Traumafokussierte kognitive Verhaltenstherapie mit Kindern und Jugendlichen – Klinisches Vorgehen, Evidenzbasis und weitere Perspektiven

Author(s):  
Cedric Sachser ◽  
Miriam Rassenhofer ◽  
Lutz Goldbeck

Zusammenfassung. Die traumafokussierte kognitive Verhaltenstherapie (Tf-KVT) ist eine evidenzbasierte Traumatherapie für Kinder und Jugendliche mit Posttraumatischer Belastungsstörung (PTBS) im Alter zwischen 3 und 17 Jahren. Eine erwachsene Bezugsperson wird regelmäßig an der Therapie beteiligt. Die Tf-KVT besteht aus den acht Komponenten Psychoedukation und Erziehungsfähigkeiten, Entspannungstraining, Affektive Modulation, Kognitive Verarbeitung, Traumanarrativ, In-vivo-Bewältigung traumatischer Schlüsselreize, gemeinsame Eltern-Kind-Sitzung sowie Erleichtern künftiger Sicherheit und Entwicklung. Mehrere Metaanalysen und systematische Übersichtsarbeiten bestätigten die Wirksamkeit dieser in bisher 13 randomisierten kontrollierten Studien untersuchten Therapie, die mit dem Evidenzgrad Ia im Rahmen internationaler Leitlinien als Therapie erster Wahl für Kinder und Jugendliche mit PTBS empfohlen wird.


Author(s):  
Michael Simons ◽  
Beate Herpertz-Dahlmann

Zusammenfassung: Nach kognitiv-behavioralen Störungsmodellen tragen die Vermeidung traumaassoziierter Reize sowie negative «unrealistische» Interpretationen des Traumas und der anfänglichen Symptome zur Entstehung und Aufrechterhaltung von Traumafolgestörungen bei. Die traumafokussierte Kognitive Verhaltenstherapie beginnt oft mit einer Stabilisierungsphase, in der beispielsweise Entspannungsverfahren eingesetzt werden. Zentrale Bedeutung in der Behandlung hat die Expositionstherapie, bei der sich die Patienten mit vermiedenen externen Auslösereizen (Exposition in vivo) und mit den belastenden Erinnerungen an die traumatischen Ereignisse (Exposition in sensu) konfrontieren. Mit Hilfe kognitiver Interventionen werden zudem übertriebene Schuld- und Schamgefühle verändert. Verschiedene kognitiv-behaviorale Behandlungsprogramme liegen vor, von denen die traumafokussierte Kognitive Verhaltenstherapie insbesondere für Kinder und Jugendliche nach sexuellem Missbrauch die beste empirische Evidenz vorweist.


Author(s):  
Rainer Thomasius ◽  
Peter-Michael Sack ◽  
Nicolas Arnaud ◽  
Eva Hoch

Zusammenfassung. Hintergrund: Alkoholbezogene Störungen kennzeichnen sich meist durch einen frühen Störungsbeginn. Jedoch werden entwicklungsrelevante Behandlungsbedürfnisse in der Versorgung oft nicht adäquat berücksichtigt. Zu Screening, Diagnostik und Therapie von alkoholbezogenen Störungen ist nun eine neue, interdisziplinäre S3-Leitlinie vorgelegt worden, in der erstmals spezifische Behandlungsempfehlungen für Kinder und Jugendliche formuliert werden. Methodik: Für die S3-Leitlinie wurden insgesamt 23 Quellleitlinien, 28 systematische Reviews und 2213 Originalarbeiten ausgewertet. Eine interdisziplinäre Konsensuskonferenz formulierte 174 Empfehlungen, von denen 14 speziell für Kinder- und Jugendliche gelten. Je nach Evidenzniveau vergab sie „Soll-“, „Sollte-“ und „Kann“-Empfehlungen oder einen „Klinischen Konsenspunkt“ (KKP). Ergebnisse: Für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen gab es jeweils eine „Soll“-Empfehlung innerhalb von Psychotherapien für das Motivational Interviewing (MI), die Kognitive Verhaltenstherapie (KVT) und den Einbezug von Familienangehörigen. Empfehlungen zur Familientherapie sind heterogen. Zu psychosozialen Therapien (z. B. Psychoedukation, Erziehungshilfe, Ergotherapie) wurde ein KKP vergeben. Die Studienlage zu medikamentösen Therapien war unzureichend; nur für die Behandlung psychisch komorbider Störungen ließ sich ein KKP ableiten. Im Rahmen differenzieller Indikationen sollen die Risiken für Suizide, Behandlungsabbruch und die über Mitpatienten vermittelte Delinquenz berücksichtigt werden (KKP). Schlussfolgerungen: Für die Behandlung von alkoholbezogenen Störungen bei Jugendlichen können zahlreiche evidenz- und konsensbasierte Empfehlungen abgegeben werden. Drängender Forschungsbedarf wurde v. a. im Bereich der medikamentösen Therapien festgestellt.


