Können psychisch kranke Minderjährige freiwillig in ihre Freiheitsentziehung einwilligen? Eine juristische Kontroverse und ihre Implikationen für den Klinikalltag

Author(s):  
Georg Romer ◽  
Renate Schepker
Keyword(s):  
2017 ◽  
Vol 74 (2) ◽  
pp. 45-50
Author(s):  
Diana Meier-Allmendinger

Zusammenfassung. Psychisch Kranke sind in verstärktem Masse gefährdet auch körperlich zu erkranken. Umgekehrt können Krankheiten mit lebensbedrohlichem Charakter zu psychischen Krisen und Erkrankungen führen. Im Akutspital werden körperliche und psychische Komorbiditäten und ihre möglichen Folgen auf Behandlungsverlauf und –entscheide häufig nicht diagnostiziert und angemessen behandelt. Auch im Bereich der Psychoonkologie und dem noch jungen Gebiet der Psychokardiologie stellt sich die Frage, ob alle Patientinnen und Patienten entsprechend erfasst und ihre Bedürfnisse nach psychologischer Unterstützung und Behandlung ausreichend erkannt sind. Eine besondere Herausforderung im klinischen Alltag und speziell auf der Intensivstation stellt die Einschätzung der Urteils- und Einwilligungsfähigkeit dar. Diese anspruchsvolle Aufgabe kann nicht im professionellen Alleingang erfolgen, sondern erfordert einen interdisziplinären Zugang. Es ist Aufgabe der Ethik für die Gewährleistung einer ausreichenden Diagnostik und angemessenen Behandlung psychisch Kranker im Akutspital einzustehen und die Interdisziplinarität – für psychisch Kranke häufig in der Person des Konsiliarpsychiaters – einzufordern. Für Behandlungsentscheide gelten aus juristischer und ethischer Sicht die Gleichbehandlung aller Patientinnen und Patienten und das Diskriminierungsverbot. Unabhängig von einer körperlichen oder psychischen Erkrankung bedarf jede therapeutische Massnahme der Zustimmung des Patienten. Orientierend am Prinzip der Selbstbestimmung ist es Rolle der Ethik für eine patientengerechte Entscheidungsfindung bei psychisch Kranken zu sensibilisieren. Behandlungsentscheide entstehen hier häufig als Ergebnis therapeutischer Prozesse, die zugleich die Befähigung zur Einwilligung anstreben und zeitintensiv sind. Situationen beeinträchtigter Urteils-und Entscheidungsfähigkeit und Erfahrungen der Abhängigkeit weisen auf die grundsätzliche Sorgebedürftigkeit des Menschen hin. Nur eingebettet in einer Kultur der Sorge als Grundlage ärztlichen und pflegerischen Handelns kann eine Haltung des Respekts gegenüber psychisch Kranken und ihrer (beeinträchtigten) Selbstbestimmung zum Tragen kommen. Als Ausdruck dieser Kultur ist zu wünschen, dass „die Sprache der Sorge“ wiedererlernt, eingeübt und dauerhaft angewendet wird.


Author(s):  
Leopold Hermle ◽  
Christiane Bessey ◽  
Nenad Vasic ◽  
Kay Uwe Petersen ◽  
Anil Batra
Keyword(s):  

