Prolongiertes Weaning

Pneumologie ◽  
2019 ◽  
Vol 73 (12) ◽  
pp. 723-814 ◽  
Author(s):  
B. Schönhofer ◽  
J. Geiseler ◽  
D. Dellweg ◽  
H. Fuchs ◽  
O. Moerer ◽  
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ZusammenfassungBeatmungstherapie stellt einen zentralen und wesentlichen Bestandteil der modernen Intensivmedizin dar. Sie kommt bei Patienten mit schwerer respiratorischer Insuffizienz infolge Versagens der muskulären Atempumpe oder bei direkter oder indirekter Schädigung des Lungenparenchyms mit nachfolgendem Oxygenierungsversagen zum Einsatz, wenn mit anderen nicht-medikamentösen Maßnahmen, Sauerstoffgabe, Sekretmobilisation, kontinuierlicher positiver Atemwegsdruck – Continuous Positive Airway Pressure (CPAP) oder Nasal-High-Flow-Therapie, keine ausreichende Stabilisierung erreicht werden kann.Die maschinelle Beatmung dient der direkten Behandlung der Atmungsinsuffizienz und schafft Zeit für die Behandlung der zugrundeliegenden Ursache. Der überwiegende Anteil beatmeter Patienten kann nach kurzzeitiger Beatmungstherapie und kausaler Behandlung unproblematisch von der Beatmung entwöhnt werden. Allerdings muss die Beatmung bei ca. 20 % der Patienten auch noch dann fortgesetzt werden, wenn die ursprüngliche Indikation (z. B. eine schwere Pneumonie) längst behoben ist, sodass sich die Phase des Weanings (Entwöhnung von der maschinellen Beatmung) deutlich verlängert. Ungefähr 40 – 50 % der gesamten Beatmungszeit eines Intensivpatienten entfallen aufgrund einer prolongierten Atmungsinsuffizienz auf den Prozess, den Patienten von der Beatmung zu trennen. Neben der respiratorischen Funktionsstörung tragen häufig hohes Alter und Komorbiditäten der Patienten zum prolongierten Weaning-Prozess bei.Nach internationalem Konsens liegt ein prolongiertes Weaning dann vor, wenn es erst nach 3 erfolglosen Spontanatmungsversuchen (spontaneous breathing trial = SBT) oder nach über 7 Tagen Beatmung nach dem ersten erfolglosen SBT gelingt, den Patienten von der Beatmung zu trennen.Das Patientenkollektiv mit prolongiertem Weaning stellt das behandelnde Team vor eine besondere Herausforderung. Ganz wesentlich für den Therapieerfolg ist die eng verzahnte interdisziplinäre Behandlung der Patienten im prolongierten Weaning. Nicht selten sind es der fehlende multidisziplinäre Ansatz und die unzureichende Beachtung der multifaktoriellen Ursachen, die ein erfolgreiches Weaning verhindern. Dieses erfolgreich durchzuführen, setzt eine hohe Expertise in der modernen Intensivmedizin, der Anwendung invasiver und nichtinvasiver Beatmungsverfahren, ein klares Weaning-Konzept, und eine enge, fachübergreifende interdisziplinäre Zusammenarbeit voraus.Im komplexen prolongierten Weaning-Prozess gelingt es in spezialisierten Weaning-Zentren/-Einheiten nach Verlegung der invasiv beatmeten Patienten in ca. 50 % der Fälle doch noch, ein Weaning-Versagen abzuwenden. Bei einem Teil der Patienten schlagen auch wiederholte Weaning-Versuche fehl, sodass gegebenenfalls eine dauerhafte invasive Beatmung in außerklinischer Umgebung erforderlich ist.Vor dem Hintergrund der wachsenden Bedeutung des prolongierten Weanings, insbesondere der medizinischen, psychosozialen und ökonomischen Folgen des Weaning-Versagens, wurde erstmals 2014 diese Leitlinie auf Initiative der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e. V. (DGP) gemeinsam mit anderen wissenschaftlichen Fachgesellschaften, die sich zum Thema prolongiertes Weaning engagieren, publiziert. Aktuelle Forschungs- und Studienergebnisse, Registerdaten und die Erfahrungen in der täglichen Praxis machten die Revision dieser Leitlinie erforderlich.In der revidierten Leitlinie werden Definitionen, Epidemiologie und Weaning-Kategorien, die zugrundeliegende Pathophysiologie, Strategien zur Prävenion von prolongiertem Weaning, das gesamte Spektrum der verfügbaren Therapiestrategien, die Weaning-Einheit, die Überleitung in eine außerklinische Beatmung und schließlich Empfehlungen zu Therapieentscheidungen am Ende des Lebens bei prolongiertem bzw. erfolglosem Weaning abgehandelt.Besondere Schwerpunkte in der Revision der Leitlinie sind folgende Themenfelder:– Eine neue Klassifikation der Untergruppen der Patienten im prolongieren Weaning– Wichtige Aspekte der pneumologischen Rehabilitation und Neurorehabilitation im prolongieren Weaning– Infrastruktur und Prozessorganisation in der Versorgung von Patienten im prolongierten Weaning im Sinne eines kontinuierlichen Behandlungskonzeptes– Therapiezieländerung und Kommunikation mit AngehörigenDie Besonderheiten bei pädiatrischen Patienten werden innerhalb der einzelnen Kapitel jeweils gesondert behandelt.Wichtige Adressaten dieser Leitlinie sind Intensivmediziner, Pneumologen, Anästhesisten, Internisten, Kardiologen, Chirurgen, Neurologen, Pädiater, Geriater, Palliativmediziner, Rehabilitationsmediziner, Pflegekräfte, Logopäden, Physiotherapeuten, Atmungstherapeuten, der medizinische Dienst der Krankenkassen und die Hersteller von Beatmungstechnik.Die wesentlichen Ziele der revidierten Leitlinie sind es, den aktuellen Wissensstand zum Thema „Prolongiertes Weaning“ wissenschaftlich zu bewerten und auf Basis der Evidenz und der Erfahrung von Experten Empfehlungen hinsichtlich des prolongierten Weanings nicht nur für den Bereich der Akutmedizin, sondern auch für den Bereich „Chronic critical care“ zu geben.

