scholarly journals „An manchen Tagen ein Drahtseilakt“

2021 ◽  
Author(s):  
Juliane van Staa ◽  
Ilona Renner

Zusammenfassung Hintergrund Eine gelingende Unterstützung von Familien mit einem psychisch erkrankten Elternteil bedarf eines vertieften Verständnisses darüber, wie eine psychische Erkrankung die Ausübung der Elternrolle beeinflussen kann. Hierfür werden diese Familien aus zwei Perspektiven betrachtet: aus der Perspektive von psychisch erkrankten Müttern und aus der Perspektive von Kinderärztinnen und -ärzten. Datengrundlage Datenbasis für die Müttersicht ist die „Erreichbarkeitsstudie“ des Nationalen Zentrums Frühe Hilfen (NZFH), die 123 Tiefeninterviews mit Müttern zum Familienalltag und zu Unterstützungsbedarfen umfasst. Für die Ärztesicht werden Daten aus dem „ZuFa-Monitoring“ des NZFH ausgewertet, in der bundesweit repräsentativ 815 niedergelassene Kinderärztinnen und -ärzte zur Versorgung psychosozial belasteter Familien befragt wurden. Ergebnisse Eltern mit Anzeichen einer psychischen Erkrankung zeigen übereinstimmend aus Mütter- und Ärztesicht erhöhte elterliche Belastungen und Einschränkungen in den Bereichen Elternkompetenzen, Wahrnehmung der kindlichen Bedürfnisse und Impulsivität, die sich nachteilig auf die kindliche Entwicklung auswirken können. Schlussfolgerung Aus den Erkenntnissen werden Implikationen für die Praxis abgeleitet. Das Wissen um spezifische elterliche Belastungen kann von Fachkräften Früher Hilfen genutzt werden, um psychisch erkrankte Eltern passgenau bei der Ausübung ihrer Elternrolle zu unterstützen. In der psychotherapeutischen und psychiatrischen Praxis kann das Wissen helfen, betroffene Eltern zur Annahme geeigneter familienunterstützender Angebote zu motivieren.

2016 ◽  
Vol 45 (2) ◽  
pp. 109-120 ◽  
Author(s):  
Seraina Locher ◽  
Stephanie Hefti ◽  
Alain Di Gallo ◽  
Binia Roth ◽  
Marc Schmid

Zusammenfassung. Hintergrund: Eine psychische Erkrankung eines Elternteils sowie eine niedrige Paarzufriedenheit der Eltern sind psychosoziale Risikofaktoren für eine gesunde kindliche Entwicklung. Diese psychosozialen Risikofaktoren treten in Familien häufig gleichzeitig auf und akkumulieren sich. Fragestellung: In einer Stichprobe mit einem psychisch kranken Elternteil (N = 63) und in einer nicht-klinischen Vergleichsstichprobe (N = 342) wurden die Zusammenhänge zwischen der Paarzufriedenheit und der psychischen Belastung der Eltern und den Verhaltens- und Bindungsauffälligkeiten des Kindes untersucht. Methode: Die Paarzufriedenheit (Quality of Marriage Index QMI) und die psychische Belastung der Eltern (Brief Symptom Inventory BSI) wurden im Selbsturteil erhoben. Die Verhaltens- und Bindungsauffälligkeiten des Kindes (Child Behavior Checklist CBCL/4 – 18, Relationship Problems Questionnaire RPQ) wurden durch einen Elternteil beurteilt. Ergebnisse: Psychisch kranke Eltern wiesen eine deutlich niedrigere Paarzufriedenheit auf als Eltern aus der nicht-klinischen Vergleichsstichprobe. Die Paarzufriedenheit der Eltern hing in beiden Stichproben signifikant mit den Verhaltensauffälligkeiten des Kindes zusammen. Dieser Zusammenhang verschwand, wenn die elterliche psychische Belastung als Kontrollvariable berücksichtigt wurde. Zwischen der Paarzufriedenheit der Eltern und den Bindungsauffälligkeiten des Kindes bestand in beiden Stichproben kein Zusammenhang. Die Paarzufriedenheit der Eltern wirkte nicht als Mediator zwischen der psychischen Belastung der Eltern und den Verhaltens- und Bindungsauffälligkeiten des Kindes. Schlussfolgerung: In der Behandlung psychisch kranker Eltern sollten gezielte familienzentrierte Interventionen frühzeitig berücksichtigt werden.


