Angst, Depression und Trauma – transdiagnostische Effekte der traumafokussierten kognitiven Verhaltenstherapie (TF-KVT)

2017 ◽  
Vol 26 (2) ◽  
pp. 93-99 ◽  
Author(s):  
Cedric Sachser ◽  
Lutz Goldbeck

Zusammenfassung. Kinder und Jugendliche mit posttraumatischen Belastungsstörungen weisen häufig auch Angstsymptome und depressive Symptome auf. Diese Studie untersucht bei 159 Teilnehmern einer multizentrischen klinischen Studie (Alter 7 – 17 Jahre) die Vergesellschaftung posttraumatischer Stresssymptome (PTSS) mit Angst und Depression sowie das Ansprechen dieser Symptome auf traumafokussierte kognitive Verhaltenstherapie (TF-KVT). Bei Studienbeginn zeigten 121 (76 %) Patienten klinisch relevante Angstsymptome und 91 (57 %) klinisch relevante Depressionssymptome. PTSS waren signifikant mit Angst (r = .42, p < .001) sowie mit Depression (r = .49, p < .001) korreliert. Mit TF-KVT behandelte Patienten zeigten nicht nur eine deutliche Remission ihrer Stresssymptomatik, sondern auch ihrer Angst- und Depressionssymptome. Die Ergebnisse bestätigen die hohe Prävalenz klinisch relevanter Angst- und Depressionssymptome bei traumatisierten Kindern und Jugendlichen und verweisen auf transdiagnostische Effekte der TF-KVT.

Author(s):  
Rainer Thomasius ◽  
Peter-Michael Sack ◽  
Nicolas Arnaud ◽  
Eva Hoch

Zusammenfassung. Hintergrund: Alkoholbezogene Störungen kennzeichnen sich meist durch einen frühen Störungsbeginn. Jedoch werden entwicklungsrelevante Behandlungsbedürfnisse in der Versorgung oft nicht adäquat berücksichtigt. Zu Screening, Diagnostik und Therapie von alkoholbezogenen Störungen ist nun eine neue, interdisziplinäre S3-Leitlinie vorgelegt worden, in der erstmals spezifische Behandlungsempfehlungen für Kinder und Jugendliche formuliert werden. Methodik: Für die S3-Leitlinie wurden insgesamt 23 Quellleitlinien, 28 systematische Reviews und 2213 Originalarbeiten ausgewertet. Eine interdisziplinäre Konsensuskonferenz formulierte 174 Empfehlungen, von denen 14 speziell für Kinder- und Jugendliche gelten. Je nach Evidenzniveau vergab sie „Soll-“, „Sollte-“ und „Kann“-Empfehlungen oder einen „Klinischen Konsenspunkt“ (KKP). Ergebnisse: Für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen gab es jeweils eine „Soll“-Empfehlung innerhalb von Psychotherapien für das Motivational Interviewing (MI), die Kognitive Verhaltenstherapie (KVT) und den Einbezug von Familienangehörigen. Empfehlungen zur Familientherapie sind heterogen. Zu psychosozialen Therapien (z. B. Psychoedukation, Erziehungshilfe, Ergotherapie) wurde ein KKP vergeben. Die Studienlage zu medikamentösen Therapien war unzureichend; nur für die Behandlung psychisch komorbider Störungen ließ sich ein KKP ableiten. Im Rahmen differenzieller Indikationen sollen die Risiken für Suizide, Behandlungsabbruch und die über Mitpatienten vermittelte Delinquenz berücksichtigt werden (KKP). Schlussfolgerungen: Für die Behandlung von alkoholbezogenen Störungen bei Jugendlichen können zahlreiche evidenz- und konsensbasierte Empfehlungen abgegeben werden. Drängender Forschungsbedarf wurde v. a. im Bereich der medikamentösen Therapien festgestellt.


2020 ◽  
Vol 68 (1) ◽  
pp. 52-63 ◽  
Author(s):  
Thorsten Sukale ◽  
Miriam Rassenhofer ◽  
Veronica Kirsch ◽  
Elisa Pfeiffer

