Aktuelles zu den häufigen Schwindelsyndromen: Diagnostik und Therapie

Author(s):  
Andreas Zwergal ◽  
Marianne Dieterich

ZusammenfassungDie 8 häufigsten Schwindelsyndrome liegen über 70% aller Schwindelpräsentationen zugrunde. Bei den akuten (meist einzeitigen) Schwindelsyndromen sind die akute unilaterale Vestibulopathie und der vestibuläre Schlaganfall von besonderer Bedeutung, bei den episodischen Schwindelerkrankungen der gutartige Lagerungsschwindel, der Morbus Menière und die vestibuläre Migräne und bei chronischem Schwindel die bilaterale Vestibulopathie/Presbyvestibulopathie, der funktionelle Schwindel und der zerebelläre Schwindel. In der letzten Dekade wurden für die häufigsten Schwindelsyndrome international konsentierte diagnostische Kriterien und Krankheitsbezeichnungen erarbeitet, die einfach im klinischen Alltag angewendet werden können. Die diagnostischen Leitlinien beruhen überwiegend auf einer gezielten Anamnese (Beginn, Dauer, Verlauf, Trigger, Begleitsymptome), klinischen Untersuchung und wenigen apparativen Verfahren zur Diagnosesicherung (vor allem mittels Videookulographie und Audiometrie). Die Therapie der häufigen Schwindelsyndrome basiert in der Regel auf einer Kombination aus physikalischen Verfahren (Lagerungsmanöver, multimodales Gleichgewichtstraining) und pharmakologischen Prinzipien (u.a. Kortikosteroide, Antiepileptika, Antidepressiva, Kaliumkanalblockern, plastizitätsfördernde Medikamente). Allerdings fehlt meist eine hochwertige Evidenz aus prospektiven und kontrollierten Studien. In der klinischen Praxis lassen sich die häufigen Schwindelsyndrome oft effektiv behandeln, sodass eine Chronifizierung oder sekundäre Komorbidität (durch Immobilität, Stürze oder psychiatrische Erkrankungen wie Angst oder Depression) vermieden werden kann.

2009 ◽  
Vol 28 (01/02) ◽  
pp. 13-17
Author(s):  
K. Jahn ◽  
D. Huppert ◽  
T. Brandt ◽  
M. Strupp ◽  
V. C. Zingler

ZusammenfassungDie bilaterale Vestibulopathie (BV) ist eine oft übersehene vestibuläre Erkrankung, die durch einen kompletten Ausfall oder ein inkomplettes Defizit beider Labyrinthe und/oder der Vestibularisnerven charakterisiert ist. Zur Bestätigung der Diagnose dient in erster Linie der Kopfimpulstest nach Halmagyi und das Elektronystagmogramm mit kalorischer Prüfung. Die Diagnostik sollte durch audiologische Untersuchungen, akustischund vestibulär evozierte myogene Potenziale und gegebenenfalls durch spezifische Laborund Liquoruntersuchungen ergänzt werden. Die drei häufigsten Ursachen der BV sind ototoxische Aminoglykoside, Morbus Menière und Meningitis/ Enzephalitis. Bei der Hälfte der Patienten bleibt die Ursache ungeklärt, idiopathische BV. Bei einem Viertel aller BV-Patienten besteht auch ein zerebelläres Syndrom. Bei etwa 30% dieser Subgruppe finden sich zusätzlich Zeichen einer peripheren Polyneuropathie. Diese Symptomtrias könnte für ein bislang nicht bekanntes neurodegeneratives Syndrom sprechen. Bei mehr als 80% der Patienten kommt es im Verlauf der Erkrankung zu keiner signifikanten Besserung der vestibulären Defizite. Daher sind präventive Maßnahmen, eine schnelle Diagnosestellung und Therapieeinleitung sowie intensive Physiotherapie mit Gangund Gleichgewichtstraining essenziell.


2011 ◽  
Vol 30 (09) ◽  
pp. 670-676 ◽  
Author(s):  
K. Hörmann ◽  
L. E. Walther

ZusammenfassungFür die Diagnostik der Rezeptorfunktion des peripher-vestibulären Systems stehen seitenspezifische Testverfahren zur Verfügung. Die Funktion der Bogengänge kann mit dem Kopfimpulstest (KIT) und mittels Video-KIT sowie anhand der thermischen Prüfung objektiviert werden. Zur seitenspezifischen, quantitativen Beurteilung der Funktion der Otolithenorgane setzen sich die vestibulär evozierten myogenen Potenziale (VEMP) durch. Die Einschätzung der Sakkulusfunktion erfolgt mit zervikalen (cVEMP), die Diagnostik des überwiegenden Utrikulusanteils mit okulären Ableitungen (oVEMP). Diese neuen diagnostischen Entwicklungen tragen wesentlich zur Differenzialdiagnostik peripher-vestibulären Störungen bei. So können mittels VEMP-Differenzierungen des Krankheitsbildes der Neuritis vestibularis erfolgen und die diagnostische Sicherheit beim Morbus Menière erhöht werden. VEMP sind pathognomonisch bei der Dehiszenz der oberen Bogengänge. Aus therapeutischer Sicht sind die langfristige, hochdosierte Betahistintherapie des Morbus Menière sowie die intratympanale Medikamentenapplikation bei Innenohrstörungen aktuell.