2013 ◽  
Vol 42 (2) ◽  
pp. 118-126 ◽  
Author(s):  
Olga Propp ◽  
Miriam Müller ◽  
Sören Kliem

Theoretischer Hintergrund: Psychische Störungen der Eltern stellen einen Risikofaktor für kindliche emotionale und Verhaltensstörungen dar. Durch evidenzbasierte Erziehungstrainings und eine alters- und entwicklungsadäquate Informationsvermittlung über die Erkrankung des psychisch kranken Elternteils kann Einfluss auf die kindliche Entwicklung und die elterliche Psychopathologie genommen werden. Fragestellung: Ziel dieser Pilotstudie ist die Untersuchung der Umsetzbarkeit und Akzeptanz eines erweiterten, verhaltenstherapeutisch basierten Erziehungstrainings für Eltern mit einer psychischen Störung. Methode: Im Rahmen eines Pilotprojektes der Stadt Wolfsburg nahm eine Stichprobe von 12 psychisch kranken Eltern an dem Triple P-Gruppentraining der Ebene 4, welches um eine zusätzliche Sitzung mit psychoedukativen Elementen zur altersangemessenen Krankheitsinformation der Kinder erweitert wurde, teil. Ergebnisse: Die Ergebnisse liefern einen ersten Hinweis für die positiven Auswirkungen auf die erzieherischen Fähigkeiten der Eltern und deren Lebenszufriedenheit. Die Symptombelastung der Eltern sowie die Verhaltens- und emotionalen Probleme der Kinder nahmen tendenziell ab. Die zusätzliche Sitzung befähigte die Eltern dazu, vermehrt über ihre Behandlung, nicht aber die psychische Erkrankung, zu sprechen. Schlussfolgerungen: Die vorliegende Pilotstudie verdeutlicht die Machbarkeit und Akzeptanz des Elterntrainings seitens der psychisch kranken Eltern und sensibilisiert für das Thema psychischer Erkrankung und Elternschaft. Nach dieser Pilotierung muss anhand einer randomisierten, kontrollierten Studie die Wirksamkeit des zielgruppenspezifisch angepassten Elterntrainings geprüft werden.


Author(s):  
Ariane Kraft ◽  
Susanne Knappe ◽  
Katja Petrowski ◽  
Johanna Petzoldt ◽  
Julia Martini

Zusammenfassung. Fragestellung: Untersuchung der Bedeutung von mütterlicher Sozialer Phobie für die Entwicklung der Mutter-Kind-Beziehung in einer prospektiv-longitudinalen Studie. Methodik: Eine Teilstichprobe von 46 Frauen mit vs. ohne Lebenszeitdiagnose einer Sozialen Phobie und deren Kindern wurde analysiert. Soziale Phobien der Mütter wurden mit dem Composite International Diagnostic Interview für Frauen (CIDI-V) erhoben. Die Mütter wurden zum ante- und postnatalen Bonding befragt (MAAS, MPAS) und die Kinder wurden 16 Monate nach der Geburt mit dem Fremde-Situations-Test beobachtet. Ergebnisse: Kinder von sozialphobischen Müttern waren in der Verhaltensbeobachtung prozentual häufiger unsicher gebunden (45.4 % vs. 33.3 %) und brauchten signifikant länger, um den Kontakt zur Mutter in der Wiedervereinigungsphase wiederherzustellen (U = 160.0, p = .019). In Bezug auf das ante- (t = -.151, p = .881) und postnatale (t = .408, p = .685) Bonding der Mutter an das Kind sowie im widerstehenden (U = 262.5, p = .969), vermeidenden (U = 311.5, p = .258) und kontakterhaltenden (U = 224.0, p = .373) Verhalten des Kindes in der Fremden Situation zeigten beide Gruppen vergleichbare Werte. Schlussfolgerungen: Möglicherweise haben Mütter mit Sozialer Phobie eine gehemmte Verhaltensdisposition weitergegeben oder ihre Kinder weniger zur sozialen Interaktion ermutigt als Mütter ohne Soziale Phobie. Wenn Kinder von sozialphobischen Müttern Interaktionsängste zeigen, sollte eine Aufklärung über verschiedene Therapiemöglichkeiten sowie über mögliche Konsequenzen des eigenen (Vermeidungs-)Verhaltens für die kindliche Entwicklung erfolgen.