Zusammenfassung. Um dem hohen Bedarf an traumafokussierten Interventionen für traumatisierte Kinder und Jugendliche gerecht zu werden, wurden in den letzten Jahren gestufte Versorgungsansätze mit niedrigschwelligen (Gruppen-)Interventionen als Lösung der Versorgungslücke vorgeschlagen und zunehmend wissenschaftlich evaluiert. Im vorliegenden Beitrag wird eine Studie zur differenziellen Wirksamkeit der traumafokussierten Gruppenmaßnahme „Mein Weg“ vorgestellt, die auf Jugendliche mit Fluchterfahrung abzielt. Neben der Häufigkeit des Auftretens von nicht-suizidalem selbstverletzendem Verhalten (NSSV) und Suizidgedanken und -handlungen wird ermittelt, ob dies die Posttraumatischen Suizidgedanken, die Posttraumatischen Stresssymptome (PTSS) und die depressive Symptomatik bei Jugendlichen, die an der „Mein Weg“-Maßnahme teilnahmen, beeinflusst haben. An der Studie nahmen insgesamt N = 99 fast ausschließlich männliche Jugendliche im Alter von 14 bis 19 Jahren teil. Die Jugendlichen füllten zu mehreren Erhebungszeitpunkten Fragebögen zur entsprechenden Symptomatik (CATS und PHQ-9) aus. Die Ergebnisse zeigen, dass 44.4 % der Jugendlichen von NSSV und Suizidalität berichten. Die Symptomverläufe der Gruppen unterscheiden sich zu keinem Messzeitpunkt signifikant voneinander. Es wird daraus geschlossen, dass Jugendliche mit und ohne NSSV und Suizidalität in Hinblick auf PTSS und depressive Symptome gleichermaßen von der Maßnahme profitieren.


2011 ◽  
Vol 20 (2) ◽  
pp. 95-102 ◽  
Author(s):  
Veronica Kirsch ◽  
Jörg M. Fegert ◽  
Diana C. M. Seitz ◽  
Lutz Goldbeck

Posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS) sind eine häufige Folge von Missbrauch und Misshandlung im Kindes- und Jugendalter. Die Wirksamkeit der traumafokussierten kognitiven Verhaltenstherapie (Tf-KVT) nach sexuellem Missbrauch ist gut belegt. Diese Pilotstudie untersucht Machbarkeit und Behandlungsergebnisse bei Patienten mit posttraumatischen Stresssymptomen nach unterschiedlichen Misshandlungsformen und häuslicher Gewalt. 15 Kinder und Jugendliche mit klinisch relevanten PTBS Symptomen (sechs weiblich; Alter M = 10.5; SD = 3.7) wurden mit 12 bis 31 Sitzungen Tf-KVT behandelt. Die Symptomatik wurde im prä-post-Vergleich analysiert. Die Hintergründe von drei Therapieabbrüchen wurden ermittelt. Die Tf-KVT führte zu einer signifikanten Symptomreduktion (Gesamtrohwert im Interview für Belastungsstörungen vor Therapie: 40.6; SD = 10.5; nach Therapie: M = 15.2; SD = 14.3; p < .001; d = 1.8). Der Grund für Therapieabbrüche war Vermeidungsverhalten bei psychisch belasteten Bezugspersonen. Die Ergebnisse können als Hinweis für die Wirksamkeit der Tf-KVT bei Kindern und Jugendlichen mit PTBS nach unterschiedlichen Misshandlungsformen gewertet werden. Die Therapie setzt die psychosoziale Stabilität von Patienten und Bezugspersonen voraus.


Author(s):  
Saskia Hader ◽  
Oliver Kratz ◽  
Anna Eichler ◽  
Gunther H. Moll ◽  
Viktoria Irlbauer-Müller

Zusammenfassung. Schlafstörungen sind im Erwachsenen- wie auch im Kindes- und Jugendalter weit verbreitet. Kinder und Jugendliche in kinder- und jugendpsychiatrischer (KJP) Behandlung sind insbesondere davon betroffen. Die kognitive Verhaltenstherapie ist die Behandlung der ersten Wahl bei Schlafstörungen, der eine standardisierte Schlafdiagnostik vorangehen sollte. Im deutschsprachigen Raum fehlen bislang systematische Untersuchungen zur Schlafdiagnostik im teilstationären (TK) KJP-Setting. Für N = 46 Kinder/Jugendliche in TK-KJP-Behandlung wurde ein Schlafprotokoll (7 Tage), ein Schlafanamneseschema (Eltern & Kind/Jugendlicher) sowie ein klinisches Urteil zum Schlafverhalten (Diagnostiker_in) erhoben. Zudem wurde die Eltern-, Selbst- und klinische Beurteilung der psychischen Störung erfasst. Bei 52 % der Kinder/Jugendlichen wurden Schlafauffälligkeiten (= Schlafstörungssymptome im Rahmen komorbider Störungen) oder Schlafstörungen festgestellt, insbesondere Einschlafstörungen oder Ein- und Durchschlafstörungen (26 %). Zudem berichteten 33 % Albträume. Das Schlafverhalten korrelierte signifikant mit externalen Auffälligkeiten ( r = .38 bis .61, p = 02 bis .04), auch beeinflussten Geschlecht (weiblich: p = .01 bis ≤ .001, |d| = 1.57 bis 2.50) und Alter (Ältere: p = .05, |d| = 0.78) das Schlafverhalten signifikant. Es scheinen insbesondere externale Auffälligkeiten einen Zusammenhang zu Schlafstörungen in der teilstationären Population aufzuweisen. Für die systematische Diagnostik der im TK-KJP-Setting vielfach vorliegenden Schlafauffälligkeiten, empfiehlt sich zusammenfassend ein Multi-Informant-Multi-Method-Vorgehen mit einer anschließenden individualisierten kognitiven Verhaltenstherapie der Schlafstörungen – gehäuft bei externalen Auffälligkeiten.


