrtheit und Psychosen durch Antiparkinsonika zu reduzieren (Patienten mit Demenz reagieren besonders schnell mit Verwirrtheit und Halluzinose auf bestimmte Parkinson-Medikamente). Das Erkennen von Parkinson-Symptomen bei einer dementiellen Entwicklung sollte wiederum helfen, die Inzidenz von motorischer und kognitiver Verschlechterung durch Neuroleptika zu reduzieren (Patienten mit Parkinson-Syndromen reagieren besonders empfindlich nicht nur auf typische, sondern auch auf atypische Neuroleptika). Die vorliegende Übersicht erläutert im ersten Teil die Klinik dieser überlappenden Syndrome und diskutiert in einem zweiten Teil die Therapie.


2010 ◽  
Vol 67 (2) ◽  
pp. 75-78 ◽  
Author(s):  
Christoph S. Burkhart ◽  
Dagmar Birkner-Binder ◽  
Luzius A. Steiner

Die Prävalenz des Delirs bei Patienten auf der Intensivstation wird mit 20 – 80 % angegeben. Ein Delirium auf der Intensivstation ist äußerst belastend für die betroffenen Patienten und ihre Angehörigen und eine Herausforderung für die betreuenden Pflegenden und Ärzte. Das Delir auf der Intensivstation ist aber auch mit einer höheren Komplikationsrate, längerer Hospitalisation, höheren Kosten, protrahierten kognitiven Beeinträchtigungen und einer höheren Mortalität assoziiert. Dies zeigt, wie wichtig eine gezielte Prävention, das frühzeitige Erkennen und eine angemessene Therapie wären. Verschiedenste Risikofaktoren für die Entwicklung eines Deliriums bei kritisch kranken Patienten sind bekannt, wobei allerdings die wenigsten beeinflussbar sind. Die Pathophysiologie des Deliriums ist weitgehend unklar, vermutlich sind mehrere Mechanismen an der Entstehung beteiligt. Die Diagnose eines Delirs auf der Intensivstation kann insbesondere bei sedierten und intubierten Patienten sehr schwierig sein. Deshalb wurden spezielle diagnostische Instrumente entwickelt, welche an die Besonderheiten dieser Patienten angepasst sind. Für die Therapie des Deliriums auf der Intensivstation stehen neben supportiven Maßnahmen typische und atypische Neuroleptika zur Verfügung.


Author(s):  
Claudia Mehler-Wex ◽  
Silke Rothenhöfer ◽  
Andreas Warnke

Zusammenfassung: Fragestellung: Wegen ihres besonderen Rezeptorbindungsprofils beeinflussen atypische Neuroleptika neben Produktiv- auch Minussymptome günstig. Insbesondere die Affinität zum serotonergen System legt eine Wirksamkeit auch bei zwanghaften, ängstlichen oder depressiven Symptomen nahe. Im Weiteren soll der aktuelle Stand der klinischen Erfahrungen sowie die derzeitige Studienlage zu atypischen Neuroleptika und deren Einsatz bei verschiedenen Indikationen außerhalb der Schizophrenie in der Kinder- und Jugendpsychiatrie referiert werden. Methodik: Die bisherige Studienlage wurde für die Jahre 1988 bis 2004 mittels PubMed und CurrentContents ermittelt. Ergebnisse: Anwendungsbereiche für atypische Neuroleptika sind neben Erkrankungen aus dem schizophrenen Formenkreis Ticstörungen, manische und bipolare Störungen, Impulskontrollstörungen, (Auto-)Aggressivität sowie Anorexia nervosa. Problematisch sind die lückenhafte Studienlage für das Kindes- und Jugendalter mit Fehlen von Placebo-kontrollierten Doppelblindstudien bzw. offenen Studien an größeren Populationen sowie die Off-label-Anwendung. Schlussfolgerungen: Atypische Neuroleptika sind aufgrund ihrer relativ guten Verträglichkeit Teil des Therapiestandards in der Kinder- und Jugendpsychiatrie geworden. Sie erweisen sich als wirksam bei Schizophrenien, Tics, Manien und bipolaren affektiven Störungen, Impulsivität, (Auto-)Aggressivität sowie therapieresistenten Essstörungen.


Author(s):  
B. Gallhofer ◽  
A. Meyer-Lindenberg ◽  
K. Broich ◽  
W. E. Müller ◽  
D. Naber ◽  
...  

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