Organische Nitrate und Thrombozytenfunktion
ZusammenfassungOrganische Nitrate unterschiedlicher chemischer Struktur sowie Nitroprussidnatrium und Molsidomin (bzw. ihre biologisch aktiven Metaboliten) können die (primäre) Aggregation und Sekretion von Humanthrombozyten in vitro und ex vivo hemmen. Eine solche Wirkung wird für Molsidomin (SIN-1) und Nitroprussidnatrium in vitro in Konzentrationen beobachtet, die in der gleichen Größenordnung liegen wie die vasodilatierenden Effekte der Substanzen. Dagegen sind für eine direkte Antiplättchenwirkung organischer Nitrate (Glyzeryltrinitrat, Isosorbiddinitr at, Isosorbidmononitrate, Teopranitol) in vitro Konzentrationen erforderlich, die ca. 100- bis 1000fach höher sind als die Plasmaspiegel der Substanzen nach therapeutischer Dosierung bzw. die Konzentrationen, die isolierte Gefäßstreifen relaxieren. Als gemeinsamer Wirkungsmechanismus der direkten thrombozy-tenfunktionshemmenden und gefäßerweiternden Wirkung all dieser Substanzen kann heute eine Stickoxid-(NO)-vermittelte Stimulation der cGMP-Bildung angenommen werden, das aus organischen Nitraten als »Pro-drug« entsteht. Die Freisetzung von NO, eines »endothelial cell-derived relaxing factors« (EDRF) aus Nitroprussidnatrium und SIN-1 erfolgt spontan. Dagegen erfordert die Freisetzung von NO aus organischen Nitraten einen enzymatischen Stoffwechselweg, der in isolierten Thrombozyten nicht vorhanden ist. Eine Antiplättchenwirkung organischer Nitrate in vivo bzw. ex vivo wird daher über die Stimulation eines endothelialen, thrombozyteninhibitorischen Faktors erklärt. Hierbei sind Prostazyklin sowie ein bisher unbekannter Endothel-zellfaktor neben einer synergistischen Wirkung organischer Nitrate mit endogenem Prostazyklin in Diskussion. Eine thrombozytenfunktionshemmen-de Wirkung organischer Nitrate könnte in Kombination mit ihren hämody-namischen Effekten auch für die an-tianginöse Wirkung in der Klinik bedeutsam sein, insbesondere zur Verhinderung vasospastischer Zustände bei der instabilen Angina pectoris.