2021 ◽  
Author(s):  
Daniel Walter ◽  
Manfred Döpfner

Schulvermeidung, also das Fernbleiben vom Unterricht, ist bei Kindern und Jugendlichen weit verbreitet. Ohne Hilfe können Betroffene leicht ins schulische und soziale Abseits geraten. Die Gründe, warum Kinder und Jugendliche sich der Schule verweigern, sind vielfältig. Neben schulabsentem Verhalten zeigen die Betroffenen unterschiedliche psychische Begleitsymptome, besonders ängstliche und depressive Symptome, aber auch oppositionell-aggressive Verhaltenstendenzen treten gehäuft auf. Der Ratgeber informiert über die Symptomatik, die Risikofaktoren, den Verlauf und die Behandlungsmöglichkeiten bei Schulvermeidung. Eltern, Lehrkräfte und andere Bezugspersonen erhalten Hinweise zum Umgang mit der Problematik in Familie und Schule. Betroffenen Schülerinnen und Schülern werden konkrete Tipps gegeben, was sie selbst tun können, um schulabsentes Verhalten zu vermindern.


2005 ◽  
Vol 14 (4) ◽  
pp. 237-243 ◽  
Author(s):  
Ellen Moens ◽  
Caroline Braet ◽  
Benedikte Timbremont

Zusammenfassung. Die vorliegende Studie untersucht, ob adipöse Kinder und Jugendliche im Vergleich zu Normalgewichtigen eine negativere Selbstbewertung und mehr depressive Symptome aufweisen. Des Weiteren wird untersucht, ob sich eine depressive Symptomatik - sofern diese innerhalb der adipösen Gruppe nachgewiesen werden kann - durch ein negatives Selbstkonzept erklären lässt. Bei insgesamt 151 Kindern und Jugendlichen im Alter von 9 bis 17 Jahren (75 adipöse, 76 normalgewichtige Kinder) und deren Eltern wurden anhand verschiedener Fragebogen depressive Symptome sowie Selbst- und Fremdeinschätzungen zu Kompetenzen und Verhaltenstendenzen der Kinder zu verschiedenen (Lebens-) Bereichen erhoben. Die statistischen Analysen ergaben signifikant negativere Selbstbewertungen der adipösen Kinder und Jugendlichen in Bezug auf den athletischen Bereich als einer speziellen Komponente des Selbstkonzeptes. Für den globalen Depressionswert fanden sich keine Unterschiede zwischen adipösen und normalgewichtigen Kindern und Jugendlichen. Jedoch berichteten die Eltern übergewichtiger Kinder und Jugendlicher signifikant häufiger über Konflikte mit ihren Kindern auf emotionaler und Verhaltensebene. Regressionsanalysen ergaben, dass 42 % der Gesamtvarianz des Children's Depression Inventory (CDI, Kovacs, 1992 ) durch eine negativere Selbstbewertung aufgeklärt werden kann.


Author(s):  
Michael Simons ◽  
Beate Herpertz-Dahlmann

Zusammenfassung: Nach kognitiv-behavioralen Störungsmodellen tragen die Vermeidung traumaassoziierter Reize sowie negative «unrealistische» Interpretationen des Traumas und der anfänglichen Symptome zur Entstehung und Aufrechterhaltung von Traumafolgestörungen bei. Die traumafokussierte Kognitive Verhaltenstherapie beginnt oft mit einer Stabilisierungsphase, in der beispielsweise Entspannungsverfahren eingesetzt werden. Zentrale Bedeutung in der Behandlung hat die Expositionstherapie, bei der sich die Patienten mit vermiedenen externen Auslösereizen (Exposition in vivo) und mit den belastenden Erinnerungen an die traumatischen Ereignisse (Exposition in sensu) konfrontieren. Mit Hilfe kognitiver Interventionen werden zudem übertriebene Schuld- und Schamgefühle verändert. Verschiedene kognitiv-behaviorale Behandlungsprogramme liegen vor, von denen die traumafokussierte Kognitive Verhaltenstherapie insbesondere für Kinder und Jugendliche nach sexuellem Missbrauch die beste empirische Evidenz vorweist.


