Diagnostik und Signifikanzbeurteilung bei Verdacht auf sexuelle Gewalt im Kindes- und Jugendalter

2021 ◽  
Author(s):  
Patrizia Richter ◽  
Marco Baz Bartels ◽  
Matthias Kieslich

Zusammenfassung Hintergrund Sexueller Missbrauch ist bei Kindern schwierig zu diagnostizieren und stellt eine erhebliche Herausforderung für alle beteiligten Fachdisziplinen einer medizinischen Kinderschutzambulanz dar. Die vorliegende Arbeit zeigt Fallkonstellationen und die zu verwendende Diagnostik, um ein Verdachtsmoment zu erhärten oder nachzuweisen. Patienten und Methode Die Studie erfolgte retrospektiv anhand der Patientendokumentation von 210 Kindern und Jugendlichen im Alter zwischen 4 Monaten und 18 Jahren, die mit Verdacht auf sexuellen Missbrauch im Zeitraum von 2010 bis 2015 in der Kinderschutzambulanz Frankfurt am Main vorgestellt wurden. 173 Fälle wurden detaillierter analysiert. Mit Hilfe von standardisierten Erfassungsbögen wurden die Fälle analysiert und die Verdachtsmomente bezüglich ihrer Signifikanz beurteilt. Ergebnisse Insgesamt wurden 173 Kinder und Jugendliche mit Verdacht auf sexuellen Missbrauch detailliert analysiert. Der Großteil dieser Kinder und Jugendlichen war weiblich und unter 10 Jahre alt. Häufig wurde der Vater des Kindes im Rahmen von Trennungssituationen oder Sorgerechtsstreits der Eltern des sexuellen Missbrauchs beschuldigt. Vor allem die eigenanamnestischen Angaben der Patientinnen und Patienten hatten in 60% für die Erhärtung der Verdachtsmomente Bedeutung. Die Einschätzung gelang umso sicherer, wenn der mutmaßliche Täter nicht dem engen Familienkreis angehörte und wenn andere Formen körperlicher Gewalt assoziiert vorlagen. Schlussfolgerung Die Studie zeigt, dass der gynäkologische bzw. anogenitale Untersuchungsbefund relativ wenig Bedeutung für die Erhärtung eines Verdachts auf sexuellen Missbrauch hat. Viel mehr unterstreichen die Ergebnisse den Stellenwert weiterer diagnostischer Maßnahmen, insbesondere die anamnestische und psychologische Evaluation.

2021 ◽  
Vol 55 (10-11) ◽  
pp. 741-747
Author(s):  
Tanja Schmidt

Zusammenfassung Die Stadtbücherei Frankfurt am Main beschreitet seit 2019 mit „Robotics – Stadtbücherei 4.0.“ neue Wege in ihrer Programmarbeit, sowohl für Erwachsene als auch für Kinder und Jugendliche. Mit einer vielfältigen Angebotspalette und verschiedenen Robotertypen bekommen alle Altersgruppen niedrigschwelligen Zugang zu Robotics und Coding. Die Angebote für Kinder und Jugendliche setzen mit Lernrobotern und einem offenen pädagogischen Konzept auf selbständiges, experimentelles und kollaboratives Lernen.


2017 ◽  
Vol 80 (04) ◽  
pp. 317-324 ◽  
Author(s):  
Maria Karathana ◽  
Bernhard Krackhardt ◽  
Manuela Schade ◽  
Ursel Heudorf

