Erfordernisse, Defizite und Gelingensbedingungen patientenzentrierter Versorgungsforschung bei Seltenen Erkrankungen

2016 ◽  
Vol 16 (03) ◽  
pp. 192-198 ◽  
Author(s):  
U. Nowak ◽  
A. Reimann

ZusammenfassungAls selten werden Erkrankungen mit einer Prävalenz < 5/10 000 bezeichnet. In Deutschland leben ca. 4 Millionen Menschen mit einer der ca. 7 000–9 000 Seltenen Erkrankungen (SE). Patienten brauchen z. T. Jahre bis zur richtigen Diagnose. Es fehlen kompetente und strukturierte Behandlungseinrichtungen, qualitätsgeprüfte Informationen und meist auch kurative therapeutische Optionen. Ca. 80 % der Erkrankungen haben eine genetische Pathogenese, ca. 50 % manifestieren früh oder – aufgrund der hohen Sterblichkeit – sogar ausschließlich im Kindesalter. Die Versorgung verlangt regelhaft einen interdisziplinären, multiprofessionellen und sektorenübergreifenden Ansatz. Das Nationale Aktionsbündnis für Menschen mit Seltenen Erkrankungen (NAMSE) hat die Versorgungsforschung (VF) bei SE als eine wichtige Maßnahme identifiziert. Prioritär sollten allerdings Fragestellungen untersucht werden, die sowohl hochspezifisch für SE als auch von hoher Versorgungsrelevanz sind. Hierzu gehören die Umsetzung des NAMSE-Zentrenmodells und die Anwendung von Orphan Drugs. VF bei SE muss sich mit besonderen komplexen Herausforderungen, u. a. der geringen Zahl von Clustern, auseinandersetzen. Deshalb sind geeignete VF-Ressourcen an Zentren für Seltene Erkrankungen unabdingbar.

2021 ◽  
pp. 241-271
Author(s):  
Carsten Telschow ◽  
Melanie Schröder ◽  
Jana Bauckmann ◽  
Katja Niepraschk-von Dollen ◽  
Anette Zawinell

Zusammenfassung Zusammenfassung Im Überblick zum Arzneimittelmarkt der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) im Jahr 2020 werden Ursachen und Hintergründe der Umsatzsteigerung um 4,9 % gegenüber 2019 analysiert. So wird mit Hilfe der Methode der Komponentenzerlegung die strukturelle Veränderung bei den Verordnungen als wichtigster Umsatztreiber für den durchschnittlichen Wert einer Arzneimittelverordnung identifiziert. Für diese Umsatzsteigerungen sind insbesondere neue und teure patentgeschützte Arzneimittel verantwortlich. Gleichzeitig sinkt der Anteil der Tagesdosen im Patentmarkt, sodass hier immer mehr Geld für immer weniger Versorgung aufzubringen ist. Dies trifft noch stärker für das stetig wachsende Marktsegment der Arzneimittel für seltene Erkrankungen (Orphan Drugs) zu, die mit extrem hohen Kosten jeweils nur bei wenigen Patient:innen angewendet werden und so einen Versorgungsanteil nach verordneten Tagesdosen von 0,06 %, aber einen Kostenanteil von 11,8 % am Gesamtmarkt ausmachen. Die Kosten im Zweitanbietermarkt bzw. Nicht-Patentmarkt stagnieren hingegen und auch die Erlöse aus Rabattverträgen haben 2020 das Niveau des Vorjahres erreicht. Viele der weltweit größten Pharmakonzerne konnten erneut Umsatzsteigerungen und höhere Gewinne verbuchen; alleine die 21 größten unter ihnen deckten über 50 % der Umsätze im deutschen Arzneimittelmarkt 2020 ab, wobei diese Konzerne ihren Umsatz in Deutschland zu 70 % mit Patentarzneimitteln erzielen. Ein Blick auf besondere Entwicklungen in der Arzneimittelversorgung während der COVID-19-Pandemie ergänzt die Sicht auf den GKV-Arzneimittelmarkt 2020.


2017 ◽  
Vol 25 (3) ◽  
pp. 238-239
Author(s):  
Michael Beck

Zusammenfassung Zur Entwicklung neuer Medikamente für seltene Erkrankungen (Orphan Drugs) müssen auf Grund der geringen Zahl an Probanden andere Studien-Designs als das konventionelle randomisierte, doppelblinde, Plazebo-kontrollierte Protokoll zur Anwendung kommen. Die europäische Gesundheitsbehörde EMA unterstützt pharmazeutische Firmen bei der Entwicklung von Orphan Drugs durch erleichterte Zulassungsbedingungen. Der erhöhte Entwicklungsaufwand führt zu hohen Medikamentenpreisen, die den Patienten in vielen Ländern nicht erstattet werden.


