scholarly journals Inanspruchnahme und wahrgenommene Barrieren des Gesundheitswesens bei Menschen mit Behinderung in Deutschland: Ergebnisse des GEDA 2014/2015-EHIS-Survey

2020 ◽  
Vol 15 (4) ◽  
pp. 332-339
Author(s):  
Lorena Denise Wetzel ◽  
Katharina Rathmann

Zusammenfassung Hintergrund Menschen mit Behinderung sind in der gesundheitlichen Versorgung benachteiligt. Eine bedarfsgerechte Gesundheitsversorgung verlangt einen gleichberechtigten Zugang zum Gesundheitswesen ohne Barrieren. Erstmals werden Inanspruchnahme und wahrgenommene Barrieren des Gesundheitswesens bei Menschen mit und ohne Behinderung, differenziert nach dem Grad der Behinderung (GdB) mittels repräsentativer Daten für Deutschland ausgewertet. Fragestellung Gibt es Unterschiede in der Inanspruchnahme und den wahrgenommenen Barrieren des Gesundheitswesens von Menschen mit im Vergleich zu Menschen ohne Behinderung? Material und Methode Datenbasis bildet der Survey „Gesundheit in Deutschland Aktuell 2014/2015“. Die Stichprobe umfasst 23.481 Personen mit und ohne Behinderung, wovon 1295 Personen (5,5 %) einen GdB <50 und 2395 Personen (10,2 %) einen GdB ≥50 aufweisen. Uni-, bi- und multivariate Analysen wurden für die abhängigen Variablen Besuch von Haus- und Fachärzt*innen, ambulante und stationäre Krankenhausaufenthalte und wahrgenommene Barrieren (u. a. Wartezeit auf einen Termin, Entfernung, Nicht-Bezahlbarkeit von Untersuchungen) vorgenommen. Ergebnisse Menschen mit Behinderung haben höhere Chancen für eine Inanspruchnahme des Gesundheitswesens als Menschen ohne Behinderung. Dabei zeigt sich ein behinderungsspezifischer Gradient nach dem GdB. Menschen mit Behinderung nehmen außerdem häufiger Barrieren im Gesundheitswesen wahr als Menschen ohne Behinderung z. B. für Untersuchungsverzögerungen aufgrund einer weiten Entfernung und weil sie sich ärztliche Untersuchungen nicht leisten können. Schlussfolgerungen Die Ergebnisse verdeutlichen den in der Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen geforderten Abbau von Barrieren im Gesundheitswesen für Menschen mit Behinderung. Studien sind aufgefordert zielgruppenadäquate Bedarfe und Barrieren in der Gesundheitsversorgung, differenziert nach dem GdB, zu erfassen.

2020 ◽  
Vol 59 (04) ◽  
pp. 223-230
Author(s):  
Katharina Rathmann ◽  
Cosima Nellen ◽  
Lorena Denise Wetzel

Zusammenfassung Ziel der Studie Menschen mit Behinderung zählen zu einer vulnerablen Bevölkerungsgruppe, insbesondere hinsichtlich ihrer ökonomischen und gesundheitlichen Ausgangslage. In der sozialepidemiologischen Forschungslandschaft sind kaum Auswertungen zur psychischen Gesundheit und zum Gesundheitsbewusstsein bei Menschen mit Behinderung mittels repräsentativer Daten vorhanden, insbesondere nicht differenziert nach ihrem Behinderungsgrad (GdB). Ziel des Beitrags ist daher, zu untersuchen 1) wie die psychische Gesundheit und das Gesundheitsbewusstsein von Menschen mit Behinderung, differenziert nach dem GdB, im Vergleich zu Menschen ohne Behinderung eingeschätzt werden. Zudem stellt der Beitrag 2) Unterschiede in den genannten Zielgrößen, differenziert nach dem GdB, dar. Methodik Datenbasis bildet die repräsentative Studie „Gesundheit in Deutschland Aktuell (GEDA) 2012“ (N=19.294). Als Zielgrößen wurden die selbstberichtete Gesundheit, das Gesundheitsbewusstsein, das Vorliegen einer Depression bzw. depressiven Verstimmung, das seelische Unwohlsein, die Vitalität sowie das psychische Wohlbefinden analysiert. Als Expositionsvariable wurde die anerkannte Behinderung (GdB≥50 vs. GdB<50 vs. keine Behinderung) herangezogen. Es wurden uni- und bivariate Analysen anhand von kreuztabellarischen Analysen sowie multivariate Analysen mittels binär-logistischer Regression, kontrolliert für soziodemografische und -ökonomische sowie gesundheitsbezogene Merkmale, durchgeführt. Ergebnisse Menschen mit Behinderung schätzen ihre psychische Gesundheit häufiger schlecht ein als Menschen ohne Behinderung. In den bi- und multivariaten Analysen zeigt sich ein behinderungsspezifischer Gradient nach dem GdB für alle Zielgrößen (p<0,001). Menschen mit Behinderung weisen eine signifikant höhere Chance für schlechtere Ausprägungen aller untersuchten Aspekte der psychischen Gesundheit auf im Vergleich zu Menschen ohne Behinderung. Menschen mit Schwerbehinderung (GdB≥50) haben eine mehr als 4,6-fach erhöhte Chance für eine schlechte selbstberichtete Gesundheit und eine 2,5-fache Chance für eine Depression bzw. depressive Verstimmung im Vergleich zu Menschen ohne Behinderung. Ein hohes Gesundheitsbewusstsein war häufiger bei Menschen mit Behinderung vertreten als bei Menschen ohne Behinderung. Schlussfolgerung Der Beitrag verdeutlicht, dass Menschen mit Behinderung hinsichtlich der berichteten psychischen Gesundheitsindikatoren häufiger belastet sind als Menschen ohne Behinderung und ein deutlich erhöhtes Risiko für eine schlechte psychische Gesundheit aufweisen als Menschen ohne Behinderung. Zielgerichtete Maßnahmen sind erforderlich, die insbesondere die Zielgruppe der Menschen mit Behinderung adressieren. Der Zugang zu Gesundheitsdiensten und -programmen, Hilfstechnologien und Unterstützungsdiensten sollte künftig gestärkt sowie das Thema Gesundheit von Menschen mit Behinderung zum Gegenstand der Forschung und Gesundheitsförderung im Sinne des WHO Action Plans zu „Better health for all people with disability” (2014–2021) gemacht werden.


