Wie wirken sich akkulturative Prozesse auf Wahrnehmungen aus?
Zusammenfassung. Resultate zu kulturellen Unterschieden in Krankheitswahrnehmungen legen nahe, dass diese auch Unterschiede im hilfesuchenden Verhalten erklären könnten. Diese Studie untersuchte die Wahrnehmungen von schwerem Stress (Distress) und hilfesuchendem Verhalten bei 153 Einwanderern und 113 Nichteinwanderern in England. Ein signifikant größerer Anteil von Einwanderern berichtete, dass spirituelle Faktoren die Ursache ihres Stresserlebnisses wären. Signifikant weniger Einwanderer als Nichteinwanderer sahen ihr eigenes Verhalten als Ursache des Distress, beschrieben Verhaltensänderungen (z.B. Rauchen, Alkoholkonsum) als Konsequenzen und bewerteten informelle Behandlungsmethoden als hilfreich. Es wurde weiterhin untersucht, ob es Zusammenhänge zwischen den Wahrnehmungen und der Aufenthaltsdauer bei Einwanderern gab. Eine Korrelationsanalyse ergab, dass die Aufenthaltsdauer mit einzelnen Arten von Ursachenannahmen signifikant zusammenhingen (spirituelle Ursachenglaube, verhaltensbezogene Ursachen). Es zeigten sich auch Zusammenhänge mit dem Ausmaß an informellen und formellen Behandlungsmethoden. Zusammen mit der Aufenthaltsdauer und dem Vorliegen einer psychiatrischen Auffälligkeit konnten folgende Kategorien der Distress-Wahrnehmungen die Hälfte der Varianz in der Anzahl der bisher ausprobierten Behandlungsmethoden erklären: somatische Symptome, psychosoziale Ursachen und Verhaltensveränderungen als Konsequenzen. Implikationen für gesundheitpsychologische Theorien und Anwendungen werden diskutiert.