2021 ◽  
Vol 100 (S 01) ◽  
pp. S1-S11
Author(s):  
Stefan K. Plontke

ZusammenfassungSeltene Erkrankungen stellen betroffene Patienten, ihre Angehörigen, Ärzte, Pflegekräfte und Therapeuten oft vor besondere Herausforderungen. Ihre Seltenheit erschwert aus medizinischen und ökonomischen Gründen häufig die Forschung und die medizinische Versorgung. Viele typische Krankheiten im HNO-Fachgebiet zählen definitionsgemäß allein aufgrund ihrer Prävalenz zu den seltenen Erkrankungen. Die Einleitung der richtigen Schritte zum Management dieser Patienten setzt Kenntnisse über die Diagnostik, über bestehende Ressourcen wie Zentren, Netzwerke und Register, die Besonderheiten in der Arzt-Patienten-Beziehung, die Nachsorge einschließlich der Kommunikation mit den betreuenden Hausärzten und die Rolle von Selbsthilfegruppen voraus. Von besonderem Interesse für die Universitätsmedizin und die wissenschaftliche Fachgesellschaft sind die Besonderheiten im Bereich der Forschung einschließlich der europäischen Vernetzung und Forschungsförderung, des Informationsmanagements, der Öffentlichkeitsarbeit, der Aus-, Fort- und Weiterbildung, Aspekte der Finanzierung sowie regulatorische Aspekte, wie Orphan Drugs und klinische Studien bei kleinen Populationen.


2018 ◽  
Vol 75 (4) ◽  
pp. 199-207
Author(s):  
Raphaël Tamò ◽  
Marianne Rohrbach ◽  
Matthias Baumgartner ◽  
Felix Beuschlein ◽  
Albina Nowak

Zusammenfassung. Lysosomale Speicherkrankheiten (LSK) sind eine Gruppe von über 50 hereditären Erkrankungen, welche durch eine gestörte lysosomale Funktion charakterisiert sind. Das Lysosom fungiert als Recyclinganlage der Zelle. Der Grossteil der LSK wird durch einen Mangel an sauren Hydrolasen ausgelöst. Der gestörte Metabolismus führt dann zur Akkumulation komplexer Moleküle. Die klassische Einteilung der LSK orientiert sich an diesen Hauptspeichermolekülen und unterscheidet Sphingolipidosen (Glykosphingolipide), Mukopolysaccharidosen (Glykosaminoglykane) und Oligosaccharidosen (Oligosaccharide, Glykoproteine) (In Klammern jeweils das Hauptspeichermolekül). Die moderne Einteilung weitet den Begriff auf alle Erkrankungen aus, welche einen Defekt einer Komponente zeigen, die für die normale Funktion des Lysosoms nötig ist. Dies können lysosomale Membranproteine, Aktivatorproteine, Transportproteine oder nicht-lysosomale Proteine sein. Mit einer gemeinsamen Inzidenz von etwa 16 Fällen pro 100’000 Lebendgeburten sind die LSK insgesamt seltene Erkrankungen. Ergebnisse aus Screening-Untersuchungen deuten jedoch darauf hin, dass die Inzidenz unter Lebendgeburten unterschätzt wird. Die häufigsten LSK sind die beiden Sphingolipidosen Morbus Gaucher und Morbus Fabry. Die Gemeinsamkeiten der LSK bezüglich ihrer Symptomatik sind die systemischen Manifestationen und die häufige zerebrale Beteiligung. Die Ausprägung der Symptome ist innerhalb der Erkrankungen sehr unterschiedlich. Die pathophysiologischen Prozesse sind vielfältig und nicht durch blosse Überladung und konsekutiven Untergang der Zelle bedingt. Therapeutisch sind verschiedene Angriffspunkte vorhanden: die Substitution der Enzyme mittels Enzymersatztherapie, die Gentherapie oder hämatopoetischen Stammzelltransplantation, die Stabilisierung der defekten Enzyme durch pharmakologische Chaperone sowie die Verringerung der Substrate durch Substratreduktionstherapie.


Praxis ◽  
2018 ◽  
Vol 107 (16) ◽  
pp. 894-901
Author(s):  
Christine Attenhofer Jost ◽  
Philippe Müller ◽  
Osmund Bertel ◽  
Barbara Naegeli ◽  
Christoph Scharf ◽  
...  