2017 ◽  
Vol 65 (4) ◽  
pp. 219-229 ◽  
Author(s):  
Lisa-Marina Fritz ◽  
Sabine Domin ◽  
Annekatrin Thies ◽  
Julia Yang ◽  
Martin Stolle ◽  
...  

Zusammenfassung. Psychisch erkrankte Eltern erleben mehr elterlichen Stress als psychisch gesunde Eltern. Elterliche psychische Erkrankungen sowie elterlicher Stress sind mit ungünstigen Erziehungspraktiken assoziiert. Kinder psychisch erkrankter Eltern haben ein erhöhtes Risiko, ebenfalls psychisch zu erkranken. Psychische Auffälligkeiten des Kindes und das elterliche Stresserleben beeinflussen sich wiederum wechselseitig. Komplexe Maßnahmen erscheinen notwendig, die die elterliche psychische Erkrankung, die elterliche Stressbelastung, psychische Erkrankungen des Kindes und die Eltern-Kind-Interaktion gleichermaßen berücksichtigen. Das Eltern-Kind-Projekt des Ev. Krankenhauses Alsterdorf in Hamburg bietet im Verbund mit dem Werner Otto Institut ein stationäres Behandlungsprogramm, in dem psychisch erkrankte Elternteile und ihr ebenfalls psychisch erkranktes Kind gemeinsam aufgenommen werden. Für diese psychisch erkrankten Elternteile wurde das Gruppenprogramm SEEK (Seelische Erkrankungen, Eltern und Kinder) entwickelt, das die Themen Elternschaft und psychische Erkrankung behandelt. Eine klinische Gruppe (N = 28) nahm während ihres stationären Aufenthaltes zusätzlich zum üblichen Behandlungsprogramm am Gruppenprogramm SEEK teil, eine Vergleichsgruppe (N = 26) durchlief das übliche Behandlungsprogramm. Die elterliche Stressbelastung wurde zu Beginn und am Ende des stationären Aufenthaltes in beiden Gruppen anhand des Eltern-Belastungs-Inventars (EBI) sowie zwei selbst entwickelter Items erhoben. Elterliche psychische Symptome wurden zu Beginn und am Ende des stationären Aufenthaltes in beiden Gruppen anhand der Hopkins-Symptom-Checkliste-25 (HSCL-25) erfasst. Die Ergebnisse zeigen die hohe Belastung der Elternteile in dieser Stichprobe. Am Ende des stationären Aufenthaltes waren in beiden Gruppen die elterliche Stressbelastung sowie die psychische Belastung signifikant reduziert: In der klinischen Gruppe reduzierte sich die mittlere Belastung im Elternbereich (EBI) von M = 81.82 auf M = 74.39, in der Vergleichsgruppe von M = 80.85 auf M = 74.92. Die mittlere Belastung im Kindbereich (EBI) verringerte sich in der klinischen Gruppe von M = 68.75 auf M = 63.04, in der Vergleichsgruppe von M = 74.65 auf M = 68.15. Die mittlere Symptombelastung im Bereich Angst (HSCL-25) reduzierte sich in der klinischen Gruppe von M = 21.25 auf M = 18.71, in der Vergleichsgruppe von M = 20.88 auf M = 17.69. Im Bereich Depression (HSCL-25) verringerte sich die mittlere Symptombelastung in der klinischen Gruppe von M = 33.57 auf M = 28.50, in der Vergleichsgruppe von M = 33.27 auf M = 25.96. Jedoch ergaben sich keine signifikanten Unterschiede in der elterlichen Stressbelastung und in der psychischen Belastung zwischen den Gruppen.


