Psychosomatische Urologie – wie therapiere ich chronische urologische Erkrankungen?

2019 ◽  
Vol 50 (02) ◽  
pp. 184-189
Author(s):  
Ulrike Hohenfellner

ZusammenfassungIn urologischen Facharztpraxen weisen 50 – 70 % der Patienten chronische urologische Erkrankungen auf, nämlich rezidivierende Harnwegsinfekte, die somatoforme überaktive Blase und die Enuresis des Erwachsenen und des Kindes, das chronische Beckenschmerzsyndrom und die psychosomatisch bedingte Form der Post-Prostatektomie-Harninkontinenz. Denn die 12-Monats-Prävalenz psychischer Störungen in der erwachsenen Allgemeinbevölkerung beträgt 28 % 1. Bereits 20 % der Kinder und Jugendlichen zeigen psychische Auffälligkeiten 2. Häufig findet sich eine begleitende somatoforme Beschwerdesymptomatik, oftmals eine psychosomatische Miktionsstörung mit konsekutiv komplexer Beckenboden-Dysfunktion 3 4 5 6. Die meisten Patienten berichten über einen langjährigen Leidensweg, da sowohl der funktionelle Charakter als auch die psychosoziale Belastung bisher unerkannt geblieben sind, aus denen die Entstehung und Aufrechterhaltung der Beschwerden resultieren. So haben sie meist diverse Therapieversuche erlebt, die nicht indiziert waren, entsprechend frustran und evtl. gar von Komplikationen begleitet. Dadurch wurden die Somatisierung und die Symptomatik i. d. R. noch verstärkt.Zur ursächlichen Behandlung ist die Beseitigung der zugrundeliegenden psychosomatischen Miktionsstörung und Beckenboden-Dysfunktion notwendig. Dieses erfordert eine multimodale Therapie wie z. B. PELVICFIT®, die ein körperorientiertes Training auf dem Boden der progressiven Muskelrelaxation mit Schulung der Körperwahrnehmung und eine ärztliche psychotherapeutische Begleitung miteinander vereint. Denn sowohl das (Wieder-)Erlernen der Willkürkontrolle über den externen urethralen Sphinkter und die Herstellung eines physiologischen Miktionsverhaltens als auch die Reduktion der psychosozialen Belastung sind erforderlich, um einen Therapieerfolg der so chronifizierten Symptomatik erreichen zu können 7 8 9.

2017 ◽  
Vol 6 (2) ◽  
pp. 75-86 ◽  
Author(s):  
Larissa Rauscher ◽  
Juliane Kohn ◽  
Tanja Käser ◽  
Karin Kucian ◽  
Ursina McCaskey ◽  
...  

Zusammenfassung. Ziel der vorliegenden Studie ist die Überprüfung des Einflusses eines computerisierten Rechentrainings (Calcularis) auf psychische Auffälligkeiten, Selbstbewertungen der eigenen Leistungsfähigkeit und Leistungsängste. 68 rechenschwache Kinder wurden zufällig einer von drei Studienbedingungen (Calcularis-(CG), Wartekontroll-(WKG), nicht-mathematikbezogene Kontrolltrainingsgruppe (KTG)) zugeordnet. Generell bestätigte sich eine größere emotionale Belastung der rechenschwachen Kinder. Die Ergebnisse zur unmittelbaren Wirksamkeit zeigten eine deutlich stärkere Reduktion der Mathematikangst bei Kindern der CG im Vergleich zur WKG, während sich keine Unterschiede zwischen den Trainingsgruppen ergaben. Zudem verbesserten sich die Gruppen gleichermaßen in Bezug auf die Selbsteinschätzung und Einstellung zum Fach Mathematik und das kognitive Selbstkonzept. Längerfristig, fünf Monate nach Trainingsabschluss, zeigte sich eine vergleichbare Verbesserung beider Trainingsgruppen hinsichtlich der sozio-emotionalen Merkmale, während die psychischen Auffälligkeiten auf einem stabilen Niveau blieben. In Bezug auf die Selbsteinschätzung und Einstellung zum Fach Mathematik wies die KTG eine stärkere Verbesserung auf als die CG. Die Befunde werden unter Berücksichtigung besonderer Stichprobencharakteristika, wie dem hohen Anteil komorbider Schwächen der Schriftsprache in der KTG, diskutiert. Erstmals wurde vorliegend die Reduktion der Mathematikangst in Folge eines Rechentrainings nachgewiesen.


