scholarly journals “Mutig werden kann ich lernen”: Kognitive Verhaltenstherapie bei ausgeprägter Angstsymptomatik, Entwicklungsstörung und Intelligenzminderung

2021 ◽  
pp. 1-9
Author(s):  
Susanne Knappe

<b><i>Hintergrund:</i></b> Die psychotherapeutische Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit geistiger Behinderung unterliegt einer Vielzahl von Barrieren. <b><i>Fallbericht:</i></b> Der hier vorgestellte Behandlungsfall illustriert die erfolgreiche Anwendung kognitiver Verhaltenstherapie bei einem 10-jährigen Mädchen bei Entwicklungsstörung und Intelligenzminderung. Nach einer medizinisch notwendigen Untersuchung entstanden ausgeprägte Angstsymptome und Verhaltensprobleme. Infolge einer bekannten Epilepsie war der Einsatz expositionsbasierter Techniken fraglich. Die kognitive Verhaltenstherapie umfasste 64 Behandlungseinheiten. Das Vorgehen zur Selbstbeobachtung, Rationalvermittlung und Angstbewältigung war stark handlungsbezogen und wenig kognitiv orientiert und fand im häuslichen Setting mit Einbezug der Familienmitglieder statt. Nachfolgend wurden – auch aufgrund der zunehmenden Reifung des Kindes – kognitiv anspruchsvollere Techniken eingesetzt. Zur 38. Behandlungseinheit wurden zuvor angstbesetzte Situationen dem Entwicklungsstand angemessen und selbstständig bewältigt. Eine nachfolgende medizinische Untersuchung ähnlich der Auslösesituation wurde therapeutisch vorbereitet und sicher bewältigt. Zu Behandlungsende waren die Alltagskompetenzen maßgeblich erweitert. <b><i>Schlussfolgerungen:</i></b> Entgegen der Vorannahmen bedurfte es nur weniger Anpassungen an das Setting und die Behandlungstechniken im Vergleich zum Vorgehen bei ähnlicher Symptomatik ohne geistige Behinderung. Durch die psychotherapeutische Behandlung konnte kurz- und langfristig eine Manifestation (Eskalation) von weiterem Problemverhalten verhindert werden. Das Erkennen und die Auseinandersetzung mit dem “Anderssein” infolge der geistigen Behinderung und verfügbarer Alltagskompetenzen bergen Entwicklungsrisiken und -chancen, die durch eine psychotherapeutische Begleitung gut bewältigt werden können.

2012 ◽  
Vol 9 (02) ◽  
pp. 77-84 ◽  
Author(s):  
S. C. Herpertz ◽  
Ch. Roth-Sackenheim

ZusammenfassungMehr als 3% der Deutschen erhalten eine psychotherapeutische Behandlung. Dabei verteilt sich die Versorgungslandschaft auf eine Reihe unterschiedlicher Berufsgruppen, wobei das Verhältnis von Ärzten und Psychologen derzeit bei 1:1,7 liegt. Das deutsche Krankenver-sicherungssystem verteilt seine Ressourcen unter der Leitidee, dass psychisch Kranke mit einem der zugelassenen Richtlinienverfahren „Kognitive Verhaltenstherapie, Tiefenpsychologie oder Psychoanalyse“ behandelt werden sollen; so entfallen ungefähr die Hälfte aller Ausgaben für Psychiatrie und Neurologie auf die Finanzierung der Richtlinienverfahren. Der ambulant tätige Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie versorgt dagegen mit Abstand die meisten Patienten und übernimmt damit die Verantwortung für die Versorgungssicherung der psychisch Kranken in Deutschland. Allerdings geht die sehr hohe Fallzahl auf Kosten der Zeitintensität der Behandlung des einzelnen Patienten. Dies dürfte nur sehr eingeschränkt dem Selbstbild und der Kompetenz der Mehrzahl der Psychiater und Psychotherapeuten entsprechen, erbringen sie doch oft auch Richtlinienpsychotherapien. Laufende Forschungsprojekte, z.T. unterstützt von der Bundesärztekammer, werden hoffentlich mehr Klarheit darüber bringen, welche psychotherapeutischen Leistungen von Ärzten im Allgemeinen und Psychiatern im Besonderen neben der Richtlinienpsychotherapie erbracht werden.