2011 ◽  
Vol 20 (2) ◽  
pp. 95-102 ◽  
Author(s):  
Veronica Kirsch ◽  
Jörg M. Fegert ◽  
Diana C. M. Seitz ◽  
Lutz Goldbeck

Posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS) sind eine häufige Folge von Missbrauch und Misshandlung im Kindes- und Jugendalter. Die Wirksamkeit der traumafokussierten kognitiven Verhaltenstherapie (Tf-KVT) nach sexuellem Missbrauch ist gut belegt. Diese Pilotstudie untersucht Machbarkeit und Behandlungsergebnisse bei Patienten mit posttraumatischen Stresssymptomen nach unterschiedlichen Misshandlungsformen und häuslicher Gewalt. 15 Kinder und Jugendliche mit klinisch relevanten PTBS Symptomen (sechs weiblich; Alter M = 10.5; SD = 3.7) wurden mit 12 bis 31 Sitzungen Tf-KVT behandelt. Die Symptomatik wurde im prä-post-Vergleich analysiert. Die Hintergründe von drei Therapieabbrüchen wurden ermittelt. Die Tf-KVT führte zu einer signifikanten Symptomreduktion (Gesamtrohwert im Interview für Belastungsstörungen vor Therapie: 40.6; SD = 10.5; nach Therapie: M = 15.2; SD = 14.3; p < .001; d = 1.8). Der Grund für Therapieabbrüche war Vermeidungsverhalten bei psychisch belasteten Bezugspersonen. Die Ergebnisse können als Hinweis für die Wirksamkeit der Tf-KVT bei Kindern und Jugendlichen mit PTBS nach unterschiedlichen Misshandlungsformen gewertet werden. Die Therapie setzt die psychosoziale Stabilität von Patienten und Bezugspersonen voraus.


2017 ◽  
Vol 26 (2) ◽  
pp. 93-99 ◽  
Author(s):  
Cedric Sachser ◽  
Lutz Goldbeck

Zusammenfassung. Kinder und Jugendliche mit posttraumatischen Belastungsstörungen weisen häufig auch Angstsymptome und depressive Symptome auf. Diese Studie untersucht bei 159 Teilnehmern einer multizentrischen klinischen Studie (Alter 7 – 17 Jahre) die Vergesellschaftung posttraumatischer Stresssymptome (PTSS) mit Angst und Depression sowie das Ansprechen dieser Symptome auf traumafokussierte kognitive Verhaltenstherapie (TF-KVT). Bei Studienbeginn zeigten 121 (76 %) Patienten klinisch relevante Angstsymptome und 91 (57 %) klinisch relevante Depressionssymptome. PTSS waren signifikant mit Angst (r = .42, p < .001) sowie mit Depression (r = .49, p < .001) korreliert. Mit TF-KVT behandelte Patienten zeigten nicht nur eine deutliche Remission ihrer Stresssymptomatik, sondern auch ihrer Angst- und Depressionssymptome. Die Ergebnisse bestätigen die hohe Prävalenz klinisch relevanter Angst- und Depressionssymptome bei traumatisierten Kindern und Jugendlichen und verweisen auf transdiagnostische Effekte der TF-KVT.


