Sozio-moralisches Denken bei Jungen mit einer Störung des Sozialverhaltens

Author(s):  
Christina Stadler ◽  
Sonja Rohrmann ◽  
Andrea Knopf ◽  
Fritz Poustka

Zusammenfassung: Fragestellung: Die vorliegende Studie überprüft, ob sich Patienten mit Störungen des Sozialverhaltens von gesunden Kindern hinsichtlich ihres moralischen Entwicklungsniveaus unterscheiden und inwieweit kognitive Faktoren, Erziehungsfaktoren sowie psychosoziale Belastungsfaktoren eine mediierende Rolle für die Stufe des sozio-moralischen Entwicklungsniveaus spielen. Methodik: Untersucht wurden 16 9- bis 14-jährige Jungen mit einer nach ICD-10 diagnostizierten Störung des Sozialverhaltens und 16 klinisch nicht-auffällige Jungen. Das Entwicklungsniveau sozio-moralischen Denkens wurde mit der deutschsprachigen Version des Sociomoral Reflection Measure ( Gibbs et al.,1992 ) untersucht. Ergebnisse: Die Ergebnisse zeigen, dass sich die untersuchten Patienten tendenziell von gesunden Kindern im sozio-moralischen Entwicklungsniveau unterscheiden. In Anlehnung an Gibbs und Mitarbeiter (1992) sind gesunde Kinder in ihrem moralischen Urteil bereits einer reifen Entwicklungsstufe zuzuordnen (charakterisiert durch eine prosoziale und wechselseitige moralische Haltung), während Kinder mit einer Störung des Sozialverhaltens auf einer Übergangsstufe zwischen unreifem und reifem sozio-moralischem Niveau stehen, sie folgen eher einer rationalen, austauschorientierten Moral. Entscheidenden Einfluss auf die soziale Moralentwicklung nehmen die Faktoren «Intelligenz» und «mütterliche Unterstützung». Diskussion: Es ist zu überprüfen, inwieweit die gefundenen Ergebnisse in einer größeren Stichprobe generalisiert werden können.

2013 ◽  
Vol 22 (1) ◽  
pp. 41-47 ◽  
Author(s):  
Franziska Ewest ◽  
Thomas Reinhold ◽  
Timo D. Vloet ◽  
Volker Wenning ◽  
Christian J. Bachmann

Die Studie basiert auf Abrechnungsdaten einer großen gesetzlichen Krankenkasse (AOK Nordost). Es wurden Patienten im Alter von 13 bis 18 Jahren mit dokumentierter ICD-10-Diagnose einer Störung des Sozialverhaltens eingeschlossen (Indexgruppe, IG, N=665) und mit einer nach Alter und Geschlecht parallelisierten Kontrollgruppe (KG, N=16.625) verglichen. Während in der KG mittlere Jahreskosten von 687 € zu verzeichnen waren, beliefen sich diese bei der IG mit 2.632 € auf das 3,83fache (p<0,001). In beiden Gruppen verursachten weibliche Versicherte höhere Kosten als männliche (IG: 2.883 € vs. 2.501 €, p=0,41; KG: 758 € vs. 649 €, p=0,22). Jugendliche mit Störungen des Sozialverhaltens lösten deutlich höhere Krankenkassenausgaben aus als Jugendliche ohne diese Diagnose. Dieses Ergebnis weist auf die gesundheitsökonomische Bedeutung des Störungsbildes hin.


2002 ◽  
Vol 11 (2) ◽  
pp. 73-81 ◽  
Author(s):  
Christopher Adam ◽  
Manfred Döpfner ◽  
Gerd Lehmkuhl

Zusammenfassung. Die Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) ist eine häufige Diagnose im Kindesalter. Die Klassifikationssysteme ICD-10 und DSM-IV erlauben die Diagnose auch im Erwachsenenalter, jedoch unterscheidet sich die Symptomatik von der des Kindesalters. Bei Jugendlichen und Erwachsenen ist mit einer heterogeneren Symptomatik zu rechnen. In großen Studien konnte gezeigt werden, daß die Symptome bei bis zu 30 % der Betroffenen bis ins frühe Erwachsenenalter persistieren können, allerdings leidet ein höherer Prozentsatz weiterhin unter Teilsymptomen mit klinischer Wertigkeit. Insbesondere komorbid auftretende Störungen des Sozialverhaltens, affektive Störungen, psychosoziale Belastungsfaktoren und ADHS in der Familie sind Risikofaktoren für eine Persistenz. Die heterogene Symptomatik im Jugend- und Erwachsenenalter sowie die komorbiden Störungen erfordern ein individuelles therapeutisches Vorgehen mit entwicklungsspezifischen Elementen unter Umständen über mehrere Lebensphasen hinweg.


