Mehr Klarheit beim Reden über Sexualität!

2021 ◽  
Vol 34 (01) ◽  
pp. 15-27
Author(s):  
Ralf Binswanger

Zusammenfassung Einleitung In den Sexualwissenschaften und vor allem in der Therapie sexueller Probleme besteht eine andauernde Verunsicherung angesichts der verwirrenden Vielfalt gewachsener sexualwissenschaftlicher Konzepte sowie dem Nebeneinander von alten und neuen Normen. Der zeitgeistigen Entpathologisierung der verschiedensten sexuellen Aktivitäten steht die Notwendigkeit gegenüber, sexuelles Leiden zu verstehen und zu behandeln. Forschungsziele Ziel dieser Arbeit ist es, die verwirrende Vielfalt auf eine Art und Weise zu ordnen, welche die Verständigung erleichtert und insbesondere zu klären hilft, wann eine psychodynamische Therapie sexuellen Verhaltens indiziert ist und wann nicht. Methoden Es wird auf konzeptueller Ebene ein Modell eingeführt, das vorschlägt, Sexualität in sexualwissenschaftlichen Diskursen und klinisch-therapeutischen Kontexten konsequent unter zwei Gesichtspunkten zu betrachten: unter dem Gesichtspunkt der Persönlichkeitsstruktur und unter dem Gesichtspunkt von sexuellem Verhalten und Fantasieren. Diese beiden Gesichtspunkte werden Sexualität per se und Sexualität in actu genannt. Nach einer detaillierten Darstellung und Begründung des Modells wird dessen Brauchbarkeit als Orientierungshilfe im Umgang mit theoretischen Diskursen und praktisch-klinischen Fragen an verschiedenen kasuistischen und theoretischen Beispielen illustriert. Ergebnisse Unter dem Gesichtspunkt Sexualität per se stehen Homosexualität und pervers genannte Sexualitäten auf der gleichen Ebene – gleichsam gleichberechtigt – neben der Heterosexualität. Dadurch erschließt sich die Unangemessenheit ihrer Pathologisierung und allfälliger Versuche, sie zu therapieren. Die Frage, wann Behandlungen indiziert sind, erschließt sich ausschließlich unter dem Gesichtspunkt Sexualität in actu und auf der Basis einer Klärung der Frage, welche Funktion bei jedem einzelnen sexuellen Verhalten und Fantasieren das Primat hat, d. h. primär motivations- und handlungsleitend ist: die sexuelle Funktion (Triebbefriedigung) oder verschiedene nicht-sexuelle Funktionen (Aggressionsabfuhr, narzisstische Stabilisierung, Bindungsbedürfnisse, Inszenierung neurotischer Konflikte, Weitergabe erlittener Traumata u. v. a. m.). Pathologische und womöglich psychodynamisch therapierbare sexuelle Aktivitäten sind durch das Primat nicht-sexueller Funktionen gekennzeichnet. Schlussfolgerung Das Modell scheint sich speziell dafür zu eignen, in sexualwissenschaftlichen und sexualtherapeutischen Diskursen orientierend zu wirken, was insbesondere den angemessenen und entspannten therapeutischen Umgang mit Betroffenen erleichtert.