Zusammenfassung Fragestellung Die Untersuchung der Schulanfänger ist eine der wesentlichen Aufgaben der Kinder- und Jugendärztlichen Dienste der Gesundheitsämter. Während in allen Bundesländern die Untersuchung aller Erstklässler vor Schuleintritt gesetzlich klar festgeschrieben ist, ist die Situation für Seiteneinsteigende, d.h. Kinder im schulpflichtigen Alter, die aus dem Ausland in eine Gemeinde zuziehen und dort eingeschult werden, in den meisten Schulgesetzen nicht eindeutig geregelt. In dem Beitrag werden die Erfahrungen aus den Seiteneinsteigenden-Untersuchungen in Frankfurt am Main geschildert. Methode Alle aus dem Ausland nach Frankfurt zugezogenen Kinder im schulpflichtigen Alter werden im Gesundheitsamt untersucht. Diese Untersuchung umfasst eine mithilfe von Dolmetschern durchgeführte standardisierte fragebogengestützte Anamnese inkl. Durchsicht des ggf. vorhandenen Impfbuchs (Anamnesebögen sind in verschiedenen Sprachen vorhanden), einen Seh- und Hörtest sowie eine körperliche Untersuchung. Kinder über 15 Jahren, die aus Hochprävalenzländern für eine Tuberkulose kommen, wurden geröntgt (Röntgen-Thorax). Ergebnisse Von 2006 bis Ende 2016 wurden insgesamt 8245 Kinder- und Jugendliche untersucht. Auffälligkeiten im Hörscreening wiesen 4% der Untersuchten auf, im Sehscreening 22% – mit steigender Tendenz in den letzten Jahren. Bei zwei Drittel der Kinder blieb der Impfstatus unbekannt, ein Viertel der Kinder war ausreichend gegen Tetanus, Diphtherie, Polio und Pertussis geimpft, 19,5% waren gegen Masern immun (geimpft oder durchgemachte Erkrankung). Bei der körperlichen Untersuchung dominierten Erkrankungen der Atemwege, des Herzens und des Kreislaufs mit insgesamt 4% vor den Muskel-Skeletterkrankungen mit 3%. Läusebefall wurde bei 1,7% der Kinder festgestellt. Bei 0,7% der 2171 geröntgten Kinder wurde ein auffälliger Lungenbefund ermittelt, in keinem einzigen Fall eine Tuberkulose. Schlussfolgerung Fokus der Seiteneinsteigenden-Untersuchung ist ein schulbezogener Gesundheitsstatus. Auf Grundlage der Erfahrungen aus Frankfurt am Main ist festzustellen, dass die Untersuchung der aus anderen Ländern zugezogenen Seiteneinsteigenden sinnvoll erscheint, insbesondere das Seh- und Hörscreening, die körperliche Untersuchung und die Überprüfung des Impfstatus, ggf. mit Schließung der Impflücken. Demgegenüber erscheint eine ausführliche Entwicklungsdiagnostik bei den unmittelbar schulpflichtigen Kindern und damit bei fehlenden Fördermöglichkeiten vor Schulbeginn nicht vordringlich.


2021 ◽  
Author(s):  
◽  
Rebecca Bartsch

Hintergrund: Chemotherapie hat nicht nur einen Einfluss auf die Krebszellen, sondern auch auf das Immunsystem der Behandelten. In unserer Studie untersuchten wir den Impftiterverlust impfpräventablen Erkrankungen (Masern, Mumps, Röteln und Varizella zoster) bei Kindern und Jugendlichen, welche eine chemotherapeutische Behandlung wegen einer malignen Erkrankung erhielten. Methoden: Eingeschlossen in die retrospektive Studie wurden Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene im Alter bis zum 21. Lebensjahr, welche zwischen 2001 und 2010 an der Kinderklinik für Hämatologie und Onkologie der Universitätsklinik Frankfurt am Main therapiert wurden. Es erfolgte die Analyse von Antikörper-Titer für Masern, Mumps, Röteln und Varizella zoster zum Diagnosezeitpunkt und erneut bis zu 12 Monate nach Therapieende. Ergebnis: Insgesamt konnten 195 Kinder und Jugendliche in die Studie eingeschlossen werden. 122 Probanden waren männlich, 73 weiblich. Die größte Patientengruppe war an ALL erkrankt (80 Patienten). Die übrigen Patienten verteilten sich auf 15 Patienten mit AML, 18 Patienten mit NHL, 22 Patienten mit Hodgkin Lymphom. 60 Patienten waren an soliden Tumoren erkrankt. Insgesamt haben 27%, 47%, 19% und 17% der Kinder und Jugendlichen ihren Impfschutz gegen Masern, Mumps, Röteln und Varizella zoster verloren. Hierbei zeigte sich eine Altersabhängigkeit. In der Auswertung zeigte sich bei jüngeren Kindern unter 7 Jahren häufiger ein Titerverlust als bei den älteren Kindern und Jugendlichen. Auch an ALL-erkrankte und behandelte Kinder und Jugendliche verloren häufiger ihren Impfschutz als die Patienten mit anderen untersuchten Krebserkrankungen (AML, NHL, M. Hodgkin, solide Tumore). Fazit: Die Daten unserer retrospektiven Studie zeigen, dass eine signifikante Anzahl von Kindern und Jugendlichen durch eine chemotherapeutischen Behandlung ihre vorbestehenden Impftiter gegen impfpräventable Erkrankungen wie Masern, Mumps, Röteln und Varizella zoster verlieren. Dieser Verlust zeigt sich häufiger bei jüngeren Patienten und ALL-Patienten. Unsere Daten unterstreichen daher, wie wichtig es ist, Kinder und Jugendliche nach Beendigung der Chemotherapie erneut zu impfen, um einen neuen ausreichenden Impfschutz gegen Masern, Mumps, Röteln und Varizella zoster zu erhalten.


