scholarly journals Sozial-kognitive Fähigkeiten und Suizidalität: Eine Übersicht

2021 ◽  
Vol 32 (2) ◽  
pp. 71-86
Author(s):  
Patrizia Thoma ◽  
Tobias Teismann

Zusammenfassung. Psychische Erkrankungen gehen mit einem erhöhten Suizidrisiko einher. Fehlende soziale Zugehörigkeit und Unterstützung, interpersonelle Konflikte und Einsamkeit gelten als zentrale Risikofaktoren für suizidales Erleben und Verhalten. In der vorliegenden Übersichtsarbeit wurden in den Datenbanken PubMed und ISI Web of Knowledge alle englisch- oder deutschsprachigen Originalarbeiten bis Juni 2020 gesichtet, die Emotionserkennung, Empathie und Theory of Mind in Zusammenhang mit Suizidgedanken und/oder Suizidversuchen untersuchen. Dabei wurden 15 relevante Veröffentlichungen identifiziert. Das Befundmuster stellt sich insgesamt als heterogen dar, legt jedoch nahe, dass sowohl beeinträchtigte Fähigkeiten in diesen Bereichen als auch eine verbesserte oder übertriebene Emotionserkennung/Theory of Mind mit Suizidalität in Zusammenhang stehen können.

2018 ◽  
Vol 68 (11) ◽  
pp. 475-480
Author(s):  
Uta Gühne ◽  
Stefan Weinmann ◽  
Thomas Becker ◽  
Steffi Riedel-Heller

Zusammenfassung Einleitung Schwere psychische Erkrankungen sind mit besonderen Belastungen und Risiken für die Betroffenen und deren Angehörige verbunden. Psychosoziale Therapien sind eine zentrale Säule der Behandlung. Material & Methoden Im Update der S3-Leitlinie „Psychosoziale Therapien bei schweren psychischen Erkrankungen“ werden auf der Basis aktueller wissenschaftlicher Evidenz und strukturierter Konsensfindung in einem repräsentativen Leitliniengremium umfassende Empfehlungen zur psychosozialen Behandlung gegeben. Ergebnisse Das Update der Leitlinie umfasst 33 Empfehlungen und 12 Statements in den Bereichen der System- und Einzelinterventionen (z. B. zu Arbeit, Wohnen und Psychoedukation) sowie zu Ansätzen der Selbsthilfe (z. B. zu Selbstmanagement und Peer-Arbeit) sowie zu Aspekten, die die Ausrichtung des täglichen Handelns aller Beteiligten umfassen (z. B. zu Recovery). Ein sogenanntes Matrixkapitel wird den Besonderheiten des deutschen Versorgungssystems gerecht. Diskussion Es liegt international umfassende wissenschaftliche Evidenz zu verschiedenen psychosozialen Interventionen vor, die Chancen auf eine verbesserte soziale und berufliche Teilhabe für Betroffene eröffnet. Die Implementierung von Leitlinien ist ein wichtiges Entwicklungsfeld, um das Wissen und die Empfehlungen praxiswirksam werden zu lassen.


2019 ◽  
Vol 58 (06) ◽  
pp. 376-384
Author(s):  
Beate Muschalla ◽  
Michael Linden