Author(s):  
Silvia Schneider ◽  
Tina In-Albon

Zusammenfassung: Angststörungen sind die häufigsten psychischen Störungen des Kindes- und Jugendalters. Sie sind zudem ein bedeutsamer Risikofaktor für psychische Störungen des Erwachsenenalters und erfordern eine adäquate Behandlung. Die Wirksamkeit von Psychotherapie in der Angstbehandlung kann heute nicht mehr in Frage gestellt werden. Jedoch zeigt die Sekundäranalyse der Therapiestudien, dass bislang nur kognitiv-verhaltenstherapeutische Interventionen die erfolgreiche Behandlung der Angststörungen des Kindes- und Jugendalters anhand von randomisierten, kontrollierten Therapiestudien (Randomized Control Trials, RCT) nachweisen konnten. Dabei fanden sich keine Unterschiede in der Wirksamkeit, wenn die kognitive Verhaltenstherapie individuell oder in der Gruppe stattfand oder wenn sie mit dem Kind alleine oder unter Einbezug der Familie durchgeführt wurde. Die Katamnesedaten zeigen, dass die Therapieerfolge über mehrere Jahre bestehen blieben und die Erfolge nicht nur auf die Angstsymptomatik beschränkt waren. Während für viele der in der klinischen Praxis angewendeten Psychotherapieverfahren ein adäquater empirischer Nachweis einer Wirksamkeit fehlt, liegen erste RCTs vor, die die kurzfristige Wirksamkeit psychopharmakologischer Behandlung (SSRI) nachweisen. Zu den zentralen empirisch validierten psychotherapeutischen Interventionen gehören die Psychoedukation, kognitive Bearbeitung dysfunktionaler Gedanken und systematische Konfrontation mit den angstauslösenden Situationen. Diese Interventionen werden kurz dargestellt und offene Fragen in der Psychotherapieforschung der Angststörungen werden abschließend diskutiert.


2020 ◽  
Vol 25 (1) ◽  
pp. 67-94
Author(s):  
Matthias Pillny ◽  
Tania M. Lincoln

Kognitive Verhaltenstherapie für Patient*innen mit psychotischen Störungen ist eine störungsspezifische Anpassung der kognitiven Therapie nach Beck. Die Interventionen setzen an den auslösenden und aufrechterhaltenden Bedingungen der einschlägigen Symptomatik an und basieren auf empirisch fundiertem Störungswissen. Zum Vorgehen zählt neben einer ausführlichen Diagnostik, eine entpathologisierende Psychoedukation, die die Hoffnung auf Besserung betont. Ferner der Aufbau eines funktionalen Umgangs mit akustischen Halluzinationen und anderen belastenden Symptomen und die kognitive Disputation von Wahngedanken sowie von belastenden Bewertungen von Symptomen. Die Ergebnisse der bisherigen Psychotherapieforschung bei Psychosen sprechen deutlich für die Wirksamkeit von kognitiver Verhaltenstherapie auf Positivsymptomatik und generelle Psychopathologie. In dem vorliegenden Artikel geben wir eine Übersicht über die klassischen Interventionen der kognitiven Verhaltenstherapie für Psychosen sowie über die neuesten symptomspezifischen Weiterentwicklungen. Abschließend diskutieren wir die Evidenz für die Wirksamkeit dieser Interventionen und fassen die Empfehlungen der aktuellen Behandlungsleitlinien für die psychotherapeutische Behandlung psychotischer Störungen zusammen.


Im Cluster C der DSM-5 sind vermeidende, dependente und zwanghafte Persönlichkeitsstörungen subsumiert. Menschen mit Persönlichkeitsstörungen dieses Clusters können als ängstlich, furchtsam, vermeidend charakterisiert werden. Verschiedene psychotherapeutische Behandlungsansätze kommen in Frage und sind wirksam, Evidenzen für Therapieerfolg existieren u.a. für die psychodynamische Kurzzeittherapie (STPP) und die kognitive Verhaltenstherapie (CBT). Wenig bekannt ist bislang, welche spezifischen Prozesse während der Therapiesitzung maßgeblich Einfluss auf den Erfolg haben. Als Prozesse werden in diesem Zusammenhang u. a. die therapeutische Beziehung und der Therapieansatz definiert.


