Zusammenfassung
Hintergrund Menschen mit chronischen Erkrankungen (MmcE) sind mit vielfältigen Anforderungen der Krankheitsbewältigung und der Versorgungsnutzung konfrontiert. Entsprechend hoch ist ihr Bedarf an Information und auch an Gesundheitskompetenz (GK). Während das Thema international seit längerem die Aufmerksamkeit der Forschung findet, fehlen für Deutschland bislang Untersuchungen zur GK von MmcE.
Ziel und Methode Ziel der vorliegenden Analyse ist es, die GK von MmcE in Deutschland vertiefend zu analysieren. Dazu wurden Querschnittsdaten von insgesamt 499 MmcE des deutschen Gesundheitskompetenzsurveys (HLS-GER) genutzt. Die GK wurde mit dem European Health Literacy Survey Questionnaire (HLS-EU-Q 47) erfasst. Potenzielle Unterschiede bei der Verteilung von GK wurden nach Geschlecht, Alter, Sozialstatus, finanzielle Ressourcen, Bildungsniveau und literale Fähigkeiten (gemessen mit dem Newest Vital Sign (NVS)) und krankheitsbezogenen Merkmalen (Krankheitsanzahl und -dauer) mittels Chi-Quadrat Test geprüft. Ebenso wurde der Einfluss dieser Faktoren auf GK bei MmcE mittels multipler logistischer Regression untersucht.
Ergebnisse 72,7% der MmcE weisen eine geringe GK auf. Dabei variiert die GK stark nach den untersuchten Bereichen Krankheitsbewältigung/-versorgung, Prävention und Gesundheitsförderung. Ein niedriger Sozialstatus (Odds Ratio (OR): 4,4 [1, 8; 10, 7]), geringe finanzielle Ressourcen (OR: 2,0 [1,2; 3,1]), limitierte literale Fähigkeiten (OR: 2,7 [1,4; 5,0]) sowie ein mittleres Bildungsniveau (OR: 0,5 [0,3; 0,9]) sind in der multiplen logistischen Regression mit geringer Gesundheitskompetenz assoziiert. Krankheitsanzahl und -dauer zeigen keinen signifikanten Zusammenhang mit geringer GK.
Schlussfolgerung Die Analyse liefert erste Erkenntnisse für Deutschland, die künftig der Vertiefung bedürfen. Sie liefern aber schon jetzt wichtige Hinweise für die Interventionsentwicklung. Erforderlich ist es, zielgruppenspezifische Interventionen zur Stärkung der persönlichen GK von MmcE zu entwickeln, die sich speziell an chronisch Erkrankte mit niedrigem Sozialstatus, geringen finanziellen Ressourcen und eingeschränkter Literalität richten. Um Stigmatisierungen zu vermeiden, ist es wichtig, dass Interventionen zugleich auf die Reduktion bestehender Anforderungen in der Lebensumwelt zielen und die Suche, Aneignung und Verarbeitung von Information erleichtern und damit zur Verringerung von Ungleichheiten beitragen.