2017 ◽  
Vol 67 (09/10) ◽  
pp. 413-419 ◽  
Author(s):  
Annette Haußmann ◽  
Norbert Schäffeler ◽  
Martin Hautzinger ◽  
Birgit Weyel ◽  
Thomas Eigentler ◽  
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Zusammenfassung Während einer Krebserkrankung stellen sich Fragen nach Lebenssinn in neuer Prägnanz. Studien zeigen, dass ein Großteil der Patienten spirituelle Bedürfnisse äußern und Religiosität/ Spiritualität eine wichtige Ressource in der Krankheitsbewältigung sein kann. Bislang liegen zur Entwicklung psychischer Belastung und der Rolle spiritueller Bedürfnisse im Krankheits- und Behandlungsverlauf von Patienten mit malignem Melanom wenige Studien vor. Die Studie untersucht religiöse/spirituelle Bedürfnisse und psychosoziale Belastungen bei n=22 Patienten mit malignem Melanom zu 2 Zeitpunkten: stationärer Aufenthalt zur Entfernung der Wächterlymphknoten (t1) sowie 8 Wochen später (t2). Distress, Angst, Depressivität sowie spirituelle Bedürfnisse und Religiosität wurden mithilfe standardisierter Assessments (HSI, DT, HADS, PHQ; SpNQ; SpREUK) erfasst. Unabhängig von Belastung und Messzeitpunkt äußerten alle Patienten spirituelle Bedürfnisse. Besonders wichtig waren das Bedürfnis nach ganzheitlichem Heilsein, sozialer Einbindung, Gewissheit von Lebenssinn und Gespräch über Sorgen und Ängste. Es zeigte sich eine geringere psychische Belastung von Patienten, die sich selbst als religiös bezeichneten. Die Ergebnisse zeigen die Relevanz einer Berücksichtigung von spirituellen Bedürfnissen im klinischen und ambulanten Kontext der Krebsbehandlung. Die Befunde deuten außerdem darauf hin, dass Religiosität/Spiritualität eine wichtige Ressource bei der Krankheitsverarbeitung sein kann. Spirituelle Bedürfnisse sollten im Behandlungsprozess im Sinne eines integrativen Behandlungskonzepts sowohl von psychoonkologischer als auch von seelsorgerlicher Seite erfragt und berücksichtigt werden.


Author(s):  
C. Dennis Boywitt ◽  
Christian Zwingmann ◽  
Regina Behrendt ◽  
Heiko Schneitler

Fragestellung: Ziel dieser Arbeit war es, die Wirksamkeit der psychosozialen Betreuung (PSB) von Klienten in Substitutionsbehandlung anhand verschiedener Kriterien wie psychosoziale Belastung, individuelle Zielerreichung und Beikonsum zu untersuchen. Methodik: Zu diesem Zweck wurde eine Stichprobe von Klienten, die zu diesem Zeitpunkt in psychosozialer Betreuung war, zu zwei Zeitpunkten befragt. Der Abstand zwischen den beiden Befragungen betrug etwa zwölf Monate, um kurz- bis mittelfristige Entwicklungen im Rahmen der PSB abbilden zu können. Ergebnisse: Auf der zentralen Variablen der psychosozialen Belastung zeigen sich im Rahmen der PSB deutlich positive Entwicklungen. Auch das Ausmaß der individuellen Zielerreichung ist positiv. Weiterhin zeigt sich eine deutliche Übereinstimmung zwischen Klienten und Betreuern in der Einschätzung der Lage der Klienten und deren Entwicklung. Allerdings lässt sich praktisch keine Veränderung im Bereich des Beikonsums feststellen. Schlussfolgerungen: Die psychosoziale Betreuung stabilisiert die psychosoziale Situation der Klienten und ist damit ein günstiger Bestandteil im Hilfesystem der Substitutionsbehandlung opiatabhängiger Patienten.


2018 ◽  
Vol 39 (02) ◽  
pp. 116-123
Author(s):  
Annette Haußmann ◽  
Norbert Schäffeler ◽  
Martin Hautzinger ◽  
Birgit Weyel ◽  
Thomas Eigentler ◽  
...  