Zusammenfassung. Ziel: Das Ziel dieser Studie war es, zu untersuchen, ob chronisch psychisch kranke Raucher an einer Tabakentwöhnung erfolgreich teilnehmen können. Methode: Bei allen 214 Heimbewohnern des Heims für psychisch Kranke in Göppingen (Christophsbad) wurde der Rauchstatus erhoben. Insgesamt waren 56,2 % (n = 120) der 214 Heimbewohner Raucher. 21 Patienten nahmen das Angebot einer verhaltenstherapeutischen Tabakentwöhnung in Kombination mit Vareniclin (n = 20) oder Nikotinersatz (n = 1) an. Erfolg der Intervention, Befindlichkeit und Nebenwirkungen sowie Kohlenmonoxidkonzentrationen in der Ausatemluft wurden bei 21 Probanden während der 26 Kurswochen der Tabakentwöhnung und des 3-monatigen Nachbeobachtungszeitraumes erfasst. Neben dem Raucherstatus und den Rauchercharakteristika wurden die Stärke der Nikotinabhängigkeit (FTND), die Motivation zur Abstinenz (Motivationsfragebogen), das Rauchverlangen (QSU-b), der Grad der Depressivität (BDI) und die Entzugssymptomatik (MNWS-revised) erhoben. Die Veränderung über die verschiedenen Untersuchungszeitpunkte (Baseline, Kurswoche (KW) 1, 5, 9, 13, 17, 21, 26, Katamnesewoche (Kat) 1, 3, 6, 9, 12) wurde mittels Varianzanalysen für Messwiederholung untersucht. Ergebnisse: Von den 21 Teilnehmern der Tabakentwöhnung waren 4 zum Ende der 3-monatigen Nachbefragung rauchfrei. Sie kamen bis dahin auf eine durchschnittliche rauchfreie Zeit von 6 Monaten. Weitere 4 Teilnehmer hatten eine abstinente Phase während des Studienverlaufs, konnten diese jedoch nicht bis zum Ende der Nachbefragung aufrechterhalten. Nur ein Proband war in der Lage, den Rauchstopp abrupt umzusetzen. Schlussfolgerung: Eine Tabakentwöhnung bei chronisch psychisch und somatisch erkrankten Heimbewohnern erscheint nach den vorliegenden Daten als durchführbar.


2007 ◽  
Vol 20 (2-3) ◽  
pp. 89-97
Author(s):  
Lutz Michael Drach ◽  
Brigitte Terner

Zusammenfassung: Ein Mangel an sozialen Aktivitäten ist ein wesentlicher Risikofaktor für psychische Erkrankungen im Alter, insbesondere für Depressionen. Ältere psychisch Kranke haben krankheitsbedingt häufig ihre sozialen Beziehungen stark eingeschränkt und erleben dies oft als schwere Beeinträchtigung. Außerdem hängt die Prognose der psychischen Erkrankung nach der Entlassung von der erfolgreichen Wiederaufnahme der sozialen Aktivitäten ab. Zwei Umfragen in den 60 gerontopsychiatrischen Tageskliniken in Deutschland ergaben, dass im überwiegenden Teil soziale Aktivierung fester Bestandteil des Therapieprogramms ist. Dabei zeigten sich aber erhebliche Unterschiede im Vorgehen. Die große Mehrheit der antwortenden Tageskliniken nutzte hierzu entweder ausschließlich offene Seniorenangebote am Wohnort des Patienten, oder in Kombination mit dem Besuch sozialpsychiatrischer Einrichtungen. Nur eine kleine Minderheit aktivierte ausschließlich in sozialpsychiatrischen Einrichtungen. Dabei begleitete der überwiegende Teil der Tageskliniken die Patienten entweder ständig oder mindestens initial. Dagegen praktizierten fünf überwiegend verhaltenstherapeutisch orientierte Tageskliniken schon von Anfang an eine Aktivierung ohne therapeutische Begleitung. Die möglichen Gründe für diese Varianz könnten in Unterschieden bei den Patienten, dem lokalen Angebot an Senioreneinrichtungen oder anderen örtlichen Besonderheiten liegen.


2019 ◽  
Vol 38 (07) ◽  
pp. 470-473 ◽  
Author(s):  
Peter Brieger ◽  
Susanne Menzel

ZUSAMMENFASSUNGArbeit hat auch bei psychisch erkrankten Menschen eine überwiegend salutogenetische Bedeutung – sie macht nicht krank, sondern gesund. Der Artikel stellt Veränderungen der Arbeitswelt durch den gesellschaftlichen Wandel dar, er diskutiert, welche Auswirkungen dies auf psychisch kranke Menschen haben kann und welche Ansatzpunkte es für eine diesbezüglich bessere Versorgung gibt.


ergopraxis ◽  
2020 ◽  
Vol 13 (10) ◽  
pp. 30-33
Author(s):  
Annika Müller
Keyword(s):  

Zwei Jahre lang leitete Annika Müller die Genussgruppe in einer Tagesstätte für chronisch psychisch kranke Menschen. Mit der Zeit wuchs ihr Frust über das Angebot, über die ständig gleichen Themen, die geringe Vorbereitungszeit, denselben Trott. Dann entschied sie sich, die Genussgruppe einer Qualitätsprüfung zu unterziehen.