2018 ◽  
Vol 143 (11) ◽  
pp. 793-796 ◽  
Author(s):  
Bernd Schönhofer

Was ist neu? S2k-Leitlinie: Außerklinische Beatmung Eine außerklinische nicht invasive Beatmung (NIV) nach akuter respiratorischer Azidose bei zugrundeliegender COPD sollte erst dann begonnen werden, wenn die Hyperkapnie auch 2 – 4 Wochen nach dem akuten Ereignis noch persistiert. Bevor die invasive außerklinische Beatmung wegen Weaningversagen initiiert wird, soll das erfolglose Weaning von einem in Beatmung und Weaning erfahrenen Arzt – idealerweise aus einem Weaningzentrum – festgestellt oder mindestens konsiliarisch geprüft werden. Wird ein Patient ohne vorherige Betreuung in einem Beatmungszentrum in die invasive außerklinische Beatmung entlassen, sollte zeitnah (maximal nach 3 Monaten) ein Experte aus einem Beatmungszentrum hinzugezogen werden. Alternativ kann eine Überprüfung des Weaningpotenzials und der außerklinischen Versorgungssituation durch einen ermächtigten/niedergelassenen Arzt mit Beatmungsexpertise in Rücksprache mit einem solchen Zentrum erfolgen. S3-Leitlinie: Invasive Beatmung und Einsatz extrakorporaler Verfahren bei akuter respiratorischer Insuffizienz Wenn trotz konsequenter Anwendung der oben empfohlenen Maßnahmen eine Befundverschlechterung eintritt, wird empfohlen ein regionales ARDS/ECMO- Zentrum zu kontaktieren. Angehörige und Patienten sollten über Langzeitfolgen der invasiven Beatmung informiert werden. S2k-Leitlinie: Prolongiertes Weaning Zunehmende Bedeutung erhält darüber hinaus die umfassende Prozessorganisation in der Versorgung von Patienten im prolongierten Weaning unter besonderer Berücksichtigung der erforderlichen interdisziplinären Versorgungskette. Hierbei kommt den Weaningzentren, der neurologischen und pneumologischen Frührehabilitation, sowie der professionellen Überleitung der Patienten in eine außerklinische Beatmung ein hoher Stellenwert zu. S3-Leitlinie: NIV bei akuter respiratorischer Insuffizienz Bei hypoxämischer ARI sollte NIV allenfalls in einem milden Stadium des ARDS und bei ausgewählten Patienten ohne oder mit nur geringgradigen zusätzlichen Organversagen eingesetzt werden. Der Einsatz von NIV sollte spezialisierten Zentren mit großer Erfahrung im Einsatz der NIV vorbehalten bleiben und ausschließlich unter kontinuierlichem Monitoring und ständiger Intubationsbereitschaft erfolgen.


