scholarly journals Atmen: Luftschadstoffe und Gesundheit – Teil III

Pneumologie ◽  
2019 ◽  
Vol 73 (07) ◽  
pp. 407-429
Author(s):  
H. Schulz ◽  
S. Karrasch ◽  
G. Bölke ◽  
J. Cyrys ◽  
C. Hornberg ◽  
...  

ZusammenfassungDer dritte Teil des DGP-Positionspapiers stellt den aktuellen Wissensstand zu bislang weniger untersuchten Gesundheitsgefährdungen durch Luftschadstoffe vor: gestörte Glukosetoleranz und Diabetes sowie neurodegenerative Erkrankungen und neurokognitive Entwicklung bei Kindern. Weiterhin wird die Bedeutung einer Exposition während der Schwangerschaft für Mutter und Kind beschrieben und abschließend in die derzeit diskutierten Mechanismen zur Erklärung der unterschiedlichen adversen Effekte von Luftschadstoffen eingeführt.Verschiedene, sich oft ergänzende Pathomechanismen bilden die Grundlage für die unterschiedlichen, durch Luftschadstoffe bedingten Gesundheitseffekte. Oxidativer Stress und eine subklinische entzündliche Reaktion in der Lunge, aber auch auf systemischer Ebene („low-grade systemic inflammation“), stehen dabei im Mittelpunkt. Diese begünstigen sekundäre Veränderungen im Organismus wie vaskuläre oder metabolische Prozesse und können darüber hinaus zu epigenetischen Effekten oder zur „Neuroinflammation“ führen. Die Bedeutung von löslichen, systemisch verfügbaren Partikelbestandteilen aber auch die Translokation von ultrafeinen Partikeln aus der Lunge über die Blutbahn in sekundäre Zielorgane wie Leber, Gehirn oder den Fötus wird dabei intensiv diskutiert.Diabetes mellitus ist eine der häufigsten chronischen Erkrankungen weltweit, mit einer Prävalenz von knapp 14 % in Deutschland. Bei dem mit großem Abstand häufigeren Typ 2-Diabetes mellitus spielen Lebensstilfaktoren bei der Genese eine wesentliche Rolle. Toxikologische und epidemiologische Studien legen darüber hinaus nahe, dass auch eine langfristige Luftschadstoffbelastung zu einem erhöhten Risiko v. a. für den Typ 2-Diabetes beitragen kann. Zusätzliche Hinweise für eine ursächliche Rolle liefern Studien zur Glukoseregulation, der Insulinsensitivität und dem Schwangerschaftsdiabetes. Ergebnisse experimenteller Studien unterstützen diese Zusammenhänge und zeigen plausible biologische Mechanismen auf. Jedoch sind zur Stärkung der gegenwärtigen Evidenz prospektive Studien mit Berücksichtigung multipler Lebensstil- und Umweltfaktoren wie Grünflächen oder Lärm und einer präziseren individuellen Abschätzung der Schadstoffbelastung notwendig.Mit der Altersentwicklung in der Bevölkerung nimmt die Krankheitslast durch neurodegenerative Erkrankungen zu. Erste Studien weisen auf einen möglichen Beitrag durch Luftschadstoffe, v. a. durch Feinstaub, hin. So wird in einigen Studien bei einer erhöhten Schadstoffbelastung eine Abnahme der neurokognitiven Leistungsfähigkeit im Erwachsenenalter und ein erhöhtes Risiko für eine Demenz oder eine Alzheimer-Erkrankung beobachtet, jedoch sind die Studien in Bezug auf Design, Expositionsabschätzung und Gesundheitseffekt noch inhomogen und die Studienergebnisse insgesamt gesehen noch inkonsistent. In Bezug auf die neurokognitive Entwicklung im Kindesalter beschreiben erste Studien einen Zusammenhang zwischen dem Grad der Luftverschmutzung, z. B. an der Schule, und einer verzögerten kognitiven Entwicklung.Auch wenn die Evidenz für die verschiedenen biologischen Endpunkte während der Schwangerschaft noch sehr heterogen ist, weisen die Studien insgesamt auf einen negativen Einfluss der Luftschadstoffe auf den mütterlichen und fetalen Organismus hin. Die stärkste Evidenz liegt für ein verringertes Geburtsgewicht im Zusammenhang mit erhöhten Luftschadstoffen vor, allerdings mit relativ niedriger Effektgröße von im Mittel nur wenigen Gramm. Darüber hinaus kommt es zu einer erhöhten Häufigkeit von zu geringem Geburtsgewicht (< 2500 g). Eine mögliche Beeinflussung des mütterlichen Organismus durch die Schadstoffbelastung wird durch ein erhöhtes Risiko für Schwangerschaftsbluthochdruck und Präeklampsie verdeutlicht. Der Einfluss einer intrauterinen Exposition auf die frühkindliche Lungenfunktion und die Entstehung allergischer Erkrankungen ist derzeit nicht eindeutig, für diese Endpunkte fällt auch die Differenzierung zwischen intrauterinen und postnatalen Effekten in epidemiologischen Studien schwer.

2019 ◽  
Vol 13 (03) ◽  
pp. 145-148
Author(s):  
Torsten Schröder ◽  
Christian Sina

ZusammenfassungÜbergewicht und Adipositas zeigen eine deutlich steigende Prävalenz auf und begünstigen Folgekomplikationen wie Typ 2 Diabetes mellitus und kardiovaskuläre Endpunkte. Die bisherige Ernährungstherapie konnte dieser Entwicklung nicht ausreichend effektiv entgegentreten. Personalisierungsstrategien unter Zuhilfenahme von modernen Analyseverfahren objektivierbarer Messgrößen stellen eine innovative und effektive Strategie dar, um Übergewicht und Adipositas sowohl zu verhindern als auch zu therapieren. Die hohe Individualität des Darm-Mikrobioms und der postprandialen Blutzuckerregulation steht im Zentrum dieser Ansätze.


2020 ◽  
Vol 18 (02) ◽  
pp. 69-76
Author(s):  
Stephan Kress ◽  
Anja Borck ◽  
Ariel Zisman ◽  
Peter Bramlage ◽  
Thorsten Siegmund

ZUSAMMENFASSUNGDer BeAM-Wert ist ein kumulatives Maß der postprandialen Hyperglykämie. Er lässt sich aus der Blutglukosekonzentration vor dem Zubettgehen (Be) und der darauf folgenden Nüchternglukose am Morgen (AM) errechnen. In zwei retrospektiven Auswertungen von Daten aus Phase-III- und -IV-Studien wurde der Nutzen des BeAM-Wertes als Entscheidungshilfe für den Beginn der intensivierten Insulintherapie bei Typ-2-Diabetes mellitus (T2DM) Patienten unter basalinsulinunterstützter oraler Therapie (BOT) dargelegt. Bei Patienten, deren Therapie von einer oralen antidiabetischen Therapie (OAD) auf eine basalinsulinunterstützte orale Therapie umgestellt wird, steigen Ausmaß der postprandialen Hyperglykämie und der BeAM-Wert an bei gleichzeitig sinkendem HbA1c-Wert und Nüchternglukose. Nach Umstellung auf eine intensivierte Insulintherapie fällt der BeAM-Wert und das Ausmaß der postprandialen Hyperglykämie geht zurück. Insbesondere Patienten mit einem BeAM-Wert > 50 mg/dl profitieren von der Umstellung auf eine intensivierte Insulintherapie. Ein negativer BeAM-Wert spricht gegen den Einstieg in die prandiale Insulintherapie.


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