Zusammenfassung. Das Wissen um kardiovaskuläre Veränderungen im Alter und deren therapeutische Optionen ist wichtig. Es kann zur Hypertrophie des linken Ventrikels, zur diastolischen Dysfunktion, Herzklappenveränderungen und pulmonaler Hypertonie kommen. Im Alter entwickeln Patienten häufig eine arterielle Hypertonie. Bei über 100-Jährigen sind valvuläre Veränderungen häufig (Aortenstenose und Mitralinsuffizienz). Das Risiko einer koronaren Herzkrankheit beträgt 35 % für Männer und 24 % für Frauen. Im Alter sind Sinusknotendysfunktion und Vorhofflimmern gehäuft. 25 % aller Schlaganfälle sind kardiale Embolien bei Vorhofflimmern. Kardiale Interventionen bei Betagten werden zunehmend häufiger durchgeführt und beinhalten koronare kathetertechnische Revaskularisationen oder Klappeneingriffe (perkutaner Aortenklappenersatz oder MitraClip). Die optimale Therapie im Alter beinhaltet neben kardiovaskulären Interventionen auch Medikamente und eine Lebensstilmodifikation und dient vor allem der Verbesserung der Lebensqualität.


Phlebologie ◽  
1998 ◽  
Vol 27 (01) ◽  
pp. 19-24
Author(s):  
G. Siegert ◽  
S. Gehrisch ◽  
H.-E. Schrder ◽  
Eva Runge
Keyword(s):  

ZusammenfassungZiel der Untersuchung war es, das Vorkommen von pathologischer APCResistenz und Faktor-V-Leiden-Mutation bei Patienten mit durchgemachter Phlebothrombose und peripherer arterieller Verschlußkrankheit aus unserem Krankengut zu ermitteln. Als Vergleichsgruppe dienten gefäßgesunde Probanden, die unterteilt wurden in Probanden mit positiver Thrombose-Familienanamnese und Probanden mit thrombosefreier Familienanamnese. In die Untersuchung einbezogen wurden 132 Probanden (64 Frauen und 68 Männer, mittleres Alter 48,5 ± 15,5 Jahre).Der relative Anteil pathologischer APC-Response betrug in der Gruppe der Patienten mit tiefer Beinvenenthrombose 42% und in der Gruppe der Patienten mit peripherer arterieller Verschlußkrankheit 32%. In beiden Patientengruppen konnte die gestörte APC-Response nur bei ca. 50% durch eine Faktor-V-Leiden-Mutation erklärt werden. Bei gefäßgesunden Probanden war eine pathologische APC-Ratio dagegen fast ausschließlich durch die Faktor-V-Leiden-Mutation bedingt. Der relative Anteil der pathologischen APC-Response betrug bei Probanden ohne Thromboseanamnese in der Familie 12,5%, mit positiver Familienanamnese 41%. Der hohe Anteil gefäßgesunder Probanden mit positiver Familienanamnese unterstreicht das moderate Thromboserisiko bei Faktor-V-Leiden-Mutation ohne zusätzliche Risikofaktoren. Die Ursache der pathologischen APC-Response bei Patienten ohne Faktor-V-Leiden-Mutation ist bisher unklar.Eine pathologische APC-Ratio bei Patienten mit einem Wildtyp für Faktor-V-Leiden sollte Anlaß für eine Verlaufskontrolle möglichst unter Einbeziehung weiterer Familienmitglieder sein, um Hinweise auf andere genetische oder funktionelle Ursachen für eine pathologische APC-Response zu bekommen.


2016 ◽  
Vol 16 (06) ◽  
pp. 411-416
Author(s):  
J. Rössler

ZusammenfassungIn den letzten Jahren wurden einige segmentale Überwuchssyndrome genetisch weiter aufgeklärt. Es handelt sich um sehr seltene Erkrankungen, deren Phänotypen über viele Jahre nicht eindeutig voneinander abgegrenzt werden konnten. Vom Überwuchs betroffen können das Skelettsystem, das Fett- und Bindegewebe, aber auch ganze Extremitäten und Organe sein. Beim Proteus-Syndrom sind somatische, aktivierende Mutationen im AKT1-Gen gefunden worden. Bei den PROS „PI3K related overgrowth spectrum“-Syndromen wie dem CLOVE-, dem Fibroadipösen Hyperplasie-Syndrom und dem Klippel-Trénaunay-Syndrom wurden Mutationen in der Kinase PI3KCA beschrieben. Auch hier ist die Mutation somatisch, d. h. im betroffenen Gewebe zu finden. Mutationen in der Keimbahn von PTEN führen zu den PTEN-Hamartom-Tumor-Syndromen, wie dem Cowden-, dem Bannayan-Riley-Ruvalcaba(BRR) und dem SOLAMEN-Syndrom. Letztendlich muss die Überprüfung der Mutationen aus dem mTOR-Signalweg eine abschließende Diagnose erbringen. Die Erkenntnisse über die Genetik der segmentalen Überwuchssyndrome bringen Grundlagen für neue therapeutische Ansätze mit mTOR-Inhibitoren, wie z. B. Sirolimus. Aktuell wird eine klinische Studie (SIPA-SOS) in Deutschland hierzu vorbereitet.


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