Zusammenfassung Einleitung Während einer Krebserkrankung stellen sich Fragen nach Lebenssinn in neuer Prägnanz. Studien zeigen, dass ein Großteil der Patienten spirituelle Bedürfnisse äußern und Religiosität/ Spiritualität eine wichtige Ressource in der Krankheitsbewältigung sein kann. Bislang liegen zur Entwicklung psychischer Belastung und der Rolle spiritueller Bedürfnisse im Krankheits- und Behandlungsverlauf von Patienten mit malignem Melanom wenige Studien vor. Methoden Die Studie untersucht religiöse/spirituelle Bedürfnisse und psychosoziale Belastungen bei n = 22 Patienten mit malignem Melanom zu 2 Zeitpunkten: stationärer Aufenthalt zur Entfernung der Wächterlymphknoten (t1) sowie 8 Wochen später (t2). Distress, Angst, Depressivität sowie spirituelle Bedürfnisse und Religiosität wurden mithilfe standardisierter Assessments (HSI, DT, HADS, PHQ; SpNQ; SpREUK) erfasst. Ergebnisse Unabhängig von Belastung und Messzeitpunkt äußerten alle Patienten spirituelle Bedürfnisse. Besonders wichtig waren das Bedürfnis nach ganzheitlichem Heilsein, sozialer Einbindung, Gewissheit von Lebenssinn und Gespräch über Sorgen und Ängste. Es zeigte sich eine geringere psychische Belastung von Patienten, die sich selbst als religiös bezeichneten. Diskussion Die Ergebnisse zeigen die Relevanz einer Berücksichtigung von spirituellen Bedürfnissen im klinischen und ambulanten Kontext der Krebsbehandlung. Die Befunde deuten außerdem darauf hin, dass Religiosität/Spiritualität eine wichtige Ressource bei der Krankheitsverarbeitung sein kann. Schlussfolgerung Spirituelle Bedürfnisse sollten im Behandlungsprozess im Sinne eines integrativen Behandlungskonzepts sowohl von psychoonkologischer als auch von seelsorgerlicher Seite erfragt und berücksichtigt werden.


Author(s):  
G. Hinrichs ◽  
A. Behnisch ◽  
K. Krull ◽  
S. Reimers

Zusammenfassung Fragestellung: An einer Stichprobe von 145 männlichen Inhaftierten des Jugendstrafvollzuges wurden Einflussfaktoren, Struktur und Vorhersagbarkeit von Therapiemotivation erfasst. Methodik: Als Prädiktoren dienten biographische Daten, die Therapieerwartung, Persönlichkeitsmerkmale (gemessen mit dem FPI-R) sowie die psychische Belastung (erhoben über die Symptomcheckliste). Das Kriterium Therapiemotivation untergliederte sich in die Bereiche: Leidensdruck, Unzufriedenheit, Änderungswunsch, Hilfewunsch und Erfolgserwartung. Ergebnisse: Innerhalb der Stichprobe fand sich eine deutliche biographische, psychische und symptomatologische Belastung. Bei mittleren Werten für die Therapieerwartung und -motivation erklärten sich zwei Drittel zu einer Behandlung während ihrer Inhaftierung bereit. Schlussfolgerungen: Therapiemotivation erwies sich als eindimensionales Konstrukt, ließ sich am ehesten aus der emotionalen Labilität vorhersagen, gefolgt von der Symptombelastung, der Therapieerwartung sowie der Gehemmtheit. Bedeutsame Unterschiede durch zusätzliche Gruppenvergleiche fanden sich im Wesentlichen für die testpsychologischen Kennwerte, nicht so sehr für das Konstrukt der Therapiemotivation.


2000 ◽  
Vol 31 (3) ◽  
pp. 143-152 ◽  
Author(s):  
Marianne Hammerl
Keyword(s):  

Zusammenfassung: Sozialpsychologische Experimente stehen häufig in der Kritik, sie seien artifiziell und spiegeln nicht das «wirkliche Leben» wider. In diesem Zusammenhang weisen Aronson und Carlsmith (1968) darauf hin, dass es gar nicht die Aufgabe eines Experiments ist, die Lebenswelt zu simulieren, sondern ein Höchstmaß an experimenteller Realitätsnähe aufzuweisen (d. h. eine größtmögliche Wirkung auf die Versuchspersonen zu erzielen). Die experimentelle Realitätsnähe eines Laborexperiments wird wiederum bestimmt durch die Art der gewählten Operationalisierung der unabhängigen und abhängigen Variablen. Daher wurde in der vorliegenden Arbeit anhand von 6 kompletten Jahrgängen (1994-1999) der Zeitschrift für Sozialpsychologie überprüft, auf welche Weise diese Variablen in den jeweiligen experimentellen Arbeiten operationalisiert wurden. Es zeigte sich eine stark ausgeprägte Präferenz für hypothetische Szenarien zur Manipulation der unabhängigen Variablen und für Selbstberichtsverfahren zur Messung der abhängigen Variablen. Systematische Vergleiche zwischen verschiedenen experimentellen Settings wurden nur selten durchgeführt.