2014 ◽  
Vol 3 (2) ◽  
pp. 82-92
Author(s):  
Andrea G. Eckhardt ◽  
Franziska Egert

Die Gesundheit von Kindern und ihre potentiellen Auswirkungen auf den weiteren Entwicklungsverlauf sind in den vergangenen Jahren zunehmend in den Blick geraten. Dazu hat zunächst das Robert Koch-Institut mit der KiGGS-Studie eine umfassende Datenbasis vorgelegt und der 13. Kinder- und Jugendbericht behandelte Gesundheit als Schwerpunktthema (vgl. BMFSFJ, 2009 ). Gesundheit wird dabei nicht isoliert betrachtet, sondern im Kontext relevanter Bezugssysteme verortet, z. B. der Familie und der Kindertagesbetreuung. Die Bedeutung, die der Gesundheitsförderung in Kindertageseinrichtungen zuteil wird, zeigt sich u. a. darin, dass Gesundheit als ein separater Bildungsbereich in den meisten Bildungs- und Erziehungsplänen der Bundesländer aufgeführt ist. Während inzwischen einige deskriptive Befunde zur Gesundheit von Kindern vorliegen, fehlen bislang Zusammenhangsanalysen zum Einfluss gesundheitlicher Bedingungen auf die kindliche Entwicklung. Anhand der NUBBEK-Studie wird in diesem Beitrag der Frage nachgegangen, wie sich Gesundheitsfaktoren des Kindes und der Familie auf Alltagskompetenzen von Kindern auswirken. Auch wenn den einzelnen Bedingungen insgesamt eine geringe Rolle zukommt, zeigt sich ein eigenständiger Einfluss gesundheitlicher Aspekte auf die Entwicklung der Alltagsfertigkeiten der Kinder. Darüber hinaus sind differenzielle Effekte in Abhängigkeit vom Alter des Kindes zu erkennen. Die Bedeutung gesundheitlicher Einflussfaktoren reduziert sich in der Gruppe der 4-Jährigen.


2008 ◽  
Vol 37 (3) ◽  
pp. 172-178 ◽  
Author(s):  
Alexandra Meyer ◽  
Dorit Wollbrück ◽  
Roland Täschner ◽  
Susanne Singer ◽  
Carina Ehrensperger ◽  
...  

Zusammenfassung. Theoretischer Hintergrund: Die vollständige Entfernung des Kehlkopfes (Laryngektomie) stellt Patienten und deren Familien vor viele Herausforderungen. Das psychische Befinden der Partner kehlkopfloser Karzinompatienten wurde bisher kaum wissenschaftlich erforscht. Fragestellung: Die Studie untersucht das psychische Befinden, die psychische Morbidität sowie die Inanspruchnahme psychosozialer Unterstützungsangebote der Partner laryngektomierter Karzinompatienten. Methode: Die Daten wurden in einer multizentrischen Querschnittstudie an 106 Partnern mittels eines strukturierten Interviews (SKID) und standardisierter Fragebögen (HADS, KFA) erfasst. Ergebnisse: Die Partner waren signifikant ängstlicher als die laryngektomierten Patienten und die Allgemeinbevölkerung, bei gleicher Ausprägung von Depressivität. Trotz der hohen Belastung wiesen nur 14% der Partner eine psychische Erkrankung auf. Psychosoziale Unterstützungsangebote werden von einem Bruchteil der Befragten genutzt. Schlussfolgerungen: Die Ergebnisse indizieren eine psychosoziale Unterversorgung der Partner laryngektomierter Karzinompatienten. Zukünftige Forschungsprojekte sollten die Ursachen für diese Unterversorgung detailliert erfragen, um bedarfsgerechte Behandlungsmöglichkeiten anbieten zu können.


2019 ◽  
Vol 38 (07) ◽  
pp. 470-473 ◽  
Author(s):  
Peter Brieger ◽  
Susanne Menzel

ZUSAMMENFASSUNGArbeit hat auch bei psychisch erkrankten Menschen eine überwiegend salutogenetische Bedeutung – sie macht nicht krank, sondern gesund. Der Artikel stellt Veränderungen der Arbeitswelt durch den gesellschaftlichen Wandel dar, er diskutiert, welche Auswirkungen dies auf psychisch kranke Menschen haben kann und welche Ansatzpunkte es für eine diesbezüglich bessere Versorgung gibt.


2011 ◽  
Vol 73 (03) ◽  
Author(s):  
B Joggerst ◽  
J Käßmann ◽  
J Diener ◽  
M Schneider ◽  
F Zahradnik ◽  
...  
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