Substanzbezogene Störungen im Jugend- und jungen Erwachsenenalter

Author(s):  
Rainer Thomasius ◽  
Nicolas Arnaud ◽  
Martin Holtmann ◽  
Falk Kiefer

Zusammenfassung. Das Jugendalter ist eine besonders kritische Lebensphase für die Entwicklung von Suchterkrankungen und komorbiden psychischen Störungen. Substanzbezogene Störungen gehören zu den am weitesten verbreiteten psychischen Störungen im Jugend- und jungen Erwachsenenalter und sind in dieser Gruppe mit steigender Tendenz der häufigste Anlass für eine Krankenhausbehandlung. Dennoch fehlt es an jugendspezifischen Versorgungseinrichtungen und Kapazitäten für die qualifizierte Entzugsbehandlung für Jugendliche. Einrichtungen der medizinischen Rehabilitation fehlen fast vollständig. Im Hinblick auf die Versorgung von Adoleszenten mit substanzbezogenen Störungen unter einer lebenszeitlichen Perspektive ist die Schnittstelle zwischen Kinder- und Jugendpsychiatrie, Erwachsenenpsychiatrie und Psychotherapie mit der somatischen und psychosomatischen Medizin und der Suchthilfe relevant, da es sich bei den Suchterkrankungen häufig um zur Chronifizierung neigende und langjährig andauernde Krankheitsprozesse mit einer hohen Transmissionsrate handelt. Notwendig sind vernetzte Versorgungsstrukturen für Adoleszente an den Schnittstellen von Kinder- und Jugend- zur Erwachsenenpsychiatrie, die dem Entwicklungsstand und den pädagogischen Entwicklungsanforderungen junger Menschen und dem vielfach aufgrund von psychischer Komorbidität bestehenden psychotherapeutischen Behandlungsbedarf Rechnung trägt. Minderjährige nehmen Hilfen meist nicht aus eigener Initiative in Anspruch. Eine Begleitung der Transition durch vernetzte Angebote bei eindeutiger Regelung von Kostenzuständigkeit ist erforderlich. Eine (eigene) medizinische Rehabilitation und deren modellhafte Erprobung stellt eine empfehlenswerte Erweiterung des Behandlungsangebotes für suchtkranke Jugendliche dar.

Author(s):  
Alexander Pabst ◽  
Daniela Piontek ◽  
Ludwig Kraus ◽  
Stefanie Müller

Ziel: Untersucht wurden Prävalenzen des Konsums sowie substanzbezogener Störungen von illegalen Drogen, Alkohol, Tabakwaren und Medikamenten. Methodik: Die Stichprobe des Epidemiologischen Suchtsurveys (ESA) 2009 umfasst 8.030 Personen im Alter zwischen 18 und 64 Jahren und wurde in einem zweistufigen Verfahren auf Grundlage der Einwohnermelderegister zufällig gezogen. Die Befragung erfolgte schriftlich, telefonisch bzw. über das Internet und erzielte eine Antwortrate von 50.1 %. Ergebnisse: In den letzten 12 Monaten haben 4.8 % der Befragten Cannabis, 0.8 % Kokain und 0.7 % Amphetamine konsumiert. Bezogen auf die letzten 30 Tage gaben 59.9 % einen risikoarmen und 16.5 % einen riskanten Alkoholkonsum an. Als aktuelle Raucher (30-Tage-Prävalenz) konnten 29.2 % der Befragten klassifiziert werden. Mit einer 12-Monats-Prävalenz von 61.6 % waren Schmerzmittel die am häufigsten eingenommenen Medikamente. Schätzungen zu substanzbezogenen Störungen ergaben für Cannabisabhängigkeit 1.2 % und für Nikotinabhängigkeit 6.3 %. Für problematischen Alkoholkonsum wurden 19.0 % und für problematischen Medikamentengebrauch 4.0 % ermittelt. Schlussfolgerungen: Die Ergebnisse belegen eine hohe gesundheitspolitische Bedeutung des Substanzkonsums in Deutschland. Um negative Konsequenzen des Konsumverhaltens zu vermeiden, sind eine effektive Versorgung behandlungsbedürftiger Personen sowie frühzeitige Präventionsbemühungen erforderlich.


2007 ◽  
Vol 55 (3) ◽  
pp. 167-175 ◽  
Author(s):  
Christiane Baldus ◽  
Franz Petermann ◽  
Rainer Stachow ◽  
Uwe Tiedjen

Zusammenfassung: Die vorliegende Studie untersucht chronisch kranke Jugendliche in der stationären medizinischen Rehabilitation hinsichtlich psychosozialer Auffälligkeiten und ihres Tabakkonsums. Dabei werden sowohl Vergleiche zwischen verschiedenen Krankheitsgruppen als auch zwischen chronisch kranken Jugendlichen und Repräsentativdaten gezogen. Insgesamt 179 chronisch kranke Jugendliche im Alter zwischen 13 und 19 Jahren wurden im Rahmen einer querschnittlichen Fragebogenuntersuchung hinsichtlich psychosozialer Auffälligkeiten und ihrer Gewohnheiten im Tabakkonsum befragt. Die statistischen Analysen zeigten geringere Auffälligkeiten der chronisch kranken Jugendlichen bei aggressiv-dissozialem Verhalten, Ärgerkontrollproblemen und Selbstwertproblemen. Verglichen mit Daten einer Repräsentativbefragung ergaben sich hinsichtlich des Tabakkonsums unter den chronisch kranken Jugendlichen jedoch deutlich stärkere Tabakkonsummuster. Wie in früheren Studien bei Jugendlichen allgemein zeigten chronisch kranke Jugendliche, die rauchen, vermehrte Probleme mit aggressiv-dissozialem Verhalten. Innerhalb der Gruppe der chronisch kranken Jugendlichen zeigte sich auf deskriptiver Ebene eine Tendenz für eine größere Konsumzurückhaltung unter Jugendlichen mit Neurodermitis. Die Bedeutung der Ergebnisse für die medizinische Rehabilitation wird diskutiert.