Zusammenfassung Hintergrund Psychische Erkrankungen gehen vielfach mit Beeinträchtigungen in der Teilhabe am gesellschaftlichen und beruflichen Leben einher. Es ergibt sich daraus häufig die Indikation für eine stationäre Rehabilitation. Derartige Patienten werden langzeitig v. a. von Hausärzten behandelt, die auch wichtige Vermittler bei der Einleitung einer Rehabilitationsmaßnahme sind. Allerdings weisen die Rentenversicherer darauf hin, dass in vielen Fällen von Erwerbsminderungsrenten vorab keine Rehabilitationsmaßnahme durchgeführt wurde. Es stellt sich die Frage, bei welchen Hausarztpatienten eine Rehabilitationsmaßnahme durchgeführt wird oder durchgeführt werden sollte. Methode Eine prototypisch repräsentative Stichprobe von 307 Patienten aus 40 Hausarztpraxen wurde von einem psychosomatischen Konsiliararzt untersucht, einschließlich (Reha-)Behandlungsvorgeschichte, Krankheitsstatus und Teilhabe. Es wurde geprüft, welche Behandlungsoptionen vorliegen und ob aktuell eine Rehaindikation vorliegt. Bei der Hälfte der Patienten wurden die Hausärzte über die Konsilempfehlung informiert und ein halbes Jahr später nachgefragt, ob diese umgesetzt wurden. Ergebnisse Bei 64% der Patienten mit chronischen psychischen Erkrankungen war bislang keine psychosomatische Reha erfolgt und auch keine Indikation gegeben. Bei 5,2% wurde bereits einmal eine stationäre psychosomatische Rehabilitation durchgeführt, und jetzt nicht nochmals eine Rehaindikation gestellt. Bei 27% wurde bislang noch keine Rehamaßnahme durchgeführt, wurde jetzt aber konsiliarärztlich erstmals empfohlen. Bei 3,6% war schon einmal eine psychosomatische Reha durchgeführt worden und dennoch vom Konsiliararzt eine Wiederholungsreha als sinnvoll erachtet. Patienten, die bereits einmal in Reha waren sind kränker und haben mehr Fähigkeits- und Teilhabeprobleme. Patienten, bei denen aus Sicht des Konsilarztes erstmalig eine psychosomatische Rehabilitation erwogen werden sollte, haben primär arbeitsbezogene Probleme und nur zu einem geringeren Ausmaß aktuelle psychische und somatische Beeinträchtigungen. Von 35 Patienten, bei denen der Konsiliararzt die Neubeantragung einer psychosomatischen Rehabilitation empfahl, wurde bei 13 im Verlauf der folgenden 6 Monate ein Antrag gestellt. Schlussfolgerung Da Hausärzte eine zentrale Position bei der Betreuung von Langzeitkranken mit Teilhabebeeinträchtigungen haben, sollten Maßnahmen zur Förderung einer MBOR-Orientierung auch bei Hausärzten erfolgen. Dazu gehört auch eine verbesserte und erleichterte Kooperation bei der Beantragung von Rehabilitationsmaßnahmen inklusive einer transparenten Begutachtung.


2019 ◽  
Vol 42 ◽  
Author(s):  
Marco Del Giudice

Abstract The argument against innatism at the heart of Cognitive Gadgets is provocative but premature, and is vitiated by dichotomous thinking, interpretive double standards, and evidence cherry-picking. I illustrate my criticism by addressing the heritability of imitation and mindreading, the relevance of twin studies, and the meaning of cross-cultural differences in theory of mind development. Reaching an integrative understanding of genetic inheritance, plasticity, and learning is a formidable task that demands a more nuanced evolutionary approach.


2014 ◽  
Vol 71 (11) ◽  
pp. 687-694 ◽  
Author(s):  
Dieter Riemann

Chronische Insomnie, d. h. Klagen über Ein- und Durchschlafstörungen, frühmorgendliches Erwachen und damit verbundene Beeinträchtigung der Befindlichkeit während des Tages betreffen etwa 10 % der Bevölkerung in den meisten westlichen Industrienationen. Ursächlich für chronische Schlaflosigkeit können körperliche Erkrankungen, psychische Erkrankungen, die Einnahme von Medikamenten, Genussmittel oder Drogen sein. Ein Drittel aller chronischen Insomnien wird als primäre Insomnie oder insomnische Störung bezeichnet, wenn keiner der oben genannten Faktoren ursächlich identifiziert werden kann. Üblicherweise werden chronische Insomnien in der ärztlichen Praxis medikamentös mit Hypnotika oder anderen sedierenden Substanzen, wie etwa sedierenden Antidepressiva behandelt. In den letzten 20 Jahren hat sich gezeigt, dass kognitiv-verhaltenstherapeutische Ansätze (KVT) bei chronischen Insomnien auch unabhängig von der Ursache erfolgreich eingesetzt werden können. Zu den Methoden der kognitiven Verhaltenstherapie gehört die Aufklärung über Schlaf und Schlafhygiene (Psychoedukation), Entspannungstechniken wie etwa die progressive Muskelentspannung, spezifische verhaltenstherapeutische Techniken wie etwa die Stimuluskontrolle oder die Schlafrestriktion sowie kognitive Techniken zur Reduktion nächtlicher Grübeleien. Aufgrund von mehreren, in den letzten Jahren veröffentlichten Meta-Analysen können diese Techniken insbesondere in ihrer Applikation als Kombinationstherapie, als evidenz-basiert und der pharmakologischen Therapie als kurzzeitig gleichwertig und langfristig überlegen angesehen werden. Die kognitiv-verhaltenstherapeutischen Techniken der Insomniebehandlung können von darin geschulten Ärzten und Psychotherapeuten mit Erfolg eingesetzt werden.


