Herzfrequenzvariabilität – Stand der Forschung und klinische Anwendbarkeit
Zusammenfassung. Die Messung der Herzfrequenzvariabilität (HRV) erlaubt Rückschlüsse auf die Aktivität des autonomen Nervensystems (ANS). Eine autonome Dysbalance (AD) findet sich als gemeinsame Komponente zahlreicher Erkrankungen. Vielfach geht diese einer Erkrankung voraus und korreliert mit dem Therapieansprechen. Sie hat damit neben dem pathologischen auch einen prädiktiven Wert. Daneben stellt die Herzfrequenzvariabilität (HRV) in Ruhe ein psychophysiologisches Phänomen mit breiter Aussagekraft dar. Psychisches Erleben wirkt sich über das ANS auf die physiologische Homöostase, einschliesslich Immunprozesse, aus, was psychosomatische Effekte biologisch untermauert und durch HRV messbar macht. Das autonome Nervensystem (ANS) als Schnittstelle dieser psychophysiologischen Regulation gewinnt durch die HRV-Forschung zunehmend Bedeutung und ermöglicht ein besseres Verständnis der Zusammenhänge zwischen Psyche, Lebensstil, autonomer Regulation und chronischen körperlichen Erkrankungen. Sie bedingt eine systemische, Organ-übergreifende Sichtweise sowie eine Orientierung an langfristigen Prozessen. Die Beurteilung und Normalisierung der AD stellt dadurch eine neuartige therapeutische Strategie dar, von der sich zahlreiche Interventionen und Lebensstilmodifikationen ableiten lassen. So erhalten Interventionen, die den Vagotonus stärken (aerobes bzw. moderates körperliches Training, Relaxationstechniken, Vagusstimulation etc.), eine zunehmende Bedeutung. Gegenüber der einfachen nicht-invasiven Messung und Beliebtheit als Forschungsinstrument steht die Komplexität der Interpretation und die zurückhaltende Umsetzung in der klinischen Praxis. Nichtsdestotrotz existieren Guidelines und Normwert-Sammlungen, derer sich der Anwender bedienen kann.