ZusammenfassungDie Rolle der Mikroglia innerhalb der Pathophysiologie der Alzheimer-Demenz wurde deutlich unterschätzt. Das wird durch zahlreiche In-vitro- und In-vivo-Befunde belegt. Maßgebliche neue Impulse hat dieses Forschungsfeld besonders von neueren methodischen Entwicklungen, wie der Multiphoton- in-vivo-Bildgebung und Fortschritten in neuronal-mikroglialen Modellen der Cokultur erhalten. Gleichzeitig zeichnet sich ab, dass die Mikroglia eher entscheidend die Dynamik der Krankheitsprogression steuert, als dass sie primär ätiopathogenetische Bedeutung hat. Dabei zeichnet sich zunehmend ab, dass der komplexe Beitrag der Mikroglia eher einer umgekehrten U-Funktion entspricht, wie bereits für Zytokine gut belegt: Unterfunktion mit reduzierter „Clearance” von aggregierten beta-Amyloidpeptiden und verminderter Synthese neurotropher Faktoren könnte vergleichbar schädlich sein wie Überstimulation mit erhöhter Freisetzung pro-inflammatorischer Zytokine, endoplasmatischer Stressfaktoren und reaktiver Sauerstoffradikale. Mit Blick auf potenzielle therapeutische Ansatzpunkte erscheint die pharmakologische Modulation mikroglialer Rezeptoren, wie FcgammaRIIb, Scara-1, CD33, CD36, RAGE, BECLIN- 1 und TREM2, sowie der NLRP-3-abhängigen inflammatorischen Signalkaskade besonders erfolgversprechend. In diesem Zusammenhang zeichnen sich auch attraktive Kombinationstherapien ab, einerseits in der Modulation synergistisch wirkender mikroglialer Rezeptoren, andererseits in der Kombination mit den bisher eher enttäuschenden beta-Amyloid- Immunisierungsstrategien. Im Zusammenhang mit Befunden zur altersabhängig eingeschränkten protektiven Funktion residenter Mikroglia bei AD (microglial senescence) wird auch der Einsatz von Strategien der Knochenmarktransplantation mit Invasion knochenmarkstämmiger Mikrogliazellen (BMDM, bone marrow-derived microglia) in das ZNS diskutiert. Diese Therapieansätze sind zurzeit voraussichtlich therapeutisch weniger gut steuerbar und bei Alzheimerdemenz deutlich weiter von ersten klinischen Studien entfernt.