2002 ◽  
Vol 23 (3) ◽  
pp. 305-326 ◽  
Author(s):  
Peter Schulz ◽  
Wolff Schlotz ◽  
Jutta Wolf ◽  
Stefan Wüst
Keyword(s):  

Zusammenfassung: Obwohl Frauen durchschnittlich von mehr Befindensstörungen, Stress und körperlichen Beschwerden berichten als Männer, weist ihre höhere Lebenserwartung objektiv auf eine bessere Gesundheit hin. Zur Erklärung dieses paradoxen Befundes wird die interindividuell variierende Neigung zur Besorgnis herangezogen. In der Besorgnis-Skala des Trierer Inventar zur Erfassung von chronischem Stress (TICS) zeigt sich eine altersunabhängig stärker ausgeprägte Besorgnisneigung bei Frauen (N = 1255), die Geschlechtsunterschiede in anderen Skalen zum chronischen Stress aufklärt. In einer weiteren Stichprobe (N = 360) erklärt die Variable Besorgnisneigung Geschlechtsunterschiede bei stressbezogenen Variablen, die in der Literatur berichtet werden. Nach den hier vorgestellten Ergebnissen lassen sich die durchschnittlich höheren Werte von Frauen im Stresserleben, bei den fatalistisch-externalen Kontrollüberzeugungen, bei der Stressanfälligkeit, der Depressivität und bei körperlichen Beschwerden, sowie ihre geringeren Werte im Selbstwertgefühl und im Selbstkonzept eigener Fähigkeiten auf den Geschlechtsunterschied in der Besorgnisneigung zurückführen. Messungen der Cortisol-Aufwachreaktion und des Cortisol-Tagesprofils sind von der Neigung zur Besorgnis unabhängig. Die Befunde werden zur Erklärung der geschlechtsabhängigen Diskrepanz zwischen Morbidität und Mortalität herangezogen.


2007 ◽  
Vol 64 (9) ◽  
pp. 485-494 ◽  
Author(s):  
Jannasch ◽  
Tautenhahn ◽  
Dalicho ◽  
Lippert

Schwierige Wunden unterschiedlicher Genese stellen auf Grund ihrer Komplexität und eines oft langwierigen Verlaufes ärztliches und pflegerisches Können vor eine große Herausforderung. Im Gesundheitswesen fallen sie als Kostenfaktor ins Gewicht. Zu den schwierigen Wunden zählen insbesondere chronische Wunden, die den Großteil dieser Erkrankungen ausmachen und für die Betroffenen eine körperliche und oftmals psychosoziale Belastung darstellen. Großflächige und tiefreichende Wunden, Wunden in vorgeschädigtem Gewebe, Wundkomplikationen und -infektionen sowie Wunden bei Patienten mit schweren Begleiterkrankungen oder hohem Lebensalter sind auf Grund der oft schweren Verläufe gefürchtet. Die Kenntnis von typischen Symptomen und Besonderheiten des Krankheitsverlaufes ist von großer Bedeutung für eine frühzeitige Diagnose und Behandlung.


2015 ◽  
Vol 72 (9) ◽  
pp. 587-591
Author(s):  
Claas Lennart Neumann ◽  
Egbert Godehard Schulz
Keyword(s):  