2013 ◽  
Vol 22 (2) ◽  
pp. 113-122 ◽  
Author(s):  
Esmahan Belhadj Kouider ◽  
Ute Koglin ◽  
Alfred L. Lorenz ◽  
Marc Dupont ◽  
Franz Petermann

Aggressives Verhalten tritt bei Jugendlichen mit Migrationshintergrund nach groß angelegten nationalen Schülerbefragungen häufiger auf. Die vorliegende empirische Studie umfasst 779 behandelte Jugendliche mit unterschiedlichen psychosozialen Belastungen wie Aggressionen, Depressionen oder Ängsten der institutionellen psychiatrischen Einrichtungen des Klinikverbundes Bremen aus dem Jahr 2010 und analysiert 185 Jugendliche mit einer Diagnose im Bereich der F91 oder F92 nach ICD-10. Es wird deutlich, dass im Verhältnis zur Bevölkerungsstruktur Jugendliche mit Migrationshintergrund durch die psychiatrische Versorgung noch nicht ausreichend erreicht werden. Binäre logistische Regressionsanalysen zeigen auf, dass ein Migrationshintergrund kein Prädiktor für eine Störung des Sozialverhaltens darstellt. Bedeutsame Einflussfaktoren einer Störung des Sozialverhaltens sind bei den behandelten Jugendlichen ein männliches Geschlecht, ein niedriger Bildungsstatus der Eltern, ein unangemessener elterlicher Erziehungsstil, eine unzureichende psychosoziale Anpassung, die Anzahl psychosozialer Belastungsfaktoren und chronischer schulischer Stress.


2005 ◽  
Vol 14 (4) ◽  
pp. 244-254 ◽  
Author(s):  
Christiane Desman ◽  
Franz Petermann

Zusammenfassung. Bereits mit Erscheinen des DSM-IV wurde die Validität der dort benannten Subtypen der ADHS hinterfragt. Hinzu kommt eine abweichende Subgruppenbildung in der ICD-10. Seitdem sind die Subtypen in verschiedenen Zusammenhängen untersucht worden. Dabei festgestellte Unterschiede und Gemeinsamkeiten der Subtypen werden aus sechs Perspektiven (verhaltensbezogen, genetisch, geschlechtsspezifisch, entwicklungsbezogen, neurobiologisch, neuropsychologisch) betrachtet, um Informationen über mögliche notwendige Veränderungen im DSM-V zu erlangen. Die Befunde legen zunächst nahe, sich bei zukünftigen Klassifikationskriterien nicht auf die Verhaltensebene zu beschränken, sondern insbesondere neuropsychologische aber auch neurobiologische Aspekte einzubeziehen. So wird unter Berücksichtigung dieser Ebenen für den bisherigen vorwiegend unaufmerksamen Subtyp eine weitere Differenzierung angedeutet: in eine Gruppe mit verlangsamtem kognitiven Tempo, die eventuell sogar eine eigenständige Störung darstellt, sowie einen vorwiegend unaufmerksamen Subtyp der ADHS, der aber schwache Symptome der Hyperaktivität und Impulsivität aufweist. Des Weiteren deutet sich zwar auf einigen Ebenen ein eigenständiger Subtyp ADHS mit komorbiden Störungen des Sozialverhaltens beziehungsweise einer Hyperkinetischen Störung des Sozialverhaltens an. Jedoch sind Befunde anderer Ebenen noch nicht eindeutig und somit ist weitere Forschung notwendig. Zudem scheinen gesonderte Kriterien für die Geschlechter nicht erforderlich, vielmehr sollte stärker beachtet werden, dass auch Mädchen diese Störung aufweisen können. Abschließend werden Implikationen für zukünftige Klassifikationen und ihre Bedeutung für unterschiedliche Behandlungsverfahren diskutiert.


