Zusammenfassung
Hintergrund
In der Routine steht man vor der Aufgabe, neurogene Störungen des unteren Harntraktes (NLUTD) bei Patienten mit Multipler Sklerose (MS) frühzeitig zu erkennen und adäquat zu therapieren. Verschiedene nationale Leitlinien geben dazu sehr unterschiedliche praktische Empfehlungen.
Ziel der Arbeit
Erarbeitung eines einfachen, studienbasierten Algorithmus zum Nachweis von NLUTD bei Patienten mit MS, aus dem sich therapeutische Konsequenzen ableiten lassen.
Material und Methode
Als direktes Ergebnis zweier multidisziplinärer Konferenzen wurde eine prospektive, multizentrische Studie initiiert. Deren Ziel war es, statistisch relevante Parameter für die Routinediagnostik von NLUTDs zu identifizieren. Als Goldstandard dienten Auffälligkeiten in der Urodynamik. In drei weiteren Konsensuskonferenzen wurden die Ergebnisse der Studie diskutiert, ein diagnostischer Algorithmus entwickelt und eine Erstlinientherapie konsentiert.
Ergebnisse und Diskussion
Der vorgeschlagene Algorithmus ermöglichte das Erkennen einer NLUTD bei Patienten mit MS mithilfe von 4 statistisch signifikanten Prädiktoren: (1) dem Restharnvolumen, (2) der Anzahl der Harnwegsinfektionen (HWI) innerhalb der letzten 6 Monate, (3) der standardisierten Miktionsfrequenz und (4) dem Vorhandensein/Fehlen einer Harninkontinenz. Gestützt auf den Algorithmus benötigen ca. 75 % der Patienten keine urodynamische Untersuchung zur First-line-Therapieentscheidung. In 25 % der Fälle sind urodynamische Untersuchungen unerlässlich. Für die Routine notwendigen Assessments sind: die Anamneseerhebung, eine Restharnbestimmung, ein Miktionstagebuch und eine Uroflowmetrie (optional).