Author(s):  
Saskia Hader ◽  
Oliver Kratz ◽  
Anna Eichler ◽  
Gunther H. Moll ◽  
Viktoria Irlbauer-Müller

Zusammenfassung. Schlafstörungen sind im Erwachsenen- wie auch im Kindes- und Jugendalter weit verbreitet. Kinder und Jugendliche in kinder- und jugendpsychiatrischer (KJP) Behandlung sind insbesondere davon betroffen. Die kognitive Verhaltenstherapie ist die Behandlung der ersten Wahl bei Schlafstörungen, der eine standardisierte Schlafdiagnostik vorangehen sollte. Im deutschsprachigen Raum fehlen bislang systematische Untersuchungen zur Schlafdiagnostik im teilstationären (TK) KJP-Setting. Für N = 46 Kinder/Jugendliche in TK-KJP-Behandlung wurde ein Schlafprotokoll (7 Tage), ein Schlafanamneseschema (Eltern & Kind/Jugendlicher) sowie ein klinisches Urteil zum Schlafverhalten (Diagnostiker_in) erhoben. Zudem wurde die Eltern-, Selbst- und klinische Beurteilung der psychischen Störung erfasst. Bei 52 % der Kinder/Jugendlichen wurden Schlafauffälligkeiten (= Schlafstörungssymptome im Rahmen komorbider Störungen) oder Schlafstörungen festgestellt, insbesondere Einschlafstörungen oder Ein- und Durchschlafstörungen (26 %). Zudem berichteten 33 % Albträume. Das Schlafverhalten korrelierte signifikant mit externalen Auffälligkeiten ( r = .38 bis .61, p = 02 bis .04), auch beeinflussten Geschlecht (weiblich: p = .01 bis ≤ .001, |d| = 1.57 bis 2.50) und Alter (Ältere: p = .05, |d| = 0.78) das Schlafverhalten signifikant. Es scheinen insbesondere externale Auffälligkeiten einen Zusammenhang zu Schlafstörungen in der teilstationären Population aufzuweisen. Für die systematische Diagnostik der im TK-KJP-Setting vielfach vorliegenden Schlafauffälligkeiten, empfiehlt sich zusammenfassend ein Multi-Informant-Multi-Method-Vorgehen mit einer anschließenden individualisierten kognitiven Verhaltenstherapie der Schlafstörungen – gehäuft bei externalen Auffälligkeiten.


2010 ◽  
Vol 10 (02) ◽  
pp. 95-99
Author(s):  
B. Herpertz-Dahlmann ◽  
M. Simons

ZusammenfassungWährend relativ viele Kinder und Jugendliche Opfer oder Zeuge eines traumatischen Ereignisses werden, entwickelt nur ein kleiner Teil von ihnen eine Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS). Risikofaktoren für die Ausbildung einer PTBS sind Vermeidung traumaassoziierter Stimuli, bereits zuvor bestehende Ängste oder depressive Stimmung sowie familiäre Belastungen. Die traumafokussierte kognitive Verhaltenstherapie gilt als derzeit bestbewährte Intervention bei PTBS und umfasst Techniken zur Stabilisierung, Exposition, Korrektur problematischer Annahmen und Erziehungsmaßnahmen. Ferner können umfeldbezogene und medikamentöse Interventionen indiziert sein.


Praxis ◽  
2018 ◽  
Vol 107 (12) ◽  
pp. 623-628
Author(s):  
Bettina Schindler

Zusammenfassung. Flugangst und Flugphobie sind weit verbreitet und können zu erheblichem Leidensdruck führen. Symptomatik und Diagnose von Flugangst und Flugphobie werden beschrieben. Eine starke Flugangst kann als spezifische Phobie oder aber auch als Agoraphobie diagnostiziert werden. Als erfolgreichste Therapie hat sich bisher die kognitive Verhaltenstherapie mit «Exposition in vivo» erwiesen. In der hausärztlichen Praxis steht die Behandlung mit Benzodiazepinen im Vordergrund und wird im Folgenden diskutiert. Die Behandlung von Flugphobie und Agoraphobie wird anhand von zwei Fallbeispielen dargestellt.


2021 ◽  
Vol 70 (04) ◽  
pp. 199-203
Author(s):  
Rebecca Andrea Gündling

ZusammenfassungPhobische Störungen können sich in fünf verschiedene F-Diagnosen untergliedern lassen. In diesem Artikel geht es vor allem um F40.2, die spezifische Phobie. Hierbei handelt es sich um eine Phobie, die auf eine sehr eng umschriebene Situation oder ein Objekt beschränkt ist. Es existiert eine deutliche irrationale Furcht oder Vermeidung der spezifischen Situation bzw. des Objekts. Die spezifische Phobie kann in wiederum vier Untergruppen aufgeteilt werden: Tierphobien, Umwelt-Typus, situativer Typus und Blut-Spritzen-Verletzungs-Phobie. Die Behandlungsempfehlung bei Phobien ist ähnlich: Den Patienten soll eine kognitive Verhaltenstherapie mit Expositionstherapie angeboten werden. Die Exposition kann entweder in vivo oder in sensu stattfinden. Des Weiteren können Expositionen massiert oder graduiert stattfinden, wobei bei Ersterem die Abbrecherquote höher ist.