2018 ◽  
Vol 97 (01) ◽  
pp. 14-23
Author(s):  
K. Feil ◽  
N. Böttcher ◽  
O. Kremmyda ◽  
C. Muth ◽  
J. Teufel ◽  
...  

ZusammenfassungZur Pharmakotherapie von vestibulären Erkrankungen kommen im Wesentlichen folgende Wirkstoffgruppen zum Einsatz: Antivertiginosa, Antikonvulsiva, Antidepressiva, Antiphlogistika, Anti-Menière-wirksame Substanzen, Migräneprophylaktika, Aminopyridine (Kaliumkanalblocker) und Acetyl-DL-Leucin (eine modifizierte essenzielle Aminosäure). Die Behandlung des Symptoms Schwindel und der begleitenden vegetativen Beschwerden wie Übelkeit, Brechreiz oder Erbrechen sollte zeitlich stets begrenzt werden. Bei einem akuten einseitigen Vestibularisausfall verbessern Kortikosteroide die Erholung der peripher vestibulären Funktion, ohne ausreichende Evidenz für eine allgemeine Empfehlung.Für die Wirksamkeit von Betahistin (16 mg dreimal täglich oder 48 mg dreimal täglich) bei Morbus Menière gibt es bislang keine ausreichende Evidenz, ggf. sollten hierbei höhere Dosierungen angestrebt werden – insbesondere, da in tierexperimentellen Studien eine Verbesserung der Durchblutung des Innenohrs nachgewiesen wurde. Bei der Vestibularisparoxysmie sind Carbamazepin/Oxcarbazepin wahrscheinlich wirksam, es fehlen aber noch randomisierte kontrollierte Studien (RCTs) dazu. Bei der vestibulären Migräne gibt es bislang keine RCTs zur Wirksamkeit von Betablockern oder Topiramat, so dass hier aufgrund von klinischen Erfahrungen die Therapie in Analogie zur Migräne ohne Aura empfohlen wird.Aminopyridine werden für die Behandlung von Patienten mit Downbeat-Nystagmus (2 RCTs) und der episodischen Ataxie Typ 2 (EA2, 1 RCT) empfohlen. Die Wirksamkeit von Aminopyridinen wurde in tierexperimentellen und funktionellen Bildgebungsstudien evaluiert. Acetyl-DL-Leucin, eine modifizierte essenzielle Aminosäure, verbessert die klinischen Symptome der zerebellären Ataxie (bisher 3 Beobachtungsstudien). Nach tierexperimentellen Studien beschleunigt es auch die zentrale Kompensation vestibulärer Störungen; randomisierte klinische Studien dazu waren negativ. Derzeit werden die folgenden klinischen RCTs zu verschiedenen Erkrankungen durchgeführt: Vestibularisparoxysmie (Carbamazepin, VesPa), akute einseitige Vestibulopathie/Neuritis vestibularis (Betahistin, BETAVEST), vestibuläre Migräne (Metoprolol, PROVEMIG), BPPV (Vitamin D, VitD@BPPV), EA2 (Aminopyridin vs. Acetazolamid, EAT-2-TREAT) und zerebelläre Ataxien (Acetyl-DL-Leucin, ALCAT).


2009 ◽  
Vol 28 (01/02) ◽  
pp. 41-46 ◽  
Author(s):  
J. Wagner ◽  
K. Hüfner ◽  
T. Brandt ◽  
M. Strupp ◽  
H. Neugebauer

ZusammenfassungDie Vestibuläre Migräne (VM) ist die häufigste Ursache spontan auftretender rezidivierender Schwindelattacken. Die Diagnose ist oft schwierig, was vor allem an der vielgestaltigen Symptomatik (“a chameleon among the episodic vertigo syndromes”) und den bislang uneinheitlichen Diagnosekriterien liegt. Ferner ist die Differenzierung von anderen Schwindelerkrankungen, wie z. B. Morbus Meniére oder Vestibularisparoxysmie, aber auch von nicht vestibulären Schwindelbeschwerden oft schwierig. Wichtig sind die familiäre Migränebelastung, die variable Dauer der Attacken (meist Minuten bis Stunden) mit Gangunsicherheit und Verstärkung von Augenbewegungsstörungen, die auch im attackenfreien Intervall bei 60% der Patienten nachweisbar sind, sowie der fehlende Kopfschmerz in etwa 30%. Die VM kann erfolgreich prophylaktisch therapiert werden.


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