Author(s):  
A. Wagner ◽  
C. Jennen-Steinmetz ◽  
C. Göpel ◽  
M. H. Schmidt

Zusammenfassung: Fragestellung: Aggressiv-dissoziale Verhaltensweisen im Kindes- und Jugendalter zählen zu den häufigsten Verhaltensproblemen in dieser Altersgruppe mit ungünstigem Verlauf. Ziel der Arbeit war es anhand einer ambulanten und stationären Stichprobe diagnosebezogen den Behandlungserfolg von Patienten mit einer Störung des Sozialverhaltens zu beurteilen und einen möglichen Zusammenhang mit Faktoren aus dem psychosozialen Umfeld des Kindes zu analysieren. Methodik: Es wurden retrospektiv Daten über 10 Jahre von ambulant (n = 1181) und stationär (n = 1156) behandelten Patienten mit einer Störung des Sozialverhaltens sowie «internalisierenden» Störungen erhoben. Die Gruppe der Patienten mit Sozialverhaltensstörungen wurde in Subgruppen («I»: F90.1; «E»: F91.2, F92; «D»: F91.1, F91.3) unterteilt. Der Behandlungserfolg wurde anhand einer Verbesserung auf der Skala zur Gesamtbeurteilung von Kindern und Jugendlichen (SGKJ) erfasst. Mögliche Prädiktoren wurden mittels des Fisher Exakter Test und der Logistischen Regression untersucht. Ergebnisse: Der beste Outcome wurde in der Gruppe «I» erzielt. Der Behandlungserfolg der stationären Patienten war deutlich größer als in der ambulant behandelten Patientengruppe. Als wichtige Prädiktoren erwiesen sich die Kooperation von Eltern und Kind, die Schwere der Funktionsbeeinträchtigung, psychosoziale Risiken und eine Stimulanzienmedikation. Schlussfolgerung: Die Effektivität eines ambulanten Behandlungsangebotes bei Kindern und Jugendlichen mit Störungen des Sozialverhaltens kann durch aufsuchende und familienzentrierte Angebote sowie den Einsatz von Pharmakotherapie erhöht werden.


Author(s):  
Elke Wriedt ◽  
Anja Wiberg ◽  
Vehbi Sakar ◽  
Michele Noterdaeme

Einleitung: Der vorliegende Beitrag gibt einen Überblick über psychiatrische Störungen, komorbide somatische Erkrankungen, psychosoziale Belastungsfaktoren sowie psychosoziale Anpassung von Kindern und Jugendlichen mit Intelligenzminderung, die durch den Mobilen kinder- und jugendpsychiatrischen Dienst des Heckscher Klinikums behandelt wurden. Methodik: Die Befunde von 257 psychiatrisch auffälligen Kindern und Jugendlichen mit Intelligenzminderung wurden ausgewertet. Ergebnisse: In den betreuten ambulanten und teilstationären Einrichtungen waren ca. 14 %, im Wohnheimbereich über 40 % der Kinder und Jugendlichen mit intellektueller Behinderung psychiatrisch auffällig. Der Schwerpunkt der gestellten Diagnosen lag bei den Anpassungsstörungen, hyperkinetischen Störungen, Störungen des Sozialverhaltens, emotionalen Störungen sowie tiefgreifenden Entwicklungsstörungen. Die untersuchten Patienten, insbesondere mit schwerer Intelligenzminderung, wiesen ein großes Spektrum an zusätzlichen körperlichen Erkrankungen und Behinderungen auf und waren in ihrer psychosozialen Anpassung schwer beeinträchtigt. Schlussfolgerungen: Anhand der vorliegenden Zahlen lässt sich der große Bedarf nach psychiatrischer Versorgung in den Einrichtungen für Kinder und Jugendliche mit Intelligenzminderung belegen. Die Entwicklung integrativer, multidimensionaler und multiprofessioneller Behandlungsmodelle, die die besonderen Bedürfnisse der jungen Menschen mit Intelligenzminderung bzw. Mehrfachbehinderung berücksichtigen, ist dringend erforderlich.


Author(s):  
Christina Stadler

Dieser Beitrag diskutiert die prädiktive Validität der allgemeinen Diagnosekriterien von Störungen des Sozialverhaltens nach ICD-10 und DSM-IV-TR. Dabei wird Bezug genommen auf aktuelle Befunde, die eine Phänotypisierung früh beginnender Störungen des Sozialverhaltens auf der Basis neurobiologischer und persönlichkeitsspezifischer Faktoren nahelegen. Untersuchungsergebnisse, die auf defizitäre neurobiologische Mechanismen aggressiven Verhaltens in Bezug auf Prozesse der Emotionswahrnehmung und Emotionsregulation hinweisen, werden dargestellt, wobei auch die Bedeutung möglicher mediierender Einflüsse früher psychosozialer Erfahrungen auf neurobiologische Funktionen erörtert wird. Die klinischen Implikationen für die Klassifikation, den Verlauf und die Behandlung von Störungen des Sozialverhaltens werden abschließend diskutiert.


2004 ◽  
Vol 13 (2) ◽  
pp. 64-79 ◽  
Author(s):  
Wolfgang Ihle ◽  
Maria Elisabeth Ahle ◽  
Dörte Jahnke ◽  
Günter Esser