2009 ◽  
Vol 57 (3) ◽  
pp. 161-175 ◽  
Author(s):  
Thomas Lang ◽  
Sylvia Helbig-Lang ◽  
Franz Petermann

Die kognitive Verhaltenstherapie (KVT) hat sich in empirischen Studien als wirksame Behandlungsform von Panikstörungen mit Agoraphobie erwiesen. Zu den zentralen Behandlungskomponenten gehören a) Psychoedukation über Angst und Panik, b) kognitive Interventionen, um die Tendenz zu Missinterpretationen körperlicher Wahrnehmungen zu vermindern, c) interozeptive und in vivo Exposition sowie d) Bewältigungskompetenzen zur Beeinflussung von körperlichen Symptomen, wie beispielsweise Entspannungs- und Atemtechniken. Empirische Befunde zur Effektivität dieser Interventionen werden vorgestellt und abschließend hinsichtlich ihrer Bedeutung im Rahmen einer evidenzbasierten Therapie der Panikstörung mit und ohne Agoraphobie in der Praxis diskutiert.


Author(s):  
Inga Beig ◽  
Manfred Döpfner ◽  
Hildegard Goletz ◽  
Julia Plück ◽  
Lydia Dachs ◽  
...  

Zusammenfassung. Hintergrund: Zur Behandlung von Zwangsstörungen im Kindes- und Jugendalter gilt die kognitive Verhaltenstherapie (KVT) als Therapiemethode erster Wahl, doch bisher wurde hauptsächlich die Wirksamkeit von streng manualisierter KVT im Rahmen von randomisiert-kontrollierten Studien untersucht. Studien zur Wirksamkeit von Routinetherapien gibt es kaum. Methode: Um die Alltagswirksamkeit von KVT zu überprüfen, wurden über neun Jahre erfasste Daten zu Behandlungsverläufen in einer universitären Ausbildungsambulanz ausgewertet. Für n = 53 Patienten, deren Elternbeurteilungsbögen vorlagen, und n = 53 Patienten, deren Selbstbeurteilungsbögen vorlagen, wurden Prä-Post-Analysen durchgeführt. Ergebnisse: Im Verlauf der Therapie konnten signifikante Reduktionen der Zwangssymptomatik mit hohen Prä-Post-Effektstärken (Cohens d) im Elternurteil (d = 0.91) und im Selbsturteil (d = 0.88) sowie der komorbiden Symptomatik mit mittleren bis hohen Effektstärken auf der Gesamtskalenebene im Elternurteil (d = 0.55 bis d = 0.87) und im Selbsturteil (d = 0.46 bis d = 0.74) gefunden werden. Bei 46.3 % bis 59.4 % der Patienten wurde eine klinisch signifikante Verbesserung mit unauffälliger Zwangssymptomatik zum Posttestzeitpunkt erzielt. Bei zwischen 22.5 % und 45.5 % der Patienten (Elternurteil) bzw. 32.0 % und 81.8 % (Selbsturteil) wurde dies auch hinsichtlich der komorbiden Symptomatik erreicht. Schlussfolgerungen: Im Verlauf einer KVT zur Behandlung von juvenilen Zwangsstörungen in einer universitären Ausbildungsambulanz lassen sich deutliche Verminderungen der Zwangs- und komorbiden Symptomatik nachweisen. Diese Ergebnisse sind ein Hinweis darauf, dass kognitiv-verhaltenstherapeutische Routinetherapien eine wirksame Methode zur Behandlung von juvenilen Zwangsstörungen darstellen. Schlüsselwörter: kognitive Verhaltenstherapie, Kinder und Jugendliche, Zwangsstörung, komorbide Störungen, Alltagswirksamkeit; Routinetherapie


Sign in / Sign up

Export Citation Format

Share Document