scholarly journals Der klinische Versorgungspfad zur multiprofessionellen Versorgung seltener Erkrankungen in der Pädiatrie – Ergebnisse aus dem Projekt TRANSLATE-NAMSE

Author(s):  
Daniela Choukair ◽  
Min Ae Lee-Kirsch ◽  
Reinhard Berner ◽  
Corinna Grasemann ◽  
Olaf Hiort ◽  
...  

Zusammenfassung Hintergrund Seltene Erkrankungen (SE) manifestieren sich ganz überwiegend im Kindes- und Jugendalter, sind heterogen, multisystemisch, haben meist einen chronischen Verlauf und stellen eine große Herausforderung für alle Beteiligten dar. Finanziert durch den Innovationsfonds des G‑BA hatte das Versorgungsprojekt TRANSLATE-NAMSE das Ziel, Vorschläge zur besseren Versorgung von Menschen mit SE zu entwickeln und zu erproben. Fragestellung Für Patienten aller Altersgruppen mit einer Verdachtsdiagnose aus einer von 5 Gruppen definierter Indikatorerkrankungen (seltene Anämien, Endokrinopathien, Autoinflammationserkrankungen, primäre Immundefekte und Stoffwechselerkrankungen) sollte ein generischer Versorgungspfad entwickelt werden, der den Weg von der Konfirmationsdiagnostik bis hin zur Langzeitbetreuung dieser Patienten abbildet. Methodik Der Versorgungspfad wurde als allgemeines Ablaufschema dargelegt; die Prozessschritte wurden in eine Checkliste übertragen, inhaltlich ausformuliert und an 6 universitären Standorten an 587 Personen mit der Verdachtsdiagnose einer Indikatorerkrankungen erprobt. Ergebnisse Für 369 (62,9 %) Fälle mit der Verdachtsdiagnose einer Indikatorerkrankung konnte eine Diagnose gestellt werden, davon in 25,2 % mit innovativer genetischer Diagnostik; 104 (17,7 %) Verdachtsdiagnosen erwiesen sich als falsch-positiv; 114 (19,4 %) Fälle blieben ungeklärt. An Fallkonferenzen zur multiprofessionellen Versorgung nahmen im Median 4 Spezialisten teil. Die Versorgung (Diagnoseeröffnung, Schulung, Beratung, Information) begann im Median am Tag des Diagnostikergebnisses. In einer externen Evaluation erwies sich die Zufriedenheit der Sorgeberechtigten mit dem Versorgungspfad als hoch. Schlussfolgerungen Im bisher in Deutschland einzigartigen TRANSLATE-NAMSE-Projekt wurde ein Versorgungspfad für SE in der Pädiatrie entwickelt und erfolgreich erprobt. Zur Verstetigung dieser Versorgungsform ist eine auskömmliche Finanzierung in der Regelversorgung anzustreben.

2014 ◽  
Vol 34 (03) ◽  
pp. 169-174
Author(s):  
A. Meyer-Bahlburg

ZusammenfassungPrimäre Immundefekte sind seltene Erkrankungen, die durch eine erhöhte Infektanfälligkeit und das Auftreten schwerer und opportunistischer Infektionen gekennzeichnet sind. Trotz des Immundefektes treten häufig Autoimmunsymptome auf. Dabei steht bei einigen Immundefekten die Autoimmunität im Vordergrund, wohingegen bei anderen Immundefekten Autoimmunsymptome eher als eine Komplikation angesehen werden. In Bezug auf rheumatologische Manifestationen treten insbesondere chronische Arthritiden, aber auch ein systemischer Lupus erythemodes oder Vaskulitiden auf. Die Pathogenese der Autoimmunität bei primären Immundefekten ist je nach Erkrankung unterschiedlich und nicht vollständig verstanden. Therapeutisch empfiehlt sich zunächst eine Behandlung gemäß den entsprechenden Richtlinien. Häufig gestaltet sich die Behandlung jedoch schwierig, so dass alternative Behandlungsstrategien versucht werden müssen. Bei vielen primären Immundefekten stellt inzwischen die Stammzelltransplantation einen kurativen Lösungsansatz dar. Diese führt bei erfolgreicher Durchführung meistens auch zur Remission der Autoimmunsymptome.


