Zusammenfassung. Traditionell stellen Anamneseerhebung mit genauer Charakterisierung der Symptome und klinische Untersuchung die Grundlage der Diagnostik dar. Die rasche technologische Entwicklung sowohl bei den labortechnischen als auch bei den bildgebenden Verfahren haben die diagnostischen Möglichkeiten dramatisch verändert und den Druck, jedem Symptom eine fassbare Diagnose zuzuordnen, erhöht. Krankheiten insbesondere maligne Leiden sollen bei Screeninguntersuchungen zu einem möglichst frühen Zeitpunkt entdeckt und entsprechend behandelt werden, unabhängig davon, ob der so diagnostizierte Tumor tatsächlich zum Tode führt oder nur ein indolenter Tumor ist. Parallel dazu haben sich die Interventionsmöglichkeiten erhöht, die den Einsatz der therapeutischen Optionen bei symptomatischen Personen ebenso möglich macht wie bei asymptomatischen. Das führt zu einem Verwischen der Grenzen zwischen Gesundheit, vorhandenem Risiko für eine Erkrankung und der Krankheit selbst. Diese Entwicklungen werden durch Überdiagnostik gefördert, die dadurch definiert ist, dass bei asymptomatischen Personen oder bei Personen mit uncharakteristischen Beschwerden Diagnosen gestellt werden, die in der Regel keine Symptome machen oder gar zum Tode führen. Die Überdiagnostik als Ursache einer «modernen Epidemie». Die Ursachen der Überdiagnostik liegen in der technologischen Entwicklung, in der Technikgläubigkeit, in der irrigen Vorstellung absolute diagnostische Sicherheit sei möglich, in einer defensiven Medizin, die einerseits aus medikolegalen Gründen andererseits aus übertriebener Sorge, eine Diagnose zu verpassen, zur Überdiagnostik führt. Im weiteren kann sie begünstigt werden durch die Vorstellung, dass negative Testergebnisse besorgte Patienten beruhigen können. Falsch gesetzte Anreize können ebenso zur Überdiagnostik beitragen, wie mangelndes Wissen über Sensitivität und Spezifität verschiedener Tests und die Wahrscheinlichkeit für das Zutreffen oder Nicht-Zutreffen einer bestimmten Diagnose in einem konkreten klinischen Setting. Massnahmen, die Überdiagnostik zu reduzieren, werden diskutiert.