Der österreichische Schriftsteller Leopold von Sacher-Masoch war zu seiner Zeit – der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts – ein viel gelesener Erfolgsautor, der für seine zahlreichen Romane und Erzählungen bekannt war, viele davon Stoffe umformend,
die aus Osteuropa stammen, beispielsweise aus Polen, Galizien oder aus der Bukowina. Regelrecht berühmt wurde er mit seiner Novelle Venus im Pelz (1870), unter anderem auch dadurch, dass sie in der zeitgenössischen psychiatrischen Forschung rezipiert und von dem Sexualforscher
Richard von Krafft-Ebing eingesetzt wurde, um den Begriff Masochismus in dessen Studie Psychopathia Sexualis: Eine klinisch-forensische Studie (1886) in die wissenschaftliche Diskussion einzuführen, wobei verschiedene sexuelle Perversionen in diesem Begriff gebündelt sind.1
Diese Zusammenhänge sind ausführlich erforscht und kommentiert worden, nicht zuletzt in Rezeption von Gilles Deleuzes Studie zu ,,Sacher-Masoch und der Masochismus“, die in der populären Insel-Ausgabe von Venus im Pelz zusammen mit der Novelle abgedruckt ist.2
Die literaturwissenschaftliche Auseinandersetzung mit diesem Text, auch die jüngste, folgt im Allgemeinen dem Angebot der Diskussion dieses Textes in einem psychologischen und kulturtheoretischen Ansatz, wobei entweder die weibliche Handlungskraft,3 der Objektstatus der Frau
in ihrer Rolle als Skulptur,4 diverse Figuren der Liebe und des Masochismus,5 die Funktionsweise von ästhetischer Subversion,6 die Nähe zu Freuds Begriff des Unheimlichen7 oder der koloniale Kontext der masochistischen Urszene8
in den Vordergrund gerückt und anhand der thematischen und figurativen Ebene des literarischen Textes diskutiert werden. Lediglich in Ian Weddes Beitrag ,,Walking the Dog“ in dem Sammelband Knowing Animals findet sich ein knapper Hinweis auf eine Passage in Venus im Pelz,
die die Faszination des männlichen <?page nr="170"?>Masochisten mit dem Akt des Fuß- und Stiefelleckens in der masochistischen Urszene als ,,hündisch“ bezeichnet.9 Dieser thematischen Assoziation der literarischen Rede über Tiere und Tierliches möchte
ich in diesem Beitrag auf den Grund gehen aus einer Perspektive, die den Cultural and Literary Animal Studies verpflichtet ist und den literarischen Text rekontextualisiert. Statt der naheliegenden Historisierung und Kontextualisierung der Novelle im zeitgenössischen literarischen Umfeld
oder der zeitgenössischen Diskussion des psychologischen Masochismus um die Jahrhundertwende sollen stattdessen die natürlichen Objekte, besonders die Tiere, aber auch die Umwelt in einem umfassenderen Sinn sowie die Rede über sie in den Vordergrund gerückt werden. Damit
wird deutlich, wie eng die literarische Imaginierung von Tieren sich aus einem ganz bestimmten Wissen über Natur speist und wie diese zwei Ebenen sich gegenseitig befruchten oder punktuell kritisch beleuchten. Der literarische Text stellt dieses zeitgenössische Naturwissen aus. Gleichzeitig
ist der literarische Text aber auch geprägt von dem zeitgenössischen Naturwissen, das wiederum nicht unbeeinflusst ist von den tatsächlichen Tieren und der natürlichen Umwelt.