2016 ◽  
Author(s):  
Ralf Binswanger

Fritz Morgenthaler steht mit seinem Konzept der «Weichenstellungen » auf dem Boden von Freuds Postulat, wonach homosexuelle und heterosexuelle Orientierungen gleich erklärungsbedürftig sind. Allerdings können die «Weichenstellungen» weniger Hetero- oder Homosexualität per se erklären, sondern eher die verschiedenen Formen von Homo- und Heterosexualität in actu, wie sie in Fantasie und Verhalten gelebt werden. Mit Sexualität per se und Sexualität in actu sind zwei qualitativ verschiedene Gesichtspunkte benannt, unter denen Diskurse über manifeste und organisierte Sexualität sowie Perversionen mit Vorteil geführt werden. Dabei wird der Perversionsbegriff ausschliesslich der Sexualität in actu zugeordnet, welche als dialektische Einheit von sexuellen und nicht-sexuellen Funktionen aufgefasst wird. Pervers ist sexuelle Aktivität dann, wenn innerhalb dieser Einheit eine nicht-sexuelle Funktion die Priorität über die Triebbefriedigung hat. Sexualität per se bezeichnet Homosexualität, Heterosexualität, Fetischismus, Sadomasochismus, Pädophilie usw. als verschiedene erwachsene Sexualorganisationen – als hierarchische Organisation von Partialtrieben – auf «gleichberechtigter», entpathologisierter Ebene. Nachdem begründet wird, weshalb auch Judith Le Soldat den Grund zur Homosexualität per se anscheinend nicht gefunden hat und alle bisherigen psychogenetischen Herleitungen der verschiedenen erwachsenen Sexualorganisationen dieses Ziel verfehlen, empfiehlt sich ein grundsätzlicher Verzicht auf solche Erklärungsversuche – so wie es für die Heterosexualität per se meistens gehandhabt wird. Dagegen kann auf den u. a. von Robert Stoller verwendeten Begriff imprinting oder Prägung zurückgegriffen werden, welchen die Zürcher Analytiker Harold Lincke und Werner Fessler von jeglichem Biologismusverdacht befreit haben. Zum Schluss wird hervorgehoben, wie sehr Morgenthaler und Le Soldat mit ihrer Suche nach dem Grund zur Homosexualität und Heterosexualität auf viel grundlegenderen Gebieten neue Perspektiven eröffnet haben.


Author(s):  
F. G. Zaki ◽  
J. A. Greenlee ◽  
C. H. Keysser

Nuclear inclusion bodies seen in human liver cells may appear in light microscopy as deposits of fat or glycogen resulting from various diseases such as diabetes, hepatitis, cholestasis or glycogen storage disease. These deposits have been also encountered in experimental liver injury and in our animals subjected to nutritional deficiencies, drug intoxication and hepatocarcinogens. Sometimes these deposits fail to demonstrate the presence of fat or glycogen and show PAS negative reaction. Such deposits are considered as viral products.Electron microscopic studies of these nuclei revealed that such inclusion bodies were not products of the nucleus per se but were mere segments of endoplasmic reticulum trapped inside invaginating nuclei (Fig. 1-3).


2004 ◽  
Vol 32 (1) ◽  
pp. 181-184
Author(s):  
Amy Garrigues

On September 15, 2003, the US. Court of Appeals for the Eleventh Circuit held that agreements between pharmaceutical and generic companies not to compete are not per se unlawful if these agreements do not expand the existing exclusionary right of a patent. The Valley DrugCo.v.Geneva Pharmaceuticals decision emphasizes that the nature of a patent gives the patent holder exclusive rights, and if an agreement merely confirms that exclusivity, then it is not per se unlawful. With this holding, the appeals court reversed the decision of the trial court, which held that agreements under which competitors are paid to stay out of the market are per se violations of the antitrust laws. An examination of the Valley Drugtrial and appeals court decisions sheds light on the two sides of an emerging legal debate concerning the validity of pay-not-to-compete agreements, and more broadly, on the appropriate balance between the seemingly competing interests of patent and antitrust laws.


Author(s):  
H.B. Pollard ◽  
C.E. Creutz ◽  
C.J. Pazoles ◽  
J.H. Scott

Exocytosis is a general concept describing secretion of enzymes, hormones and transmitters that are otherwise sequestered in intracellular granules. Chemical evidence for this concept was first gathered from studies on chromaffin cells in perfused adrenal glands, in which it was found that granule contents, including both large protein and small molecules such as adrenaline and ATP, were released together while the granule membrane was retained in the cell. A number of exhaustive reviews of this early work have been published and are summarized in Reference 1. The critical experiments demonstrating the importance of extracellular calcium for exocytosis per se were also first performed in this system (2,3), further indicating the substantial service given by chromaffin cells to those interested in secretory phenomena over the years.


