Ein indikatorbasierter Ansatz zur Schätzung der wetterbedingten Wintermortalität von Bienenvölkern
<p>Die Honigbiene ist eines der wichtigsten vom Menschen gehaltenen Insekten. Neben der &#246;konomischen Bedeutung der Bienenprodukte Honig, Wachs, Propolis und Gel&#233;e royale kommt der Bienenhaltung eine enorme &#246;kologische Bedeutung durch die Best&#228;ubung von Wild- und Ackerpflanzen zu. Weltweit wurden in den vergangenen Jahren hohe Verluste von geimkerten Bienenv&#246;lkern gemeldet.</p> <p>Eine mit internationalen Standards definierte Ma&#223;zahl ist die Wintersterblichkeit von Bienenv&#246;lkern, die in &#214;sterreich seit 2008 in einer Langzeitstudie systematisch erhoben wird. Ein weltweit einzigartiger Datensatz, der 266.000 Bienenv&#246;lker f&#252;r die Jahre 2011-2020 umfasst, wurde f&#252;r eine Analyse der Wetterabh&#228;ngigkeit der Wintersterblichkeit herangezogen. Dabei wurde ein neuartiger Ansatz gew&#228;hlt: &#220;ber das Jahr spielen biophysikalische Prozesse eine wichtige Rolle f&#252;r die Vitalit&#228;t der Kolonie. F&#252;r vier dieser Prozesse wurden Wirkketten identifiziert, die diese mit dem Wettergeschehen verkn&#252;pfen. Anhand von Indikatoren wurde ein hochaufgel&#246;ster Beobachtungs-Gitterdatensatz nach diesen spezifischen Wetterereignissen durchsucht.</p> <p>Die Korrelationen zwischen Wetter und Wintermortalit&#228;t wurden mittels einfacher und multipler linearer Regressionen &#246;sterreichweit sowie auf Bezirksebene statistisch analysiert. Zum einen ging es um die relative Bedeutung der einzelnen Wetterereignisse, zum anderen um die Erkl&#228;rungskraft der kombinierten Indikatoren. Die Dauer extremer K&#228;ltewellen im Sp&#228;twinter wurde als wichtigster Faktor identifiziert, der allein im Mittel &#252;ber alle Bezirke mit passender Korrelation etwa 20% der Mortalit&#228;tsraten erkl&#228;ren konnte. Die M&#246;glichkeit f&#252;r Reinigungsfl&#252;ge und Wassersammeln im Fr&#252;hwinter, gegeben durch regelm&#228;&#223;ig auftretende Sch&#246;nwetterperioden, stellte sich als zweitwichtigster Pr&#228;diktor heraus (R<sup>2</sup> von 0.13). Multiple Modelle konnten zwar noch h&#246;here Anpassungsg&#252;te erreichen, wiesen aber aufgrund der statistisch gesehen kurzen Zeitreihe Anzeichen von &#220;beranpassung (Overfitting) auf.</p> <p>Die Ergebnisse quantifizieren den direkten und indirekten Einfluss des Wetters auf die Wintersterblichkeit von Bienenv&#246;lkern erstmals anhand biophysikalischer Wirkketten. Der Ansatz kann in mehrerlei Hinsicht weiterentwickelt werden: Durch Einbeziehung von Imker*innen bei der Festlegung von Wirkketten und Indikatoren; durch die Erweiterung der Modelle mit Daten zur Landnutzung, Management des Bienenstockes, Krankheiten, Pestizideinsatz und Ph&#228;nologie; sowie durch die Analyse der Wechselwirkungen verschiedener biophysikalischer Prozesse untereinander. Die untersuchten Korrelationen stellen letztlich die Situation im aktuellen Klima dar. Im Zuge des Klimawandels k&#246;nnen sie sich aufgrund von Systembr&#252;chen &#228;ndern oder sogar umkehren.</p>