Author(s):  
Cedric Sachser ◽  
Miriam Rassenhofer ◽  
Lutz Goldbeck

Zusammenfassung. Die traumafokussierte kognitive Verhaltenstherapie (Tf-KVT) ist eine evidenzbasierte Traumatherapie für Kinder und Jugendliche mit Posttraumatischer Belastungsstörung (PTBS) im Alter zwischen 3 und 17 Jahren. Eine erwachsene Bezugsperson wird regelmäßig an der Therapie beteiligt. Die Tf-KVT besteht aus den acht Komponenten Psychoedukation und Erziehungsfähigkeiten, Entspannungstraining, Affektive Modulation, Kognitive Verarbeitung, Traumanarrativ, In-vivo-Bewältigung traumatischer Schlüsselreize, gemeinsame Eltern-Kind-Sitzung sowie Erleichtern künftiger Sicherheit und Entwicklung. Mehrere Metaanalysen und systematische Übersichtsarbeiten bestätigten die Wirksamkeit dieser in bisher 13 randomisierten kontrollierten Studien untersuchten Therapie, die mit dem Evidenzgrad Ia im Rahmen internationaler Leitlinien als Therapie erster Wahl für Kinder und Jugendliche mit PTBS empfohlen wird.



Author(s):  
Susan Sierau ◽  
Alena Knabe ◽  
Sabine Ahrens-Eipper ◽  
Katrin Nelius ◽  
Heide Glaesmer

Zusammenfassung. Fragestellung: Obwohl traumatische Erfahrungen eine der wichtigsten Ursachen für psychische Erkrankungen in der Kindheit und im Erwachsenenalter sind, finden traumaspezifische Behandlungsansätze in der deutschen Versorgungspraxis momentan zu wenig Anwendung. Daher war das Ziel der vorliegenden Pilotstudie die Evaluation eines manualisierten, ambulanten, kognitiv-behavioralen Behandlungsangebots („Trauma First“) für Kinder und Jugendliche mit Traumafolgestörungen. Die Annahme war, dass sich die Symptomatik einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) sowie depressive Symptome, Ängste und Verhaltensauffälligkeiten durch ein solches intensives, strukturiertes Behandlungsprogramm signifikant verbessern lassen. Methodik: In der Pilotstudie wurde ein Prä-Post-Testdesign ohne Kontrollgruppe durchgeführt. Die Symptombelastung von 33 Kindern und Jugendlichen (Alter: 10–15 Jahre; 54.5 % weiblich) mit traumatischen Erfahrungen wurde mittels störungsspezifischer Diagnostik und Breitbanddiagnostik vor und nach der Behandlung in Selbst- und Fremdeinschätzung erfasst. Ergebnisse: Nach der Behandlung wurde ein Rückgang von selbst- und fremdbeurteilten PTBS-Symptomen, Depressivität, Angst und Verhaltensauffälligkeiten der Kinder und Jugendlichen festgestellt (Cohens d: 0.51–1.49). In der selbst- und fremdbeurteilten Lebensqualität konnte eine Tendenz in Richtung einer positiven Veränderung verzeichnet werden. Die identifizierten Effektstärken unter Versorgungsbedingungen waren überwiegend vergleichbar mit denen aus Metaanalysen. Schlussfolgerungen: Die vorliegende Pilotstudie liefert erste Hinweise zur Effektivität des „Trauma First“-Programms unter ökologisch validen Bedingungen. Sie dient als Vorstufe der psychotherapeutischen Wirksamkeitsprüfung, die in einem randomisiert-kontrollierten Studiendesign weiterverfolgt werden sollte.


2010 ◽  
Vol 10 (02) ◽  
pp. 95-99
Author(s):  
B. Herpertz-Dahlmann ◽  
M. Simons

ZusammenfassungWährend relativ viele Kinder und Jugendliche Opfer oder Zeuge eines traumatischen Ereignisses werden, entwickelt nur ein kleiner Teil von ihnen eine Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS). Risikofaktoren für die Ausbildung einer PTBS sind Vermeidung traumaassoziierter Stimuli, bereits zuvor bestehende Ängste oder depressive Stimmung sowie familiäre Belastungen. Die traumafokussierte kognitive Verhaltenstherapie gilt als derzeit bestbewährte Intervention bei PTBS und umfasst Techniken zur Stabilisierung, Exposition, Korrektur problematischer Annahmen und Erziehungsmaßnahmen. Ferner können umfeldbezogene und medikamentöse Interventionen indiziert sein.


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