2002 ◽  
Vol 59 (7) ◽  
pp. 323-327
Author(s):  
Baum

Der mit zunehmendem Alter beobachtbare Verlust an Kraft, Koordination, Ausdauer und Flexibilität ist nur zum Teil als Alterungsprozess per se zu verstehen. Ein wesentlicher Einflussfaktor ist die körperliche Aktivität, d.h. die impliziten oder expliziten Trainingsreize. Denn alle körperlichen Leistungsmerkmale sind noch bis ins höchste Alter unter der Voraussetzung trainierbar, dass die Trainingsintensität und die Reizdichte hinreichend hoch sind. Bei Trainingsangeboten für ältere Menschen kommen der Kraft und der Koordination eine besondere Bedeutung zu, da sie die Basis für eine selbständige Lebensführung darstellen. Um das Krafttraining aus kardio-vaskulärer Sicht möglichst sicher zu gestalten, wurde von uns eine Trainingsform entwickelt und erprobt, bei der es im Gegensatz zu herkömmlichen Methoden zu signifikant geringeren Blutdruckanstiegen kommt.


2012 ◽  
Vol 69 (4) ◽  
pp. 249-252 ◽  
Author(s):  
Carrard ◽  
E. Pichler
Keyword(s):  

Hausstaubmilben sind kleine Spinnentiere, die weltweit vom gemäßigten bis zum tropischen Klima gefunden werden. Proteine, alle mit enzymatischen Eigenschaften, aus dem Gastrointestinaltrakt und folglich im Hausstaubmilbenkot sind Auslöser von allergischen Erkrankungen, die aufgrund einer kontinuierlichen Exposition von geringen Allergenmengen meist chronisch verlaufen. Klinisch äußert sich dies mit einem schleichenden Krankheitsbeginn: eine chronisch verstopfte Nase und - zu Beginn typischerweise - einem Anstrengungsasthma, das sich bei längerer Dauer verstärkt. Bei Vorliegen einer atopischen Dermatitis kann es auch nach Milbenkontakt zu einer Verstärkung der Dermatitis kommen. Die Anzahl an Hausstaubmilben und die Menge an Milbenallergen hängt von der relativen Luftfeuchtigkeit ab, wobei eine Luftfeuchtigkeit von > 50 %, wie es in sehr gut isolierten Häusern oder durch das Klima per se vorkommt, zu einem guten Gedeihen der Hausstaubmilben führt. Nahrungsquelle der Hausstaubmilben sind Hautschuppen, die ubiquitär in Polstermöbeln, Matratzen und Teppichen vorkommen. Die chronischen, recht unspezifischen und oft allergenunabhängigen Beschwerden verzögern oft die Diagnostik, welche durch eine ausgedehnte Allergieabklärung z. B. mittels Hauttestung erfolgt. Die Therapie besteht in erster Linie aus topischen Kortikosteroiden. Trotz widersprüchlicher Daten und Metaanalysen in der Literatur zur Hausstaubsanierung scheint das allgemein eher trockene Klima im Winter in der Schweiz eine Hausstaubsanierung in den Wohnungen zu begünstigen und wird deshalb auch empfohlen. Eine weitere Therapieoption ist die Durchführung einer spezifischen Immuntherapie mit gutem Erfolg bei Kindern und Erwachsenen. Verbesserungen der Diagnostik und Immuntherapie sind durch Einsatz der rekombinanten Allergene zu erwarten.