2015 ◽  
Vol 34 (04) ◽  
pp. 268-270
Author(s):  
S. Hiller ◽  
M. Cramer
Keyword(s):  

ZusammenfassungIm Zeitraum von 2013 bis 2015 wird im Bezirk Oberbayern die Beschäftigung von Genesungsbegleitern (EX-IN’lern) in sechs ausgewählten Einrichtungen im Umfeld der Psychiatrie erprobt. Das Projekt wird von einer Begleitforschung mit sozialwissenschaftlichen Standardmethoden evaluiert, mit dem Ziel, Empfehlungen für eine Übernahme des Projekts in die Regelförderung zu formulieren. Die Genesungshelfer arbeiten 4 bis 8 Stunden in der Woche und werden z. B. als Vermittler zwischen Professionellen und Klienten eingesetzt. Sie haben vor ihrer Tätigkeit eine angemessene Ausbildung durchlaufen. Im Einklang mit den Befunden der Begleitforschung wird ab 2015 EX-IN in Bayern in die Regelförderung zur Finanzierung der sozialpsychiatrischen Dienste übernommen. Es ist zu erwarten, dass in einigen Bezirken Bayerns auch die Anstellung von EX-IN’lern in den Tagesstätten für psychisch Kranke ermöglicht wird.


2003 ◽  
Vol 22 (10) ◽  
pp. 514-519
Author(s):  
M. Ziegenbein ◽  
H. Haltenhof ◽  
P. Garlipp
Keyword(s):  

ZusammenfassungDer therapeutische Umgang mit den schizophrenen Patienten, die gewalttätige Delikte begehen, ist auf einer allgemeinpsychiatrischen Station häufig problematisch. Gemeint sind hier diejenigen Patienten, die im Vorfeld der Aufnahme z.B. eine Bedrohung ausgesprochen oder eine Körperverletzung begangen haben und sich im Rahmen der Landesgesetze für Psychisch Kranke in Behandlung befinden.Psychiater und Juristen bewegen sich im Umgang mit gewalttätigen Patienten vor dem Hintergrund der juristischen Rahmenbedingungen im Spannungsfeld zwischen Forensifizierung, d.h. die Gewalttätigkeit als Delikt und nicht vorrangig als Symptom im psychopathologischen und -dynamischen Zusammenhang zu sehen, und Neglect, d.h. die Gewalttätigkeit als Symptom und nicht vorrangig als Delikt zu werten.Die Schwierigkeit der Grenzziehung zwischen der Notwendigkeit einer allgemeinoder forensisch-psychiatrischen Therapie im Einzelfall ist ein Dilemma, das wir anhand einer Kasuistik und der Literatur diskutieren.


2013 ◽  
Vol 32 (08) ◽  
pp. 592-594
Author(s):  
K. Holtz ◽  
J. Tiefensee ◽  
T. Bresner ◽  
A. Kästner ◽  
A. Kopf ◽  
...  

ZusammenfassungMehr als die Hälfte älterer Langzeitarbeitsloser leidet unter einer psychischen Erkrankung, wobei nur eine Minderheit eine leitlinienkonforme Behandlung erhält. Dabei kann die psychische Erkrankung sowohl Folge, als auch Ursache für die Arbeitslosigkeit sein. In jedem Fall stellt die psychische Erkrankung eine Quelle unnötigen Leidens der Betroffenen und ein beseitigbares Vermittlungshemmnis dar. Die Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universität Leipzig bietet (gemeinsam mit dem Jobcenter) Langzeitarbeitslosen das “Psychosoziale Coaching” an, mit dem Ziel, diagnostische und therapeutische Defizite zu identifizieren und über Vermittlung in das Versorgungssystem abzubauen. Die modellhaft entwickelten Konzepte und Materialien haben sich bewährt und können von anderen Regionen in Deutschland übernommen werden.


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