2019 ◽  
Vol 144 (11) ◽  
pp. 743-747 ◽  
Author(s):  
Wolfram Windisch ◽  
Jens Callegari ◽  
Christian Karagiannidis

Was ist neu? Entwicklung der außerklinischen Beatmung in Deutschland Die außerklinische Beatmung ist etablierter klinischer Standard in Deutschland. Insbesondere im Verlauf der letzten 10 Jahre ist es zu einer explosionsartigen Steigerung der Patientenzahlen mit außerklinischer Beatmung gekommen, die an ökonomische und ethische Grenzen stößt. Revision der Leitlinien Die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e. V. (DGP) hat 2017 ihre Leitlinien vollumfänglich revidiert und thematisch ergänzt. Die Leitlinien beinhalten alle wesentlichen Aspekte zur berufspolitischen Organisation und Durchführung einer außerklinischen Beatmung und fassen zudem die aktuelle wissenschaftliche Datenlage zusammen. Neue Evidenz für die nicht-invasive Beatmung (NIV) bei COPD Aktuelle Daten weisen nach, dass die Prognose von COPD-Patienten durch eine NIV verbessert werden kann. Dies betrifft sowohl Patienten mit chronischer Hyperkapnie als auch solche mit persistierender Hyperkapnie nach Exazerbation in der Klinik.


Pneumologie ◽  
2019 ◽  
Vol 73 (02) ◽  
pp. 74-80 ◽  
Author(s):  
B. Schönhofer

ZusammenfassungDie invasive Beatmung mit dem endotrachealen Tubus als Beatmungszugang ist Therapie der Wahl der akuten respiratorischen Insuffizienz. Multifaktoriell bedingt steigt die Zahl der Patienten, die länger dauernd vom Beatmungsgerät abhängig sind. Die prolongierte Entwöhnung von der mechanischen Beatmung (engl. „Weaning“ oder „Liberation“) hat daher eine zunehmende Bedeutung.Seit den 90er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts wurden in pneumologischen Kliniken Weaningeinheiten etabliert. Mit dem Ziel, in diesen Weaningzentren eine möglichst hohe Behandlungsqualität zu erreichen, wurde im Jahr 2007 innerhalb der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) das Netzwerk „WeanNet“ gegründet. Die Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität der Weaningzentren wird im Rahmen eines Zertifizierungsverfahrens überprüft. Bis zum Stand Oktober 2018 wurden 53 Weaningzentren zertifiziert.Wichtige Aussagen und Empfehlungen zu Behandlungsstrategien im prolongierten Weaning wurden im Jahr 2014 in der S2k-Leitlinie „Prolongiertes Weaning“ unter Federführung der DGP erstellt.Erstmals wurden 2016 von der WeanNet-Study Group Daten zum Outcome von 6899 Patienten mit prolongiertem Weaning aus dem WeanNet-Register veröffentlicht. Die Mehrzahl der Patienten (62 %) konnte erfolgreich vom Respirator entwöhnt werden. Eine nicht invasive Beatmung nach prolongiertem Weaning war in ca. 19 % der Patienten aufgrund einer chronisch ventilatorischen Insuffizienz erforderlich.Wegen zunehmender Patientenzahl und damit verbundenen Herausforderungen im Bereich der intra- und extrahospitalen Beatmungsmedizin steht „WeanNet“ dem Gesundheitswesen als zukunftsorientierter Gesprächspartner zur Verfügung.


