Effektive Kompetenzabgrenzung aufgrund oder durch Verhältnismäßigkeit?
Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit steht im Zentrum der Auseinandersetzung über die Kompetenzabgrenzung durch die Verfassungsgerichte im europäischen Verfassungsverbund. Auf den ersten Blick wirkt seine Heranziehung schlicht als fortgesetzte Proliferation eines gleichermaßen tradierten wie profilierten öffentlich-rechtlichen Maßstabs in einem unionseigenen Kontext, dem Vorgaben für die Kompetenzabgrenzung einfach entnommen werden können. Der Beitrag behandelt die Möglichkeit einer hiervon abzugrenzenden Verständnisweise des Abstellens auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz seitens des Bundesverfassungsgerichts. Hiernach soll die Anknüpfung an den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz lediglich dazu dienen, spezifische Anforderungen an eine effektive Kompetenzabgrenzung einzulösen, ohne diese notwendig selbst zu enthalten. Die in Rede stehenden Anforderungen sind Antworten auf ein bestimmtes Problem: die Fähigkeiten des Normadressaten, durch geschickte Konstruktionen Kompetenzbindungen abzustreifen. The principle of proportionality is at the center of the judicial controversy concerning the question of EU institutions exceeding their respective competences. At first glance the reference to the principle of proportionality simply marks a new use case of a ubiquitously utilized standard of judicial review entailing specific requirements for the delimitation of competences. The article argues for a different perception of the application of the principle of proportionality by the German Federal Constitutional Court. According to this perception the principle of proportionality serves as a proxy in order to incorporate certain requirements for the effective delimitation of competences. These requirements are triggered by a specific problem: the capabilities of an addressee of a rule to circumvent it via smart design.