2018 ◽  
Vol 75 (4) ◽  
pp. 199-207
Author(s):  
Raphaël Tamò ◽  
Marianne Rohrbach ◽  
Matthias Baumgartner ◽  
Felix Beuschlein ◽  
Albina Nowak

Zusammenfassung. Lysosomale Speicherkrankheiten (LSK) sind eine Gruppe von über 50 hereditären Erkrankungen, welche durch eine gestörte lysosomale Funktion charakterisiert sind. Das Lysosom fungiert als Recyclinganlage der Zelle. Der Grossteil der LSK wird durch einen Mangel an sauren Hydrolasen ausgelöst. Der gestörte Metabolismus führt dann zur Akkumulation komplexer Moleküle. Die klassische Einteilung der LSK orientiert sich an diesen Hauptspeichermolekülen und unterscheidet Sphingolipidosen (Glykosphingolipide), Mukopolysaccharidosen (Glykosaminoglykane) und Oligosaccharidosen (Oligosaccharide, Glykoproteine) (In Klammern jeweils das Hauptspeichermolekül). Die moderne Einteilung weitet den Begriff auf alle Erkrankungen aus, welche einen Defekt einer Komponente zeigen, die für die normale Funktion des Lysosoms nötig ist. Dies können lysosomale Membranproteine, Aktivatorproteine, Transportproteine oder nicht-lysosomale Proteine sein. Mit einer gemeinsamen Inzidenz von etwa 16 Fällen pro 100’000 Lebendgeburten sind die LSK insgesamt seltene Erkrankungen. Ergebnisse aus Screening-Untersuchungen deuten jedoch darauf hin, dass die Inzidenz unter Lebendgeburten unterschätzt wird. Die häufigsten LSK sind die beiden Sphingolipidosen Morbus Gaucher und Morbus Fabry. Die Gemeinsamkeiten der LSK bezüglich ihrer Symptomatik sind die systemischen Manifestationen und die häufige zerebrale Beteiligung. Die Ausprägung der Symptome ist innerhalb der Erkrankungen sehr unterschiedlich. Die pathophysiologischen Prozesse sind vielfältig und nicht durch blosse Überladung und konsekutiven Untergang der Zelle bedingt. Therapeutisch sind verschiedene Angriffspunkte vorhanden: die Substitution der Enzyme mittels Enzymersatztherapie, die Gentherapie oder hämatopoetischen Stammzelltransplantation, die Stabilisierung der defekten Enzyme durch pharmakologische Chaperone sowie die Verringerung der Substrate durch Substratreduktionstherapie.


2016 ◽  
Vol 16 (06) ◽  
pp. 411-416
Author(s):  
J. Rössler

ZusammenfassungIn den letzten Jahren wurden einige segmentale Überwuchssyndrome genetisch weiter aufgeklärt. Es handelt sich um sehr seltene Erkrankungen, deren Phänotypen über viele Jahre nicht eindeutig voneinander abgegrenzt werden konnten. Vom Überwuchs betroffen können das Skelettsystem, das Fett- und Bindegewebe, aber auch ganze Extremitäten und Organe sein. Beim Proteus-Syndrom sind somatische, aktivierende Mutationen im AKT1-Gen gefunden worden. Bei den PROS „PI3K related overgrowth spectrum“-Syndromen wie dem CLOVE-, dem Fibroadipösen Hyperplasie-Syndrom und dem Klippel-Trénaunay-Syndrom wurden Mutationen in der Kinase PI3KCA beschrieben. Auch hier ist die Mutation somatisch, d. h. im betroffenen Gewebe zu finden. Mutationen in der Keimbahn von PTEN führen zu den PTEN-Hamartom-Tumor-Syndromen, wie dem Cowden-, dem Bannayan-Riley-Ruvalcaba(BRR) und dem SOLAMEN-Syndrom. Letztendlich muss die Überprüfung der Mutationen aus dem mTOR-Signalweg eine abschließende Diagnose erbringen. Die Erkenntnisse über die Genetik der segmentalen Überwuchssyndrome bringen Grundlagen für neue therapeutische Ansätze mit mTOR-Inhibitoren, wie z. B. Sirolimus. Aktuell wird eine klinische Studie (SIPA-SOS) in Deutschland hierzu vorbereitet.


2016 ◽  
Vol 16 (03) ◽  
pp. 192-198 ◽  
Author(s):  
U. Nowak ◽  
A. Reimann

ZusammenfassungAls selten werden Erkrankungen mit einer Prävalenz < 5/10 000 bezeichnet. In Deutschland leben ca. 4 Millionen Menschen mit einer der ca. 7 000–9 000 Seltenen Erkrankungen (SE). Patienten brauchen z. T. Jahre bis zur richtigen Diagnose. Es fehlen kompetente und strukturierte Behandlungseinrichtungen, qualitätsgeprüfte Informationen und meist auch kurative therapeutische Optionen. Ca. 80 % der Erkrankungen haben eine genetische Pathogenese, ca. 50 % manifestieren früh oder – aufgrund der hohen Sterblichkeit – sogar ausschließlich im Kindesalter. Die Versorgung verlangt regelhaft einen interdisziplinären, multiprofessionellen und sektorenübergreifenden Ansatz. Das Nationale Aktionsbündnis für Menschen mit Seltenen Erkrankungen (NAMSE) hat die Versorgungsforschung (VF) bei SE als eine wichtige Maßnahme identifiziert. Prioritär sollten allerdings Fragestellungen untersucht werden, die sowohl hochspezifisch für SE als auch von hoher Versorgungsrelevanz sind. Hierzu gehören die Umsetzung des NAMSE-Zentrenmodells und die Anwendung von Orphan Drugs. VF bei SE muss sich mit besonderen komplexen Herausforderungen, u. a. der geringen Zahl von Clustern, auseinandersetzen. Deshalb sind geeignete VF-Ressourcen an Zentren für Seltene Erkrankungen unabdingbar.


