Zusammenfassung
Hintergrund Die akute Arthritis urica ist eine i. d. R. durch Allgemeinmediziner behandelte Erkrankung. Die Prävalenz beträgt etwa 1,4% und kommt im höheren Lebensalter häufiger vor (bis zu 4,2% bei Männern > 75 Jahre). Bisher wurde in Deutschland noch nicht evaluiert, wann und bei welchen Patienten mit akuter Arthritis urica eine Behandlung in einer zentralen Notaufnahme stattfindet und ob diese leitliniengerecht stattfindet. Diese Studie evaluiert daher Charakteristika und Behandlungspfade von Notfallpatienten mit akutem Gichtanfall in einer zentralen Notaufnahme in Deutschland.
Methoden Retrospektive Analyse der Patienten mit den ICD-Codes M10.xx von 05/2013 bis 04/2016 in der zentralen Notaufnahme eines universitären Krankenhauses.
Ergebnisse 65 Patienten stellten sich im o. g. Zeitraum aufgrund eines akuten Gichtanfalles vor. 42 Patienten (65%) stellten sich außerhalb der Praxisöffnungszeiten vor. Anamnestisch gaben 31 (47,69%) Patienten eine bekannte Hyperurikämie an, davon 22 (70,96%) mit Gichtanfall in der Vorgeschichte. Es stellten sich 48 (73%) Patienten mit einer Monarthritis vor, davon 40 mit Podagra (68%). Diagnostisch wurde bei 57 (86%) eine Blutentnahme durchgeführt. Eine Röntgenaufnahme des betroffenen Gelenks erfolgte bei 31 (48%) Patienten, 67% davon ohne Indikation. Eine Gelenkpunktion mit Kristallnachweis erfolgte bei 4 Patienten. Zwölf Patienten (18%) wurden fachspezifisch stationär aufgenommen zur chirurgischen Revision und/oder antibiotischen Behandlung. 51 Patienten (78%) erhielten primär nicht steroidale Antirheumatika (NSAR), 7 in Kombination mit Glukokortikoiden und 4 Kolchizin. Vor der NSAR-Gabe war bei 17 Patienten die Nierenfunktion nicht bekannt oder eingeschränkt. Elf Patienten (16%) erhielten weder NSAR, Kortison noch Kolchizin. Zehn Patienten (15%) erhielten im akuten Gichtanfall eine harnsäuresenkende Therapie bzw. deren Dosierung wurde verändert. Zusätzlich erhielten 63% der Patienten eine Empfehlung zur Durchführung nicht medikamentöser Maßnahmen.
Schlussfolgerungen Wir konnten zeigen, dass die pharmakologische Behandlung der Patienten mit einem akuten Gichtanfall größtenteils leitliniengerecht erfolgt. Jedoch sollte die Vigilanz bez. der Nierenfunktion vor NSAR-Gabe geschärft werden. Überwiegend stellten sich die Patienten außerhalb der Praxisöffnungszeiten vor, was die primär ambulante Versorgung der Gichtpatienten bestätigt. Die aktuellen Leitlinien empfehlen die Diagnose der unkomplizierten Gicht anhand rein klinischer Diagnosekriterien. Dementgegen fand sich eine Überversorgung mit diagnostischen Maßnahmen in der zentralen Notaufnahme. Abschließend zeigte unsere Untersuchung, dass diese klinischen Diagnosekriterien besser im klinischen Alltag implementiert werden sollten, um unnötige Röntgen- und Laboruntersuchungen zu vermeiden.