2021 ◽  
Vol 30 (4) ◽  
pp. 205-207
Author(s):  
Jörg M. Fegert ◽  
Ulrike Hoffmann

Zusammenfassung. Die Auseinandersetzung mit Fällen von (sexualisierter) Gewalt gegen Kinder und Jugendliche sowie die Entwicklung von Schutzkonzepten war in den Institutionen des medizinisch-therapeutischen Bereiches über lange Zeit ein eher marginalisiertes Thema. Mit der Verankerung der Verpflichtung zur Erstellung von Schutzkonzepten gegen (sexualisierte) Gewalt in der Qualitätsmanagement-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) müssen sich jedoch nun alle Kliniken und Praxen dieser Thematik stellen. Der vorliegende Themenschwerpunkt gibt einen Überblick über Daten und Zahlen (sexueller) Übergriffe gegen Kinder und Jugendliche in medizinischen Institutionen und beschäftigt sich mit den Ursachen von Übergriffen durch Angehörige der Heilberufe sowie den daraus folgenden notwendigen Interventionen. Weiteres Thema ist die Entwicklung von Schutzkonzepten gegen (sexuelle) Gewalt. Es werden Hinweise zum Aufbau sowie zur praktischen Umsetzung im klinischen und ambulanten Bereich gegeben.


Author(s):  
Katharina Hellwig ◽  
Christoph Kröger ◽  
Stefanie Franke ◽  
Matthias Wehrmeyer ◽  
Nina Heinrichs

Zusammenfassung. Fragestellung: Die deskriptive Untersuchung von Anträgen auf Opferentschädigung für Kinder und Jugendliche sowie der soziodemografischen und traumaspezifischen Daten der Betroffenen. Methodik: Eine Analyse von 100 Akten der Opferentschädigung von Kindern und Jugendlichen mittels eines selbstentwickelten Kategoriensystems. Ergebnisse: Die Akten beinhalten ausschließlich interpersonelle Traumata, wovon 59 % Typ-II-Traumata sind. Die häufigste Gewaltform ist sexuelle Gewalt. Die Täter sind überwiegend Personen aus dem häuslichen Umfeld. Bei 79 % der Opfer wurden psychische Störungen diagnostiziert, am häufigsten die Posttraumatische Belastungsstörung. Schlussfolgerungen: Sexuell missbrauchte Kinder und Jugendliche machen einen Großteil der Zielgruppe von kinder- und jugendpsychotherapeutischen Traumaambulanzen nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) aus. Solche Traumaambulanzen sollten demnach eine spezifische Expertise in der psychotherapeutischen Behandlung dieser Kinder und Jugendlichen anbieten.


2013 ◽  
Vol 22 (2) ◽  
pp. 70-79 ◽  
Author(s):  
Sefik Tagay ◽  
Nevena Repic ◽  
Sonja Düllmann ◽  
Ellen Schlottbohm ◽  
Enno Hermans ◽  
...  

Das Ziel dieser Arbeit war der Vergleich von Psychotherapiepatienten im Kindes- und Jugendalter mit Schülern bezüglich der Prävalenz potentiell traumatischer Ereignisse, der posttraumatischen Symptomatik und der psychischen Belastung. Zudem wurden der Einfluss kumulativer Traumata auf posttraumatisches Erleben und mögliche Prädiktoren einer PTBS untersucht. Mit Hilfe des Essener Trauma-Inventars für Kinder und Jugendliche (ETI-KJ) und der Symptom Check-Liste 27 (SCL-27) wurden 96 Therapiepatienten mit 99 Schülern im Alter von 12 bis 17 verglichen. Hinsichtlich der Prävalenz potentiell traumatischer Ereignisse konnte kein Unterschied zwischen den Gruppen festgestellt werden. Patienten berichteten häufiger von interpersonellen Traumata und waren von einer höheren Anzahl persönlich erlebter Traumata betroffen. Für beide Gruppen erwiesen sich Alter, weibliches Geschlecht, die Anzahl traumatischer Erlebnisse sowie sexueller Missbrauch als signifikante Prädiktoren für die PTBS-Symptomatik. Kumulative und interpersonelle Traumata führen zu schweren psychosozialen Folgen bei Kindern und Jugendlichen. Daher gilt es diese standardmäßig zu eruieren und die Chronifizierung einer PTBS zu vermeiden.


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