Zusammenfassung. Ein Entwurf evidenzbasierter Leitlinien zur Diagnostik und Psychotherapie von depressiven Störungen im Kindes- und Jugendalter wird vorgestellt. Für die Diagnosestellung depressiver Störungen im Kindes- und Jugendalter müssen die gleichen diagnostischen Kriterien nach ICD-10 erfüllt sein wie für Erwachsene. Allerdings kann das klinische Bild einer Depression in verschiedenen Altersgruppen deutlich variieren. Depressive Störungen sind vor allem im Jugendalter häufig, chronische Verläufe und Rückfälle treten auf und sie gehen oft mit komorbiden Störungen wie Angststörungen, Störungen des Sozialverhaltens und Störungen durch Substanzgebrauch einher. Wirksame Interventionsansätze zur Prävention depressiver Störungen und zur Akutbehandlung bei leichten und mittelschweren depressiven Störungen stehen zur Verfügung. Die psychotherapeutischen Interventionen der Wahl stellen derzeit kognitiv-verhaltenstherapeutische Ansätze (KVT) und die interpersonale Therapie (IPT) dar. Die Antidepressiva der Wahl sind derzeit selektive Serotoninwiederaufnahmehemmer (SSRI). Weitere Studien, vor allem hinsichtlich Rückfallprophylaxe und der Evaluation der Wirksamkeit einer Kombinationsbehandlung von Psychotherapie mit antidepressiver Medikation stehen noch aus.


Author(s):  
Hyunsook Oh ◽  
Helfried Moosbrugger ◽  
Fritz Poustka

Zusammenfassung: Fragestellung: Die vorliegende Studie behandelt die Frage, ob sich klinisch auffällige Kinder und Jugendliche anhand von quantitativen und qualitativen Aufmerksamkeitsaspekten differentialdiagnostisch unterscheiden lassen. Methode: Hierzu wurden N = 88 klinisch auffällige Kinder und Jugendliche aus sieben ICD-10-Diagnosegruppen im Alter von 10 bis 18 Jahren mit dem Frankfurter Aufmerksamkeitsinventar FAIR ( Moosbrugger & Oehlschlägel, 1996 ) untersucht, dessen Testwerte in quantitativer Hinsicht die selektive Aufmerksamkeitsleistung (FAIR-L) und die Aufmerksamkeitskontinuität (FAIR-K) sowie in qualitativer Hinsicht die Selbstkontrollfunktion bei der Erbringung der Aufmerksamkeitsleistung (FAIR-Q) erfassen. Ergebnisse: Insgesamt zeigten die verschiedenen Gruppen hinsichtlich der selektiven Aufmerksamkeitsleistung und der Aufmerksamkeitskontinuität nur geringe Unterschiede und bewegten sich im durchschnittlichen Bereich. Hinsichtlich der Selbstkontrollfunktion zeigten sich jedoch beträchtliche Unterschiede, die eine differentialdiagnostische Zweiteilung der Gruppen ermöglichen. Zur Gruppe mit deutlich bis sehr deutlich verringerter Selbstkontrollfunktion zählen insbesondere die Diagnosen Schizophrenie, aber auch hyperkinetische Störungen, Störung des Sozialverhaltens, depressive Störungen und Zwangsstörungen; zur Gruppe mit hoher Selbstkontrollfunktion die Diagnose Essstörungen und sonstige neurotische Störungen. Schlussfolgerung: Die Selbstkontrollfunktion erweist sich somit zur Differentialdiagnostik bei klinisch auffälligen Kindern und Jugendlichen als leistungsstarker Aufmerksamkeitsparameter.


Author(s):  
Timo D. Vloet ◽  
Nicola Großheinrich ◽  
Kerstin Konrad ◽  
Christine M. Freitag ◽  
Beate Herpertz-Dahlmann

Während Studien zur Störung des Sozialverhaltens (Conduct Disorder; CD) in der Vergangenheit fast ausschließlich mit Jungen durchgeführt wurden, sind in den letzten Jahren betroffene Mädchen zunehmend in den Fokus des wissenschaftlichen Interesses gerückt. In dieser Übersicht werden die aktuellen Befunde zur Prävalenz und zu geschlechtsspezifischen Unterschieden hinsichtlich Symptomatik (einschließlich Subtypen aggressiven Verhaltens und psychopathischer Eigenschaften (callous-unemotional (cu)-traits)) dargestellt. Anhand von Befunden zum vegetativen und neuroendokrinen Stresssystem sowie neurokognitiven und genetischen Daten sowie Bildgebungsbefunden werden neurobiologische Differenzen und weitere Unterschiede im Hinblick auf den Einfluss von Umweltfaktoren aufgezeigt. Insgesamt zeigt sich eine große Überlappung der klinischen Symptomatik, von Persönlichkeitsmerkmalen und neurobiologischen Veränderungen bei Jungen und Mädchen mit CD. Größere systematische Untersuchungen zu Mädchen mit CD sind dringend notwendig und könnten zu einem besseren Verständnis dissozialer Entwicklung beitragen. Da Mädchen seltener eine CD-Symptomatik zeigen, könnten solche Studien z. B. helfen, Resilienzfaktoren zu identifizieren, die therapeutische Interventionen möglicher Weise optimieren könnten.


Sign in / Sign up

Export Citation Format

Share Document