Zusammenfassung. Trotz zahlreicher Probleme bei der Umsetzung und den bereits zahlreichen vorhandenen telemedizinischen Ansätzen zeigt sich eine zunehmender Wunsch nach mehr Integration von IT-Lösungen in das Gesundheitssystem bei allen beteiligten Akteuren (Patienten, Ärzte, Software- und Hardwareentwickler, Versicherer und Leistungserbringer etc.). Dies spiegelt wieder, dass die digitalen Lösungen in der Medizin noch nicht im 21. Jahrhundert angekommen sind und weit hinter ihren Möglichkeiten zurückbleiben. So bleiben telemedizinische Ansätze „Leuchtturmprojekt“ meist ohne mittel- und langfristige Bedeutung für die medizinische Patientenversorgung oder die wissenschaftliche Forschung und ist weit entfernt von einer überregionalen bzw. nationalen Standardisierung. Das EUSTAR-Register unter der ESH-Schirmherrschaft wird konzipiert, um durch die Verwendung der innovativen Softwarelösung SCITIM® die noch bestehenden informationstechnischen Lücken zu schließen und eine breite Verwendung von Telemedizin unter der Schaffung von wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Evidenzen zu ermöglichen. Der Ansatz des interventionellen dezentralen Telemonitorings (idTM®) scheint hierfür am geeignetsten, da eine klare und direkte Arzt-Patienten-Bindung und -Kommunikation erhalten bleibt. Der grundsätzliche Bewertungsmaßstab, die Qualität der telemedizinischen Applikation von der medizinischen Qualität der Handlungskonsequenz abzuleiten, findet bei der Mehrzahl der in kleineren Projekten etablierten Anwendungen und Verfahren kaum Berücksichtigung.


2015 ◽  
Vol 72 (4) ◽  
pp. 225-231
Author(s):  
Irene Bopp-Kistler

Vor der Diagnoseeröffnung geht sowohl für die Demenzerkrankten, wie aber auch für ihre Angehörigen eine lange Zeit der Unsicherheit, der Verunsicherung, der Angst, der Zweifel, aber auch von Konflikten voraus. Der Beginn einer neurodegnerativen Erkrankung ist immer mit sehr vielen offenen Fragen verbunden. Wenn jüngere Patienten noch im Berufsleben stehen, löst bereits das Stadium des Mild Cognitive Impairment Fehlleistungen, Burnout, Mobbing, Depression und Krankschreibung aus. In der Partnerschaft entstehen Konflikte und Schuldzuweisungen. Es ist viel zu wenig bekannt, dass meist diese Probleme auf Beziehungsebene belastender sind als die typischen Defizite, die auf die Demenzerkrankung zurückzuführen sind. Es besteht leider immer noch die Meinung, dass sich eine Abklärung und Diagnosestellung nur bei Krankheiten lohnt, die auch behandelbar sind. Ziel jeder evidenzbasierten Medizin sollte es aber sein, den Patienten und ihren Angehörigen eine möglichst gute Lebensqualität zu geben. Und diese Forderung ist besonders bezüglich Demenzdiagnose zu stellen. Ein offenes Diagnoseeröffnungsgespräch ermöglicht es den Patienten und ihren Angehörigen, sich mit der Situation auseinander zu setzen, miteinander Lösungsstrategien zu suchen in der herausfordernden Situation einer Demenzerkrankung, die immer das ganze familiäre und soziale System betrifft. Der Patient hat das Recht auf Information über seine Diagnose, das gilt auch für die Demenzerkrankten. Das Diagnosegespräch erfordert Zeit und höchste Professionalität, das Wissen um die individuellen Defizite und Ressourcen, die soziale Situation und die Biographie und Persönlichkeit der Patienten, aber auch ihrer Angehörigen. Das Diagnosegespräch löst viele Emotionen aus, es ist wichtig auf diese einzugehen und diese auch aufzunehmen. Primär sollte mit dem Patienten gesprochen werden, aber möglichst im Beisein der Angehörigen, wichtig dabei ist die Wertschätzung des Demenzerkrankten auch bei Anosognosie. Den Angehörigen sollten nicht Ratschläge gegeben werden, sondern es sollte in einem therapeutischen Gespräch auf ihre Gefühle des permanenten Abschiednehmens der geliebten Person eingegangen werden, auf ihre Trauer und Wut. Erst dann wird die Grundlage gelegt, damit gemeinsam im Sinne eines verhaltenstherapeutisch-systemischen Settings Lösungsstrategien gefunden werden können. Begleitung von Demenzerkrankten und ihren Angehörigen bedeutet somit nicht nur Case-Management und Beratung, wobei auch dies von großer Wichtigkeit ist, sondern sich Einlassen auf die veränderte Beziehung und Situation. Dann kann Resilienz entstehen, welche Voraussetzung dafür ist, dass die langdauernde Krankheit, die mit einem permanenten Abschiednehmen verbunden ist, gemeistert werden kann.


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