Phlebologie ◽  
2000 ◽  
Vol 29 (02) ◽  
pp. 27-32 ◽  
Author(s):  
K. Schlenzka

ZusammenfassungRehabilitation bedeutet Reintegration von Kranken, Geschädigten und Behinderten in die Familie, das Arbeitsleben und die Gesellschaft (WHO, 1980). Sie ist vorrangig auf die Folgeerscheinungen von Krankheiten ausgerichtet. Mit der International Classification of Impairments, Disabilities and Handicaps (ICIDH) lassen sich diese Folgeerscheinungen in den genannten Dimensionen (deutsch: Schädigungen, Fähigkeitsstörungen und Beeinträchtigungen) erfassen. Sie sind Grundlage einer zielgerichteten Rehabilitation. Wegen der erheblichen Prävalenz der chronischen venösen Insuffizienz (CVI) ist der Bedarf an medizinischer Rehabilitation sehr groß. Dabei ist die ICIDH auch für die CVI anwendbar, jedoch ergänzungsbedürftig. Im Mittelpunkt der Rehabilitation stehen die Aktivierung der Sprunggelenks-Wadenmuskel- Pumpe mit Maßnahmen der physikalischen Therapie (u. a. Pedalergometer, biomechanische Muskelstimulation) sowie die komplexe physikalische Entstauung. Auch Risikofaktoren wie Adipositas und Obstipation müssen beachtet werden, ebenso Beeinträchtigungen der sozialen Beziehungen. Einen essentiellen Bestandteil stellt die aktive Einbeziehung der Patienten (»Akzienten «) durch Gesundheitstraining dar. Die Rehabilitation bei CVI kann überwiegend ambulant durchgeführt werden, im fortgeschrittenen Stadium sollte sie initial stationär erfolgen. Wichtig sind ein komplexer Plan, Frühzeitigkeit und Kontinuität sowie Qualitätsstandards. Trotz des hohen Bedarfs werden die Möglichkeiten der medizinischen Rehabilitation noch zu wenig genutzt.


2008 ◽  
Vol 27 (04) ◽  
pp. 298-301
Author(s):  
M. Spranger

ZusammenfassungMedizinische Rehabilitation ist für Patienten mit Muskelerkrankungen wesentlicher Bestandteil der Langzeitbehandlung. Wie im Sozialgesetzbuch IX detailliert beschrieben, fokussiert moderne Rehabilitation auf die verbesserte Teilhabe, Selbstständigkeit und Integration und berücksichtigt neben den Krankheitsfolgen auch persönliche und Umweltfaktoren. Rehabilitation für Patienten mit Muskelerkrankungen muss daher immer komplex und multidisziplinär sein und neben medizinischen auch berufliche Aspekte berücksichtigen.


2019 ◽  
Vol 59 (01) ◽  
pp. 10-16
Author(s):  
Julia Dannenmaier ◽  
Lena Tepohl ◽  
Desiree Immel ◽  
Ulrich Hartschuh ◽  
Rainer Kaluscha ◽  
...  

Zusammenfassung Hintergrund Erwerbsminderungsrenten (EM-Renten) stellen einen Großteil der indirekten Krankheitskosten von chronischen Rückenschmerzen dar. Methodik Auf Basis von Sekundärdaten einer gesetzlichen Krankenkasse und der gesetzlichen Rentenversicherung wurde die Dauer bis zum Eintritt einer EM-Berentung bei Erwerbstätigen mit chronischen Rückenschmerzen untersucht. Dabei wurde neben soziodemografischen Faktoren und Behandlungsmerkmalen insbesondere der Effekt einer erfolgten Rehabilitation als potentielle Einflussfaktoren untersucht. Ergebnisse Bei Rehabilitanden begann die EM-Rente im Mittel 7,1 Monate später als bei Nicht-Rehabilitanden. Daraus resultieren 8 432,60 € höhere Beitragszahlungen zugunsten der gesetzlichen Krankenkasse (GKV) und der Deutschen Rentenversicherung (DRV) pro Rehabilitand. Bezogen auf die Gesamtzahl von 21 262 EM-Rentnern mit orthopädischer Indikation können dadurch 180,7 Mio. € eingespart werden. Der Zeitpunkt der EM-Berentung wurde vom Alter und vom Krankengeldbezug im vorherigen Monat signifikant beeinflusst. Einsparungen durch die Vermeidung des Eintritts in die EM-Rente wurden dabei in diesem Modell noch nicht berücksichtigt. Schlussfolgerung Rehabilitanden beziehen später EM-Renten, wodurch länger Beitragszahlungen an die GKV und DRV geleistet werden können. Dies deutet darauf hin, dass die medizinische Rehabilitation eine kosteneffektive und wirksame Maßnahme sein kann.


2007 ◽  
Vol 12 (02) ◽  
pp. 52-52

Stärker als Krankenhäuser müssen sich Reha-Kliniken anstrengen, um bei potenziellen Patienten Aufmerksamkeit zu erregen. Trotzdem sei das Bewusstsein für ein offensives Internet-Marketing noch unterentwickelt, meint Norbert Glahn. Er ist Vorstandschef der AHG Düsseldorf, die bundesweit mehr als 30 Reha-Einrichtungen betreibt, und Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Rehabilitation (Degemed).


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