Luhmanns Gesellschaftstheorie: Anregung und Herausforderung für eine allgemeine Theorie komplexer Systeme
ZusammenfassungEin einflussreiches Paradigma in der Untersuchung komplexer Systeme versucht biologische und soziale Systeme als »quasi-physikalische« Systeme zu verstehen, d.h. Systeme, in denen die Elemente nach Regeln interagieren, die wie physikalische Gesetze behandelt werden können, und die durch Prozesse der Selbstorganisation zur Emergenz von Strukturen auf höheren Ebenen führen. Dabei bleibt aber unklar, worin das spezifisch Biologische oder Soziale dieser Systeme besteht. Für soziale Systeme bietet Luhmanns Theorie eine Alternative, welche von Kommunikationen als grundlegenden Elementen ausgeht, die durch ihr selbstreferentielles Operieren soziale Systeme konstituieren. Mit dem Ziel einer mathematischen Formalisierung dieser Konzepte quantifizieren wir in diesem Beitrag den Luhmannschen Komplexitätsbegriff und formalisieren Kommunikation als Operation auf Erwartungen, die durch parametrisierte Wahrscheinlichkeitsverteilungen repräsentiert werden. Wenn sich dann diese Erwartungen wieder auf derartige Parameter statt direkt auf Fremdreferenzen beziehen, ermöglicht dies eine Komplexitätsreduktion durch eine Ausmittelung und Erfassung von Regularitäten über eine längere Zeitskala. Wenn gemeinsame Bedeutungen etabliert sind, kann dies wiederum zur Bildung eines kommunikativen Systems durch selbstreferentiellen Anschluss führen.