2007 ◽  
Vol 20 (2-3) ◽  
pp. 89-97
Author(s):  
Lutz Michael Drach ◽  
Brigitte Terner

Zusammenfassung: Ein Mangel an sozialen Aktivitäten ist ein wesentlicher Risikofaktor für psychische Erkrankungen im Alter, insbesondere für Depressionen. Ältere psychisch Kranke haben krankheitsbedingt häufig ihre sozialen Beziehungen stark eingeschränkt und erleben dies oft als schwere Beeinträchtigung. Außerdem hängt die Prognose der psychischen Erkrankung nach der Entlassung von der erfolgreichen Wiederaufnahme der sozialen Aktivitäten ab. Zwei Umfragen in den 60 gerontopsychiatrischen Tageskliniken in Deutschland ergaben, dass im überwiegenden Teil soziale Aktivierung fester Bestandteil des Therapieprogramms ist. Dabei zeigten sich aber erhebliche Unterschiede im Vorgehen. Die große Mehrheit der antwortenden Tageskliniken nutzte hierzu entweder ausschließlich offene Seniorenangebote am Wohnort des Patienten, oder in Kombination mit dem Besuch sozialpsychiatrischer Einrichtungen. Nur eine kleine Minderheit aktivierte ausschließlich in sozialpsychiatrischen Einrichtungen. Dabei begleitete der überwiegende Teil der Tageskliniken die Patienten entweder ständig oder mindestens initial. Dagegen praktizierten fünf überwiegend verhaltenstherapeutisch orientierte Tageskliniken schon von Anfang an eine Aktivierung ohne therapeutische Begleitung. Die möglichen Gründe für diese Varianz könnten in Unterschieden bei den Patienten, dem lokalen Angebot an Senioreneinrichtungen oder anderen örtlichen Besonderheiten liegen.


2016 ◽  
Vol 30 (1) ◽  
pp. 35-44 ◽  
Author(s):  
Frank Niklas ◽  
Caroline Cohrssen ◽  
Collette Tayler ◽  
Wolfgang Schneider

Zusammenfassung. Da Vorlesen die Vorläuferfertigkeiten des Schriftspracherwerbs von Kindern stärkt, wird ein früher Beginn des Vorlesens als wichtig angesehen. Allerdings fehlen bislang Studien, die sich damit auseinandersetzen, ob der Vorlesebeginn ein spezifischer Prädiktor für sprachliche Fähigkeiten unter Kontrolle von Hintergrundvariablen ist. Wir untersuchten diese Fragestellung anhand einer deutschen Vorschulstichprobe (N = 746) kurz vor der Einschulung und verglichen die Ergebnisse mit Befunden einer aktuellen australischen Studie. Neben Vorlesebeginn und aktuellem Vorleseverhalten, erfasst im Elternbericht, wurden Alter und Geschlecht der Kinder, Migrationshintergrund und sozioökonomischer Status sowie sprachliche und andere kognitive Fähigkeiten berücksichtigt. Wie schon in der australischen Stichprobe zeigte sich auch für die deutsche Stichprobe, dass ein früher Vorlesebeginn die spätere Vorlesehäufigkeit sowie sprachliche Fähigkeiten im Vorschulalter unter Berücksichtigung von Kontrollvariablen vorhersagte, während dies für andere kognitive Fähigkeiten nur bedingt zutraf. Die Ergebnisse deuten an, dass der Vorlesestart ein guter Indikator für die schriftsprachliche Lernumwelt und ein spezifischer Prädiktor für schriftsprachliche Vorläuferfertigkeiten zu sein scheint.


2016 ◽  
Vol 27 (4) ◽  
pp. 257-264 ◽  
Author(s):  
Johannes H. Scheidemann ◽  
Franz Petermann ◽  
Marc Schipper

Abstract. We investigated theory of mind (ToM) deficits in Alzheimer‘s disease (AD) and its possible connection to autobiographical memory (ABM). Patients and matched controls were evaluated and compared using a video-based ToM test, an autobiographical fluency task, and a neuropsychological test battery. We found that ToM deficits were positively associated with semantic ABM in the clinical group, whereas a positive relationship appeared between ToM and episodic ABM in controls. We hypothesize that this reflects the course of the disease as well as that semantic ABM is used for ToM processing, being still accessible in AD. Furthermore, we assume that it is also less efficient, which in turn leads to a specific deficit profile of social cognition.