Author(s):  
Anna Sidor ◽  
Consolata Thiel-Bonney ◽  
Elisabeth Kunz ◽  
Andreas Eickhorst ◽  
Manfred Cierpka

Fragestellung: Zusammenhänge zwischen persistierendem, exzessivem Schreien des Säuglings im fünften Lebensmonat und den prä- und perinatalen Belastungen sowie der postnatalen Befindlichkeit ihrer Mütter zu untersuchen. Methodik: Alle Daten wurden erhoben, als die Kinder im Durchschnitt 18.5 Wochen alt waren. Die Stichprobe von 300 Mutter-Kind-Dyaden war durch psychosoziale Risiken wie Armut, Mangel an sozialer Unterstützung, Minderjährigkeit der Mütter, Substanzmissbrauch oder psychische Störungen der Mutter belastet. Das exzessive Schreien wurde nach der Wessel-Regel erfasst, für die Erhebung von prä-, peri- und postnatalen Belastungen wurden Fragebögen vorgelegt. Ergebnisse: Multivariate Analysen zeigten ein erhöhtes Risiko für soziale Belastung in der Schwangerschaft (OR = 17.66) und für eine unerwünschte Schwangerschaft (OR = 13.77). Postnatal war das persistierende exzessive Schreien mit höheren Ausprägungen einer postpartalen depressiven Symptomatik der Mutter, mütterlicher Stressbelastung, Dysfunktionalität der Mutter-Kind-Interaktion, dem Wahrnehmen des Säuglings als «schwierig» sowie mit Schwierigkeiten bei der emotionalen Beziehungsaufnahme assoziiert. Schlussfolgerungen: Die Ergebnisse unterstreichen den Einfluss erhöhter pränataler Stressbelastung der Mütter und einer unerwünschten Schwangerschaft auf das persistierende exzessive Schreien der Säuglinge. Ein herabgesetztes Wohlbefinden der Mütter sowie ihre Schwierigkeiten bei der emotionalen Beziehungsaufnahme implizieren einen erhöhten Bedarf an Unterstützungsangeboten. Das Zusammenwirken von pränatalen und Beziehungsvariablen spielt eine Rolle für das Auftreten und die Aufrechterhaltung von frühen Regulationsproblemen.


2017 ◽  
Vol 79 (07) ◽  
pp. 526-527

Coenen M et al. [Recommendation for the collection and analysis of data on participation and disability from the perspective of the World Health Organization]. Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung Gesundheitsschutz 2016; 59: 1060–1067 Um eine gleichberechtigte Teilhabe an der Gesellschaft von Menschen mit Behinderung zu ermöglichen, werden zunächst Daten zu vorhandenen Einschränkungen gebraucht. Erst wenn diese detailliert erhoben wurden, können Konzepte zur Beseitigung von Problemen entwickelt werden. Ein standardisiertes Erhebungsinstrument für alle Aspekte der Funktionsfähigkeit fehlte jedoch bisher.


2016 ◽  
Vol 9 (03/2016) ◽  
pp. 38-42
Author(s):  
Sven-David Müller ◽  
Thomas P. Zahn ◽  
Anna C. Sindel

2020 ◽  
Vol 59 (04) ◽  
pp. 197-197

Die „European Association of Service Providers for Persons with Disabilities“ (EASPD) hat ihren ersten „Snapshot Report“ über die Auswirkungen von COVID-19 im April 2020 auf soziale Dienste für Menschen mit Behinderung in Europa veröffentlicht. Die Momentaufnahme nennt die wichtigsten Herausforderungen, mit denen die Leistungserbringer in diesem Zeitraum konfrontiert waren, und bietet einen Überblick über die Verfügbarkeit von Unterstützungsdiensten zu der Zeit. Sie beruht auf Erkenntnissen, die von 47 Mitgliedsorganisationen und Partnern aus 23 europäischen Ländern gesammelt wurden.


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