2008 ◽  
Vol 08 (03) ◽  
pp. 129-135
Author(s):  
Tim Niehues ◽  
Michael Weiß ◽  
Volker Wahn

ZusammenfassungBei gesunden Kindern verlaufen Infektionen in der Regel akut und ohne Residuen und lassen sich, falls bakteriell verursacht, gut antibiotisch behandeln. Bei einzelnen Kindern weichen die Verläufe von Infektionen jedoch deutlich von diesen Kriterien ab, sodass ein primärer oder erworbener Immundefekt vermutet werden muss. Wir versuchen mit diesem Beitrag, Anfälligkeit gegenüber Infektionen zu definieren und die aktuell gültige Klassifikation für primäre Immundefekte zusammenzufassen.


2021 ◽  
Vol 25 (01) ◽  
pp. 27-31
Author(s):  
Christina Taylan ◽  
Lutz T. Weber
Keyword(s):  

ZUSAMMENFASSUNGPflege in der Kindernephrologie ist komplex und geht weit über rein pflegerische Maßnahmen hinaus. Aus diesem Grund kann Pflege in der Kindernephrologie aber zu einer außerordentlichen beruflichen Zufriedenheit führen. Eine besondere Herausforderung stellt die Beschäftigung mit einer Patientengruppe dar, die einer beeinträchtigenden körperlichen und insbesondere auch psychomentalen Entwicklung unterworfen ist und die über weite Strecken die Betreuung der gesamten Familie einschließt. Die meisten Nierenerkrankungen, die zu einem chronischen Nierenfunktionsverlust führen, sind seltene Erkrankungen. Jeder Patient ist schon allein daher etwas ganz Besonderes. Aus Sicht der Kindernephrologie wäre es sehr wünschenswert, dass die spezifische Ausbildung in der Gesundheits- und Kinderkrankenpflege erhalten bleibt.


2021 ◽  
Vol 100 (S 01) ◽  
pp. S1-S28
Author(s):  
Claudia Scherl

ZusammenfassungSpeicheldrüsenerkrankungen sind, insgesamt gesehen eher selten. In der Europäischen Union (EU) gilt eine Erkrankung als selten, wenn nicht mehr als 5 von 10,000 Menschen in der EU von ihr betroffen sind. Allein in Deutschland leben Schätzungen zufolge etwa 4 Millionen Menschen mit einer seltenen Erkrankung, in der gesamten EU geht man von 30 Millionen aus 1. Die meisten in der vorliegenden Arbeit beschriebenen Krankheitsbilder der Speicheldrüsen und des N. facialis fallen unter diese Kategorie. Sie bilden eine sehr heterogene Gruppe, deren Behandlung sich auf spezialisierte Zentren konzentriert. Dennoch ist es für den HNO-Arzt unerlässlich, auch diese seltenen Erkrankungen zu erkennen und zu diagnostizieren, um dann die richtigen therapeutischen Schritte einzuleiten. Die Arbeit ist eine Zusammenstellung des gesamten Spektrums angeborener und erworbener seltener Speicheldrüsen- und N. facialis-Erkrankungen. Dabei werden die Ätiologien entzündlicher Erkrankungen, Autoimmunerkrankungen und Tumoren berücksichtigt. Für die einzelnen Themenkomplexe wurde, soweit vorhanden, die aktuelle Literatur ausgewertet und für den Leser in Fakten zusammengefasst. Dazu wird auf die Entwicklung neuer Verfahren in Diagnostik, Bildgebung und Therapie eingegangen. Auch genetische Hintergründe von Tumorerkrankungen bei Speicheldrüsentumoren und die Trends in der Behandlung tumoröser Läsionen des N. facialis werden aufgegriffen. Des Weiteren werden auch seltene Erkrankungen der Speicheldrüsen im Kindesalter betrachtet. Diese können zwar teilweise auch bei Erwachsenen vorkommen, unterscheiden sich aber doch in Häufigkeit und Symptomatik. Auf Grund der Seltenheit der hier abgehandelten Erkrankungen ist es zu empfehlen, diese in spezialisierten Zentren mit entsprechender Erfahrung zu behandeln. Abschließend werden die Schwierigkeiten der Studiendurchführung und die Problematik der Erstellung von Krankheitsregistern beim Thema Speicheldrüsenerkrankungen besprochen, da diese auf Grund der allgemeinen Seltenheit dieser Pathologien besonders relevant sind.


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