2008 ◽  
Vol 19 (3) ◽  
pp. 139-163 ◽  
Author(s):  
Boris B. Quednow

Die Präpuls-Inhibition (PPI) des akustischen Schreckreflexes gilt als operationales Maß für einen teils vorbewußten attentionalen Filterprozeß, der auch als sensomotorisches Gating bezeichnet wird. Die PPI wird durch ein cortico-striato-pallido-pontines (CSPP) Netzwerk reguliert, welches frontale und mediotemporale Hirnareale, das ventrale Striatum, das ventrale Pallidum und pontine Bereiche des Hirnstamms mit einbezieht. Verschiedene psychiatrische und neurologische Erkrankungen zeigen beeinträchtigte Gating-Prozesse, doch insbesondere die konsistenten Befunde eines PPI-Defizits in der Schizophrenie haben dazu beigetragen, daß die Schizophrenie heute auch als Filterstörung verstanden wird. Die PPI hat sich mittlerweile als translationales Modell für gestörte Filterprozesse in der Schizophrenie etabliert, da sie bei verschiedenen Versuchstieren abgeleitet werden kann und pharmakologisch manipulierbar ist. Darüber hinaus wurde die PPI als vielversprechender Endophänotyp, d. h. als Gen-naher biologischer Marker, der Schizophrenie vorgeschlagen. Man erhofft sich von der Identifizierung solcher Endophänotypen eine verbesserte Entschlüsselung der krankheitsmitverursachenden Gene im Vergleich zu bislang nicht zielführenden genetischen Assoziationsstudien mit den komplexeren Krankheitsphänotypen. Des Weiteren wird die Korrektur künstlich erzeugter PPI-Defizite bei Versuchstieren als Modell für antipsychotische Wirksamkeit neu entwickelter Substanzen zur Behandlung der Schizophrenie genutzt. Der vorliegende Artikel soll einen Überblick über die Anwendungsmöglichkeiten und Grenzen des PPI-Paradigmas in der klinischen und grundlagenorientierten psychologischen und psychiatrischen Forschung geben.


2013 ◽  
Vol 61 (4) ◽  
pp. 255-262 ◽  
Author(s):  
Martin Kumnig ◽  
Gerhard Schüßler ◽  
Franz Petermann

Bei Patienten mit chronischen Erkrankungen handelt es sich um ein Patientenkollektiv mit unterschiedlichsten Problembereichen. Es finden sich sowohl Patienten mit körperlichen als auch psychischen chronischen Erkrankungen. Hinter einer chronischen Erkrankung verbirgt sich zumeist eine sehr komplexe biopsychosoziale Problematik. Ängste, Depressionen und somatoforme Störungen sind die häufigsten psychischen Begleiterscheinungen chronisch-körperlicher Krankheitsverläufe. Die Komorbidität zwischen körperlichen und psychosozialen Erkrankungen ist allgemein anerkannt. Folglich wurden spezifische Implikationen für die Therapie und Prognose chronischer Erkrankungen entwickelt. Insbesondere in der engen Verzahnung der biopsychosozialen Behandlungsansätze liegt das größtmögliche Potenzial für eine verbesserte Behandlungseffizienz. Zusehends wird in diesem Kontext ein evidenzbasierter interdisziplinärer Ansatz angestrebt und Leitlinien für die unterschiedlichsten prozessdiagnostischen Fragestellungen erarbeitet.


Author(s):  
Inge Kamp-Becker ◽  
Anika Langmann ◽  
Thomas Stehr ◽  
Katharina Custodis ◽  
Luise Poustka ◽  
...  

Zusammenfassung. Fragestellung: Die deutschsprachige Version der Diagnostischen Beobachtungsskala für Autistische Störungen – 2 (ADOS-2) ist eine Revision der standardisierten Verhaltensbeobachtung für Personen mit dem Verdacht auf Vorliegen einer Autismus-Spektrum-Störung (ASS). Die Studie untersucht die diagnostische Güte der originalen und revidierten Algorithmen für die Module 1 bis 3. Methodik: An einer großen Inanspruchnahmepopulation (N = 1080, Alter 1.7–20.5 Jahre) wurde die Unterscheidungsfähigkeit der ADOS-2 zu relevanten Differenzialdiagnosen untersucht. Außerdem wurden Vergleiche bezüglich der diagnostischen Güte für beide Geschlechter getrennt vorgenommen. Ergebnisse: Der revidierte Algorithmus weist eine verbesserte Sensitivität (84.9 %) bei jedoch leicht reduzierter Spezifität (85.7 %) auf. Verbesserungen der ADOS-2 betreffen vor allem Fälle von frühkindlichem Autismus und die korrekte Klassifizierung von Mädchen. Der Einschluss von repetitiven, stereotypen Verhaltensweisen in den Algorithmus erhöht die korrekte Klassifikation in den Modulen 2 und 3. Für jüngere Kinder im Modul 1 ist dies jedoch nicht der Fall. Es zeigt sich darüber hinaus eine geringere Differenzierungsfähigkeit zu internalisierenden Störungen und Störungen des Sozialverhaltens. Schlussfolgerungen: Eine gute diagnostische Güte der ADOS-2 wurde vor allem für Kinder mit durchschnittlichen kognitiven Fähigkeiten gefunden. Die Ergebnisse sprechen für eine gute Anwendbarkeit der ADOS-2 für klinische Populationen. Voraussetzung ist jedoch eine sorgfältige und breite Diagnostik durch erfahrene Untersucher. Schlüsselwörter: ADOS, Diagnostik von Autismus-Spektrum-Störungen, Sensitivität, Spezifität


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