2016 ◽  
Vol 73 (3) ◽  
pp. 159-165 ◽  
Author(s):  
Min Jeong Kim ◽  
Helmut Hopfer ◽  
Michael Mayr

Zusammenfassung. Verschiedene Nierenerkrankungen können mit erhöhten Harnsäurewerten einhergehen, wobei die pathophysiologischen Vorgänge sich stark unterscheiden. Dies ist nicht nur von akademischer Bedeutung, sondern hat auch wichtige therapeutische Konsequenzen. Während ein massiver und plötzlicher Harnsäure-Anfall im Rahmen eines Tumor-Lyse-Syndroms zum akuten Nierenversagen führen kann, liegen der umstrittenen chronischen Urat-Nephropathie dauerhaft erhöhte Harnsäurewerte zugrunde. Möglicherweise ist hier das entscheidende Agens aber gar nicht die Hyperurikämie per se, sondern Blei, zumindest gibt es diese Assoziation. Bei der Nephrolithiasis mit Harnsäuresteinen ist der entscheidende Faktor nicht wie zu vermuten wäre eine Hyperurikämie oder Hyperurikosurie, sondern eine Azidifikationsstörung auf renaler Ebene mit persistierend tiefem Urin-pH. Es gibt starke Hinweise, dass die beiden metabolischen Erkrankungen Adipositas und der Diabetes mellitus Typ 2 mit Insulinresistenz wichtige pathophysiologische Faktoren in der Entstehung dieser Azidifikationsstörung sind. Patienten mit Harnsäuresteinen sollten deshalb immer auf das Vorliegen dieser metabolischen Faktoren abgeklärt und dementsprechend behandelt werden.


Pflege ◽  
2007 ◽  
Vol 20 (6) ◽  
pp. 331-336 ◽  
Author(s):  
Sabine Metzing ◽  
Wilfried Schnepp

Kinder und Jugendliche, die mit chronisch kranken Eltern aufwachsen und zusätzlich in deren Pflege involviert sind, können in ihrer gesamten Entwicklung nachhaltig beeinträchtigt werden. Die vorliegende Literaturstudie ist Teil einer Studie, deren Ziel es ist, Grundlagen für spezifische Unterstützungsangebote für pflegende Kinder in Deutschland zu erarbeiten. In Publikationen der letzten 15 Jahre wurde Fragen nach Auswirkungen einer Pflegerolle auf Kinder sowie nach dem Erleben einer elterlichen Erkrankung nachgegangen. Pflegende Kinder erfahren sowohl negative als auch positive Auswirkungen im Zusammenhang mit ihrer Pflegerolle. Allerdings lässt sich schwer unterscheiden, welchen spezifischen Einfluss die Übernahme pflegerischer Tätigkeiten über die allgemeinen Wirkungen der elterlichen Erkrankung per se hinaus hat. Als positive Folgen werden ein gesteigertes Selbstwertgefühl, frühe Reife, Schaffung von Identität, eine besonders enge Beziehung zu den Eltern wie auch das Gefühl, gut auf das Leben vorbereitet zu sein, beschrieben. Negative Folgen werden für die gesamte körperliche, psychosoziale und schulische Entwicklung der Kinder sichtbar. Jedoch nicht jedes pflegende Kind erfährt negative Auswirkungen seiner Rolle, und nicht jedes Kind, das mit chronisch kranken Eltern aufwächst, nimmt zwangsläufig Schaden. Dennoch verweisen die Ergebnisse auf Handlungsbedarf, um Spätfolgen für Kinder zu verhindern. Bei der Planung von Hilfsangeboten gilt es, die gesamte Familie zu integrieren und neben der Unterstützung der Kinder auch die Eltern zu stabilisieren.


2014 ◽  
Vol 45 (1) ◽  
pp. 15-30 ◽  
Author(s):  
Maya Machunsky ◽  
Thorsten Meiser

This research investigated whether relative ingroup prototypicality (i.e., the tendency to perceive one’s own ingroup as more prototypical of a superordinate category than the outgroup) can result from a prototype-based versus exemplar-based mental representation of social categories, rather than from ingroup membership per se as previously suggested by the ingroup projection model. Experiments 1 and 2 showed that a prototype-based group was perceived as more prototypical of a superordinate category than an exemplar-based group supporting the hypothesis that an intergroup context is not necessary for biased prototypicality judgments. Experiment 3 introduced an intergroup context in a minimal-group-like paradigm. The findings demonstrated that both the kind of cognitive representation and motivational processes contribute to biased prototypicality judgments in intergroup settings.


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