2019 ◽  
Vol 24 (10) ◽  
pp. 14-14
Author(s):  
Alexandra Heeser

Das Bundessozialgericht (BSG) hat in zwei Fällen entschieden: Die nicht-invasive Beatmung von Frühgeborenen mittels HFNC-Therapie darf nicht – wie die maschinelle Beatmung – abgerechnet werden. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) kritisiert diese Entscheidung scharf.


Pneumologie ◽  
2017 ◽  
Vol 71 (11) ◽  
pp. 722-795 ◽  
Author(s):  
W. Windisch ◽  
M. Dreher ◽  
J. Geiseler ◽  
K. Siemon ◽  
J. Brambring ◽  
...  

ZusammenfassungDie außerklinische Beatmung über einen invasiven oder nichtinvasiven Beatmungszugang ist mittlerweile etablierter Standard. Entsprechend wurde bereits im Jahr 2010 unter der Federführung der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e. V. (DGP) die Leitlinie „Nichtinvasive und invasive Beatmung als Therapie der chronischen respiratorischen Insuffizienz“ publiziert. Die stetige Weiterentwicklung der technischen Methoden, neue wissenschaftliche Erkenntnisse sowie neue versorgungsrelevante Entwicklungen machen jedoch eine umfangreiche Revision der Leitlinie notwendig.Entsprechend wurde nun die revidierte Fassung der Leitlinie publiziert. Dabei finden sich in Bezug auf die aktuelle Literatur sowie auf die Versorgungslandschaft in Deutschland überarbeitete Empfehlungen zu den bereits in der Erstversion der Leitlinie aufgenommenen Themenbereichen der technischen Aspekte, der Organisationsstrukturen in Deutschland, der Qualifikationskriterien für die Versorgung außerklinisch beatmeter Patienten, für die einzelnen Krankheitsentitäten inklusive der Besonderheiten in der Pädiatrie sowie der ethischen Aspekte und der Palliativmedizin. Neu hinzugenommen sind zusätzlich die Themen der außerklinischen Beatmung nach erfolglosem prolongierten Weaning sowie die außerklinische Beatmung bei Querschnittlähmung.Neu ist auch die Zusammensetzung der beteiligten Fachgesellschaften, Fachverbände und Vereinigungen. Dabei werden die einzelnen Krankheitsbilder und Organsysteme übergreifend auch über die Deutsche Interdisziplinäre Gesellschaft für Außerklinische Beatmung e. V. (DIGAB) vertreten, während zusätzlich die Einbindung von Verbänden wichtig war, die direkt mit der Versorgung beatmeter Patienten im außerklinischen Setting konfrontiert sind. Zusätzlich wurde die Einbindung der Kostenträgerseite und der Patientenverbände für wichtig erachtet.Diese Leitlinie hat eine Gültigkeit von drei Jahren, beginnend mit dem Datum der Veröffentlichung auf der Homepage der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e. V. (AWMF) Anfang Juli 2017. Ziel ist eine weitere zeitgerechte Überarbeitung der Leitlinie nach Fristablauf.


2014 ◽  
Vol 24 (2) ◽  
pp. 48-58 ◽  
Author(s):  
Lakshmi Kollara ◽  
Graham Schenck ◽  
Jamie Perry

Studies have investigated the applications of Continuous Positive Airway Pressure (CPAP) therapy in the treatment of hypernasality due to velopharyngeal dysfunction (VPD; Cahill et al., 2004; Kuehn, 1991; Kuehn, Moon, & Folkins, 1993; Kuehn et al., 2002). The purpose of this study was to examine the effectiveness of CPAP therapy to reduce hypernasality in a female subject, post-traumatic brain injury (TBI) and pharyngeal flap, who presented with signs of VPD including persistent hypernasality. Improvements in mean velopharyngeal orifice size, subjective perception of hypernasality, and overall intelligibility were observed from the baseline to 8-week post-treatment assessment intervals. Additional long-term assessments completed at 2, 3, and 4 months post-treatment indicated decreases in immediate post-treatment improvements. Results from the present study suggest that CPAP is a safe, non-invasive, and relatively conservative treatment method for reduction of hypernasality in selected patients with TBI. More stringent long-term follow up may indicate the need for repeated CPAP treatment to maintain results.


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