Author(s):  
Michael Specka ◽  
Norbert Scherbaum

Fragestellung: Angesichts des hohen Ausmaßes an komorbiden psychischen Störungen bei Opiatabhängigen in Substitutionsbehandlung ist eine begleitende psychiatrisch-psychotherapeutische Behandlung in der Regel notwendig. Es ist allerdings zu fragen, ob entsprechende Strategien bei dieser speziellen Patientengruppe auch evaluiert wurden. Methodik: Literaturübersicht mit Fokus auf psychotherapeutische Interventionen mit dem Ziel der Linderung komorbider substanzbezogener Störungen. Ergebnisse: In randomisierten kontrollierten Prüfungen konnte die Wirksamkeit insbesondere einer kognitiven Verhaltenstherapie wie auch des Contingency Management zur Reduktion des Suchtmittelkonsums bei Substitutionspatienten belegt werden. Im Fokus der zumeist US-amerikanischen Untersuchungen stehen kokainbezogene Störungen. Schlussfolgerungen: Eine begleitende Psychotherapie bei Substitutionspatienten ist wirksam. Hindernisse für die Implementierung in der klinischen Versorgung sind mutmaßlich mangelnde Kenntnis der Datenlage bei einem verbreiteten therapeutischen Nihilismus in der Behandlung Drogenabhängiger, aber auch begrenzte finanzielle und personelle Ressourcen für eine begleitende Psychotherapie.


Author(s):  
Rainer Thomasius ◽  
Peter-Michael Sack ◽  
Nicolas Arnaud ◽  
Eva Hoch

Zusammenfassung. Hintergrund: Alkoholbezogene Störungen kennzeichnen sich meist durch einen frühen Störungsbeginn. Jedoch werden entwicklungsrelevante Behandlungsbedürfnisse in der Versorgung oft nicht adäquat berücksichtigt. Zu Screening, Diagnostik und Therapie von alkoholbezogenen Störungen ist nun eine neue, interdisziplinäre S3-Leitlinie vorgelegt worden, in der erstmals spezifische Behandlungsempfehlungen für Kinder und Jugendliche formuliert werden. Methodik: Für die S3-Leitlinie wurden insgesamt 23 Quellleitlinien, 28 systematische Reviews und 2213 Originalarbeiten ausgewertet. Eine interdisziplinäre Konsensuskonferenz formulierte 174 Empfehlungen, von denen 14 speziell für Kinder- und Jugendliche gelten. Je nach Evidenzniveau vergab sie „Soll-“, „Sollte-“ und „Kann“-Empfehlungen oder einen „Klinischen Konsenspunkt“ (KKP). Ergebnisse: Für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen gab es jeweils eine „Soll“-Empfehlung innerhalb von Psychotherapien für das Motivational Interviewing (MI), die Kognitive Verhaltenstherapie (KVT) und den Einbezug von Familienangehörigen. Empfehlungen zur Familientherapie sind heterogen. Zu psychosozialen Therapien (z. B. Psychoedukation, Erziehungshilfe, Ergotherapie) wurde ein KKP vergeben. Die Studienlage zu medikamentösen Therapien war unzureichend; nur für die Behandlung psychisch komorbider Störungen ließ sich ein KKP ableiten. Im Rahmen differenzieller Indikationen sollen die Risiken für Suizide, Behandlungsabbruch und die über Mitpatienten vermittelte Delinquenz berücksichtigt werden (KKP). Schlussfolgerungen: Für die Behandlung von alkoholbezogenen Störungen bei Jugendlichen können zahlreiche evidenz- und konsensbasierte Empfehlungen abgegeben werden. Drängender Forschungsbedarf wurde v. a. im Bereich der medikamentösen Therapien festgestellt.


2020 ◽  
Vol 68 (3) ◽  
pp. 150-159 ◽  
Author(s):  
Thomas Ehring

Zusammenfassung. Die Ruminationsfokussierte Kognitive Verhaltenstherapie (RFCBT) ist eine neuere Therapie zur Behandlung von Depression. Der Fokus der Behandlung liegt auf der Analyse und Veränderung von Rumination, definiert als repetitive negative Gedanken, die im Rahmen von Depression häufig auftreten. RFCBT basiert auf einem theoretischen Modell, nach dem (1) Rumination bei depressiven Patient_innen eine mentale Gewohnheit darstellt, (2) Rumination als eine Form der Vermeidung betrachtet werden kann sowie (3) ein abstrakter Verarbeitungsstil für die dysfunktionalen Effekte von Rumination verantwortlich ist. Zentrale Therapiebausteine beinhalten neben Verhaltensanalysen und Psychoedukation vor allem Maßnahmen zur Veränderung von Rumination als mentaler Gewohnheit sowie zur Modifikation des dominierenden Verarbeitungsstils. RFCBT hat in ersten Wirksamkeitsstudien vielversprechende Effekte in der Reduktion akuter und residualer depressiver Symptomatik sowie in der Prävention von Depression gezeigt.


Author(s):  
Gunter Groen ◽  
Franz Petermann

Die Kognitive Verhaltenstherapie (KVT) bietet einen theoretisch und empirisch gut abgeleiteten Therapieansatz bei depressiven Kindern und Jugendlichen. Ihre Anwendung bei dieser Indikation ist gemäß vorliegenden Leitlinien und Wirksamkeitsstudien zu empfehlen. Vor allem im Hinblick auf die bisher ermittelten nur kleineren bis moderaten Effektgrößen sowie fehlenden Befunde zur langfristigen Wirksamkeit und zu Wirkfaktoren sind jedoch zusätzliche Forschung und konzeptionelle Weiterentwicklung erforderlich. Der Artikel gibt zunächst einen kurzen Überblick über Grundlagen und Inhalte der KVT bei depressiven Kindern und Jugendlichen. Im Weiteren werden neuere Befunde und Einschätzungen zu ihrer Wirksamkeit sowie aktuelle Weiterentwicklungen und Perspektiven vorgestellt.


Praxis ◽  
2019 ◽  
Vol 108 (2) ◽  
pp. 125-130
Author(s):  
Dominique Flügel

Zusammenfassung. Schlafstörungen im Alter sind häufig und haben unterschiedliche Ursachen. Ältere Leute beklagen sich selten darüber, daher muss immer danach gefragt werden. Insomnien, schlafassoziierte Atemstörungen und das Restless-Legs-Syndrom nehmen im Alter zu. Nicht selten sind Schlafstörungen auch erstes Symptom anderer Erkrankungen. Bei Depressionen oder Angsterkrankungen, aber auch bei neurodegenerativen Erkrankungen wie Demenzen oder dem Parkinsonsyndrom können sich Schlafstörungen vor kognitiven Störungen oder motorischen Beschwerden manifestieren. Schlafstörungen können auch Risikofaktor für andere Erkrankungen sein, wie zerebrale Ischämien und Herzrhythmusstörungen. Vieles muss bei der Diagnostik und Therapie berücksichtigt werden: Schlafgewohnheiten nachts und tagsüber, Medikamente und Begleiterkrankungen. Die Behandlung ist abhängig von der Ursache und sollte vor allem bei den Insomnien nicht-medikamentöse Therapien wie kognitive Verhaltenstherapie beinhalten.


1999 ◽  
Vol 8 (4) ◽  
pp. 226-233 ◽  
Author(s):  
Silvia Schneider

Zusammenfassung. Angststörungen bei Kindern sind weit verbreitet und nehmen bei einem Teil der Betroffenen einen chronischen Verlauf. Im vorliegenden Artikel werden für die beiden wichtigsten Angststörungen des Kindesalters “Trennungsangst” und “Phobien” kognitiv-verhaltenstherapeutische Behandlungsmöglichkeiten aufgezeigt. Die Wirkungs- und Vorgehensweise der folgenden Methoden werden im einzelnen dargestellt: Systematische Desensibilisierung, Reizkonfrontationsverfahren, Modellernen und kognitiv-verhaltenstherapeutische Behandlungsprogramme. Als erfolgversprechendster Behandlungsansatz für die Therapie der Angststörungen im Kindesalter erweisen sich sogenannte Konfrontationsverfahren, bei denen die Kinder mit den angstauslösenden Situationen konfrontiert werden. Eine ausführliche Beschreibung dieses Behandlungsansatzes erfolgt abschließend.


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